Hallo,
Der einzige Vorteil »sprechender« Klassennamen liegt hier aber auf Seiten des Autors und der exotischen Spezies der Quelltestleser. (...) Man kann sicherlich in einer homogenen, abgeschlossenen Umgebung [einen standardisierten Satz an Klassennamen] definieren, in der Gesamtheit der Welt existiert so etwas nicht. Deswegen erhebe ich es nicht zum Dogma, sondern verbuche es - wie schon nebenan bei Einbecker zu lesen - als Geschmacksentscheidung.
Es ist viel mehr als eine Geschmacksentscheidung, es ist guter Stil, und beileibe nicht zum Selbstzweck. Diese gedankliche Abstraktion ist zwingend notwendig, um gut strukturierte (und letztlich zugängliche und kompatible) Hypertextdokumente zu schreiben, welche Elemente nicht als reine Begrenzungen zu sehen, an denen Styles aufgehängt werden. Diese Abstraktion ist ein Grundpfeiler des Konzept der Trennung von Dokumentstruktur und Präsentationsregeln. Es geht darum, beim Schreiben eines Dokuments beziehungsweise beim Schreiben einer Site wiederkehrende Inhaltsmuster zu erkennen und diese nach Logik/Funktion zu strukturieren und entsprechend auszuzeichnen. Dies ist nicht mit der anachronistischen HTML 3.2-Tagsoup, aber auch nicht mit der div/style-Soup vereinbar. Erst darauf aufbauend können flexible, effiziente und ausbaufähige Stylesheets geschrieben werden.
Wenn sich jemand angewöhnt, <div class="blau"> usw. zu schreiben, fehlt diese Abstraktion, weil derjenige sich über die korrekte Auszeichnung der Bedeutung/Funktion keine Gedanken macht. Das führt letztlich auch zu schlechtem Design, weil diese Bedeutung und die Inhaltsstruktur generell nicht hinreichend eindeutig visuell kommuniziert wird. Der Erfahrung nach kommt letztlich oft ein Dokument heraus, welches keine über das Markup herausgearbeitete Struktur hat und nur aus »Präsentationsgliederungen« besteht, ganz einfach weil der Autor direkt von <font color="red" face="Arial,sans-serif"><b><i>... usw. auf <span class="rot"> umgestiegen ist, ohne das Konzept von CSS zu verinnerlichen - das habe ich hier schon sehr oft beobachtet.
Betrachte es also meinetwegen als einen didaktischen Weg zum Verständnis von Textauszeichnung und Dokumentmodellen an sich und dem effizienten Einsatz von global-zentralen Stylesheets, man denke nur an flexible kontextabhängige Selektoren und so weiter, welche ein extrem wohlstrukturierten und logisch stimmigen Elementbaum voraussetzen. Seitenautoren, welche Klassennamen ausschließlich der Präsentation nach benennen, haben meiner Erfahrung nach sehr oft diese gedankliche Wende noch nicht vollzogen (verallgemeinernd lässt es sich natürlich nicht feststellen). Der Zweck des Insistierens auf bedeutungsvolle Klassennamen ist, einem Anfänger beizubringen, dass am Anfang jeder Hypertextualisierung der beschriebene Arbeitsschritt des Herausarbeitens von wiederkehrenden Mustern und deren angemessene Auszeichnung mit Elementen, Klassen und IDs steht, lange bevor ein Stylesheet geschrieben wird. Daraus sollte sich vieles ergeben, was letztlich die Arbeit vereinfacht.
Dass am Ende noch Präsentationsgliederungen hinzugefügt werden, ist kein Beinbruch, denn wenn ein Autor sich zu diesem Erfahrungsgrad vorgearbeitet hat, ist es tatsächlich Geschmackssache; ab diesem Punkt kann er sicherlich eigenständige Wege gehen, aber davor halte ich es durchaus für sinnvoll, die geschilderte Denkweise zur Orientierung zu empfehlen. Darauf baut letztlich alles auf: CSS-Layout, JavaScript/DOM-Gefummel, Zugänglichkeit, XML-Wohlgeformtheit bzw. jede automatisierte Verarbeitung und Generierung.
<span class="ginawild">
Wie kommst du gerade auf Gina Wild?
Mathias
»Das Usenet ist mittlerweile in Teilen unbenutzbar geworden, ein düsterer, mit Glasscherben und Hundescheiße übersäter Spielplatz für Kontroll- und Hassmaniker, deren Neurosen sich gegenseitig ergänzen.« (MH)