Привет Mathias.
So, dritter Versuch und Versuch einer Beschränkung auf das Wesentliche :)
Erst Honecker hat die Planwirtschaft eingeführt?
Nein, war ein Fehler meinerseits, er hat die Planwirtschaft nur unter die Losung "Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik" gestellt. Es ist unbestritten, dass in den ersten Jahren nach der Machtergreifung von Honecker die DDR-Wirtschaft boomte (Zuwachs in den Jahren 1971-1974 rund 30%). Die Löhne und Renten stiegen, Preise für Mieten und Waren des Grundbedarfs wurden gesenkt und auf diesem Niveau eingefroren, Sozialleistungen wurden ausgebaut, die Arbeitszeit verkürzt etc.
Das Konsumniveau der DDR-Bürger lag immer weit hinter dem in der Bundesrepublik zurück.
Was verstehst du unter Konsumniveau?
Kernprobleme sozialistischer Wirtschaftspolitik waren andere:
- Es ist nie gelungen, die arbeitende Bevölkerung durch Konsumanreize ausreichend zu motivieren.
Nein, es ist nicht _dauerhaft_ gelungen.
- Die Konstruktion internationaler Abhängigkeiten, um den Warschauer Pakt auch wirtschaftlich zusammenzuschweißen, führte zu undurchschaubaren, unzureichend kontrollierenden Großsystemen.
Dann frage ich dich, wo denn der Unterschied (abgesehen vom Wirtschaftssystem) zwischen NATO und Warschauer Pakt bzw. EWG und RGW ist?
- Es gab keine wirksame Qualitätskontrolle, vor allem bei Lieferungen innerhalb der Großbetrieb.
Das ist mir offen gestanden zu schwammig. Natürlich gab es eine Qualitätskontrolle, über deren Wirksamkeit man sicher trefflich streiten kann.
- Es gab keine wirksamen Innovationsmechanismen.
Oh doch, die gab es. Es gab die so genannte Neuererbewegung, deren Ergebnisse alljährlich auf verschiedenen Messen zu bestaunen war. Nicht umsonst war die Leipziger Messe ein Magnet nicht nur für die Wirtschaftsfunktionäre der RGW-Staaten.
- Es gelang den sozialistischen Ländern nur selten, Produkte herzustellen, die auf dem Weltmarkt konkurrenzfähig waren.
Auch hier Einspruch. Ich darf beispielhaft auf die Schwermaschinenindustrie (SKET, TAKRAF), den Schiffbau (VEB Schiffsmotorenwerk Rostock), die Optische Industrie (VEB Carl Zeiss Jena) oder den Maschinenbau (Druckmaschinