Thomas W.: Artikel "Blinde im Netz" bei Spiegel Online

Hallo,
unter http://www.spiegel.de/netzwelt/netzkultur/0,1518,269941,00.html gibt es einen Artikel, in dem blinde Surfer zu Wort kommen. Da die Artikel beim Spiegel in absehbarer Zeit nur noch gegen Bares erhaeltlich sind, hier ein paar Zitate:

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Zeile für Zeile lesen sich Blinde durch die umfangreichen Angebote. Es gibt aber auch komfortablere Sprachprogramme, die den Seiteninhalt vorlesen können.

Damit sind aber noch lange nicht alle Probleme überwunden. Ob aufwendige Grafiken, blinkende Werbung oder Pop-Up Fenster - alles Bunte und Unstrukturierte stört das Navigieren im Netz erheblich. "Alle grafisch erzeugten Elemente sollten mit einem Alternativtext hinterlegt werden", fordert Liffers. Dieser Text kann dann wiederum übersetzt werden, so dass der Blinde erkennt, ob sich möglicherweise Links hinter den Bildern verstecken. Doch nicht jeder Homepage-Betreiber nimmt darauf Rücksicht. Willi Kürpick hat deshalb mittlerweile kurzen Prozess gemacht: "Ich habe einfach in meinem Browser eingestellt, dass alle Grafiken und Bilder nicht mehr angezeigt werden."

Besonders wichtig für Blinde ist die übersichtliche Gestaltung der Seite. Zwar erkennen manche Sprachprogramme auch einen komplizierten Aufbau und können diesen auch mitteilen, mehrere Navigationsleisten oder Frames verwirren trotzdem. "Oben, unten, links, rechts - das ist total unerheblich. Für den Blinden geht es immer nur runter, runter, runter", verdeutlicht Liffers. Sehbehinderte haben außerdem mit den nicht ausreichenden Farb-Kontrasten auf den Seiten zu kämpfen. Zum "Tag des weißen Stockes" stellt der BSVW deshalb einen blindengerechten Internetauftritt vor. "Grundsätzlich gilt, dass die Seite nicht überfrachtet werden sollte."

Und da so gerne argumentiert wird, dass das Anpassen einer Webseite an eine Randgruppe sich nicht lohnt:
"2000 Euro für die Computer-Software und bis zu 15.000 Euro für ein Braille-Display, das gerade mal 80 Zeichen abbilden kann - eine Menge Geld."
Diese Summen werden laut Artikel ueberwiegend aus der eigenen Tasche bezahlt. Und jetzt sage mir bitte jemand, dass es eine Firma gibt, die es sich leisten kann, einen potenziellen Kunden auszuschliessen, der alleine fuer die Moeglichkeit zu surfen mehr ausgibt, als andere Leute in 10 Jahren fuer Online-Einkaeufe.

Gruss
Thomas

  1. Sup!

    Und da so gerne argumentiert wird, dass das Anpassen einer Webseite an eine Randgruppe sich nicht lohnt:
    "2000 Euro für die Computer-Software und bis zu 15.000 Euro für ein Braille-Display, das gerade mal 80 Zeichen abbilden kann - eine Menge Geld."
    Diese Summen werden laut Artikel ueberwiegend aus der eigenen Tasche bezahlt. Und jetzt sage mir bitte jemand, dass es eine Firma gibt, die es sich leisten kann, einen potenziellen Kunden auszuschliessen, der alleine fuer die Moeglichkeit zu surfen mehr ausgibt, als andere Leute in 10 Jahren fuer Online-Einkaeufe.

    Kommt darauf an, was man verkauft. Kaufen Blinde z.B. Sportwagen (okay okay... nicht witzig... also sagen wir eher: Porsche-Design-Wasserkocher), erotische Unterwaesche, Overclockertower, oder sind sie vielleicht immun gegen die Begeisterung fuer diese Dinge, denen Sehende teilweise aufgrund ihrer optischen Fixierung hinterherhaengen, und finden vielleicht "vernuenftige" Dinge wie z.B. Clatronic-Wasserkocher, Baumwollschluepfer und Standardgehaeuse von der Form her und taktil-sensorisch viel ansprechender?

    Vielleicht lesen ja ein paar Blinde dieses doch relativ blindenfreundliche Forum und sagen auch was dazu, bevor wir Sehenden uns darueber in Spekulationen ergehen, die zu nicht viel fuehren.

    Gruesse,

    Bio

    --
    Elite ist mein zweiter Vorname
    1. Moin!

      Vielleicht lesen ja ein paar Blinde dieses doch relativ blindenfreundliche Forum und sagen auch was dazu, bevor wir Sehenden uns darueber in Spekulationen ergehen, die zu nicht viel fuehren.

      Vielleicht lesen die Blinden dieses Forum aber auch nicht, weil es gar nicht so blindenfreundlich ist, wie wir sehenden uns das vormachen wollen.

      Eine Problematik im Hinblick auf blindengerechte Seitengestaltung ist jedenfalls, dass man sich schwerlich in die Lage hineinversetzen und selbst testen kann. Einerseits mangels Hardware (Braillezeile), die anzuwenden einem Sehenden ja auch kaum hilft - wer kann schon Blindenschrift ertasten. Andererseits mangels Software (Screenreader), obwohl es einige Programme tatsächlich kostenlos gibt, um sie zumindest eine Zeit lang zu testen (oder eben die eigene Seite).

      Trotzdem ist das Erlebnis mit Screenreadern für einen Sehenden eher merkwürdig bis unbefriedigend. Denn es fehlt der Zwang, nicht zu gucken. Bildschirm aus! Ok, dann braucht man eine Liste der notwendigen Tastaturkommandos, denn blind Klicken ist für Sehende dann doch eher ungewohnt.

      Und ob die Seite im Endeffekt für Blinde tatsächlich benutzbar ist, oder eine Qual, weiß man trotzdem nicht.

      Beispielsweise sind lange, von einer künstlichen Stimme vorgelesene Texte für das sehende Ohr ziemlich ermüdend und langweilig. Alles ist so schrecklich seriell, jeder Furz der Seite wird vorgelesen, über den man als Sehender ganz schnell hinwegblickt.

      Ich hatte zu Jahresbeginn mal einen Screenreader installiert und SelfHTML-Seiten aufgerufen. Gähn... was da alles im Kopf steht und vorgelesen wird, dauer Ewigkeiten, bis man dann endlich mal ans Eingemachte kommt. Wenn ich vielleicht ein "Buch wird vorgelesen"-Erlebnis erwartet hatte - das wurde heftigst enttäuscht. Es war richtig anstrengend.

      Ich will aber einräumen, dass Blinde aufgrund einer anderen Gewöhnung an derartige Technologien solche Dinge wohlmöglich vollkommen anders sehen.

      Und dass Frames absolut nicht "böse" sind, wenn sie sinnvoll eingesetzt werden, sondern sehr hilfreich eine Seitendarbietung in die Sinnbereiche "Navigation" und "Inhalt" trennen, welche man als Blinder dann schnell und sicher ansteuern kann, ist zumindest als Einzelmeinung eines Blinden im Chaosradio Nr. 79 (?) zu hören (genauere Referenz siehe </archiv/> :) ).

      - Sven Rautenberg

      --
      ss:) zu:) ls:[ fo:} de:] va:) ch:] sh:) n4:# rl:| br:< js:| ie:( fl:( mo:|
      1. Hallo Sven,

        Vielleicht lesen die Blinden dieses Forum aber auch nicht, weil es gar nicht so blindenfreundlich ist, wie wir sehenden uns das vormachen wollen.

        Ich hatte zu Jahresbeginn mal einen Screenreader installiert und SelfHTML-Seiten aufgerufen. Gähn... was da alles im Kopf steht und vorgelesen wird, dauer Ewigkeiten, bis man dann endlich mal ans Eingemachte kommt. Wenn ich vielleicht ein "Buch wird vorgelesen"-Erlebnis erwartet hatte - das wurde heftigst enttäuscht. Es war richtig anstrengend.

        Und was ist dann mit deiner Forumscodesignatur?

        David Schneider

        --
        Hat jemand meine Signatur gesehen?
      2. Hallo,

        Und dass Frames absolut nicht "böse" sind, wenn sie sinnvoll eingesetzt werden, sondern sehr hilfreich eine Seitendarbietung in die Sinnbereiche "Navigation" und "Inhalt" trennen, welche man als Blinder dann schnell und sicher ansteuern kann, ist zumindest als Einzelmeinung eines Blinden im Chaosradio Nr. 79 (?) zu hören (genauere Referenz siehe </archiv/> :) ).

        könnte man daraus ableiten dass die Navigation nach dem Inhalt kommen sollte, zumindest ohne CSS?

        Grüsse

        Cyx23

        1. Hallo ,

          könnte man daraus ableiten dass die Navigation nach dem Inhalt kommen sollte, zumindest ohne CSS?

          Sagt das W3C nicht, dass als erster Button bei der Navigation "Navigation überspringen" sein sollte?

          Grüße
          Jeena Paradies

          --
          Ihr wisst ja nichts ist besser als Bass.
          1. Hallo,

            könnte man daraus ableiten dass die Navigation nach dem Inhalt kommen sollte, zumindest ohne CSS?
            Sagt das W3C nicht, dass als erster Button bei der Navigation "Navigation überspringen" sein sollte?

            (?) das wäre dann der Button "zur Navi"..
            ..hat das W§C denn auch Informationen wie das mit einer Vorlesesoftware harmoniert?

            Vielleicht sollte ich doch mal eine entspr. Software selbst ausprobieren.

            Grüsse

            Cyx23

            1. Hallo Cyx,

              Sagt das W3C nicht, dass als erster Button bei der Navigation "Navigation
              überspringen" sein sollte?
              (?) das wäre dann der Button "zur Navi"..

              Jeena meinte eher diesen Punkt der WCAG:
              http://www.w3.org/TR/WCAG10-HTML-TECHS/#group-bypass

              Tim

            2. Hallo ,

              (?) das wäre dann der Button "zur Navi"..
              ..hat das W§C denn auch Informationen wie das mit einer Vorlesesoftware harmoniert?

              Wenn du Windows benutz kannst du ja mal Jaws 5 Beta ausprobieren http://www.freedomsci.de/serv01.htm.

              Ich meinte es so, wenn die Navigation oben in der HTML Datei ist, dann sollte der erste Button dieser Seite ja "Navigation überspringen" heißen, und zum eigentlichen Inhalt der Seite führen.
              ------------------
              aus: http://www.w3.org/Consortium/Offices/Germany/Trans/WAI/webinhalt.html#tech-group-links

              13.6 Gruppieren Sie verwandte Links, identifizieren Sie die Gruppe (für Benutzeragenten), und ermöglichen Sie das Überspringen der Gruppe, bis Benutzeragenten dies gestatten. [Priorität 3]
              ------------------

              Grüße
              Jeena Paradies

              --
              Ihr wisst ja nichts ist besser als Bass.
        2. Moin!

          Und dass Frames absolut nicht "böse" sind, wenn sie sinnvoll eingesetzt werden, sondern sehr hilfreich eine Seitendarbietung in die Sinnbereiche "Navigation" und "Inhalt" trennen, welche man als Blinder dann schnell und sicher ansteuern kann, ist zumindest als Einzelmeinung eines Blinden im Chaosradio Nr. 79 (?) zu hören (genauere Referenz siehe </archiv/> :) ).

          könnte man daraus ableiten dass die Navigation nach dem Inhalt kommen sollte, zumindest ohne CSS?

          Ja, ich habe das für meine Seiten (Link oben) daraus jedenfalls abgeleitet. Und ich muß sagen, dass es auch im Lynx eine ziemlich gute Figur macht, wenn man erst Titel und Inhalt erhält, und erst danach zu den Navigationslinks kommt. Denn in der Regel will man eine Seite erstmal inhaltlich erfassen, und erst danach irgendwohin weiterkommen.

          Ok, es fehlt natürlich, wer es puristisch sieht, ein Link zum Überspringen des Contents... Das ist eben das Problem mit monolithischen Seiten: Es gibt nur wenig browserintegrierte Möglichkeiten, gewisse Sinn-Blöcke (wie Navigation, Content) direkt anzusteuern.

          - Sven Rautenberg

          --
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          1. Hallo Sven!

            könnte man daraus ableiten dass die Navigation nach dem Inhalt kommen sollte, zumindest ohne CSS?

            Ja, [...] Navigationslinks kommt. Denn in der Regel will man eine Seite erstmal inhaltlich erfassen, und erst danach irgendwohin weiterkommen.

            Was ich bisher in diesem Zusammenhang hier vermißt habe ist die Link-Navigation.

            Ich hab erst vor kurzem ne ältere Seite von mir nochmal bissel aktualisiert, und mir die seite dann auch mal im Lynx angeschaut.

            Ich hab festgestellt, daß der Inhalt vor der Navigation kam, und das fand ich irgendiwe unübesichtlich.
            Da ich kein Re-Design machen wollte (davon muß ich erst irgendwann den Kunden überzeugen ;), habe ich einfach im Head ne Link-Navigation dazugebaut, und nun find ichs eigentlich optimal.
            Sie ist gut zugänglich, nimmt kaum Platz weg ... und damit sollten auch Screenreader umgehen können, finde ich.

            Soviel also mal von mir dazu.

            MfG
            Götz

            --
            Losung und Lehrtext für Donnerstag, 16. Oktober 2003
            Du holst mich wieder herauf aus den Tiefen der Erde. Du machst mich sehr groß und tröstest mich wieder. (Psalm 71,20-21)
            Eine Frau, die seit zwölf Jahren den Blutfluss hatte, trat von hinten an Jesus heran und berührte den Saum seines Gewandes. Da wandte sich Jesus um und sah sie und sprach: Sei getrost, meine Tochter, dein Glaube hat dir geholfen. Und die Frau wurde gesund zu derselben Stunde. (Matthäus 9,20.22)
            (http://www.losungen.de/heute.php3)
      3. Hallo.

        blind Klicken ist für Sehende dann doch eher ungewohnt.

        Einerseits klingt dies plausibel, andererseits hätte ich mich beim Lesen fast verschluckt.
        Ansonsten sicher ein feiner Beitrag, danke.
        MfG, at

  2. Hallo,

    Der Artikel belegt einmal mehr wie sehr es sich lohnt auf die Empfehlungen des W3C zu hören, der ja auch auf Behinderte Rücksicht nimmt.

    Wer seine Webpräsenz halbwegs valide gestaltet und Elemente semantisch richtig einsetzt (div statt table etc.), der wird auch Blinde erreichen.

    Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass es nicht mehr Arbeit macht auch auf Blinde oder W3C-Vorschläge Rücksicht zu nehmen, wenn man sich einmal daran gewöhnt hat.

    Der Validator (http://validator.w3.org/) sollte einen bei der Webgestaltung stets begleiten.

    Heiner

    1. Wer seine Webpräsenz halbwegs valide gestaltet und Elemente semantisch richtig einsetzt (div statt table etc.), der wird auch Blinde erreichen.

      Das ist Unsinn, damit ist es nicht getan, es ist auch nicht auf die Formel »div statt table« reduzierbar. Siehe [pref:t=60063&m=337848] usw., wir kauen das hier alle paar Tage durch, vielleicht dringt es auch hoffentlich bald zu dir durch.

      1. Hallo molily,

        Das ist kein Allheilmittel, das ist klar. Zu mir ist das sehrwohl durchgedrungen. Aber es ist ein Ansatz und man sollte sich zumindest bewusst sein, was man tut, wenn man bestimmte Elemente verwendet und nicht andere. Können wir uns da einig werden?

        Heiner

    2. hi,

      Der Artikel belegt einmal mehr wie sehr es sich lohnt
      auf die Empfehlungen des W3C zu hören,
      der ja auch auf Behinderte Rücksicht nimmt.

      ^^^
      wieso "der"?
      _die_ empfehlungen _des_ w3c nehmen rücksicht auf ...

      so ein grammatischer fauxpas von umserem rechtschreibe-papst heiner - mir bleibt der hals im lachen stecken!

      gruss,
      wahsaga

      1. H.

        Der Artikel belegt einmal mehr wie sehr es sich lohnt
        auf die Empfehlungen des W3C zu hören,
        der ja auch auf Behinderte Rücksicht nimmt.
          ^^^
        wieso "der"?
        _die_ empfehlungen _des_ w3c nehmen rücksicht auf ...

        wer lesen kann: "nimmt".

        Also welche/r/s bzw. die das oder der W3C.

        so ein grammatischer fauxpas von umserem rechtschreibe-papst heiner - mir bleibt der hals im lachen stecken!

        Hach wie lustig.

        CurtB

        1. hi,

          H.

          Der Artikel belegt einmal mehr wie sehr es sich lohnt
          auf die Empfehlungen des W3C zu hören,
          der ja auch auf Behinderte Rücksicht nimmt.
            ^^^
          wieso "der"?
          _die_ empfehlungen _des_ w3c nehmen rücksicht auf ...
          wer lesen kann: "nimmt".
          Also welche/r/s bzw. die das oder der W3C.

          er hat sich aber vorher schon dafür entschieden, sich durch "des w3c" festzulegen, dass das w3c sächlichen geschlechts ist.
          dann plötzlich wieder auf einen männlichen W3C umzuschwenken, "der" auf behinderte rücksicht nimmt, ist alles andere als konsequent.
          (zumal hier m.e. eigentlich sowieso eher die empfehlungen die jenigen sind, die rücksicht nehmen.)

          gruss,
          wahsaga

          1. H.H.

            Der Artikel belegt einmal mehr wie sehr es sich lohnt
            auf die Empfehlungen des W3C zu hören,
            der ja auch auf Behinderte Rücksicht nimmt.
              ^^^
            wieso "der"?
            _die_ empfehlungen _des_ w3c nehmen rücksicht auf ...
            wer lesen kann: "nimmt".
            Also welche/r/s bzw. die das oder der W3C.
            er hat sich aber vorher schon dafür entschieden, sich durch "des w3c" festzulegen, dass das w3c sächlichen geschlechts ist.
            dann plötzlich wieder auf einen männlichen W3C umzuschwenken, "der" auf behinderte rücksicht nimmt, ist alles andere als konsequent.
            (zumal hier m.e. eigentlich sowieso eher die empfehlungen die jenigen sind, die rücksicht nehmen.)

            Realsatire dem Genitiv vorziehen? Und wes Geistes Kind läßt "empfehlungen .. rücksicht nehmen"? Und die Geist "sächlichen geschlechts" sein?

            bis die Tage
            CurtB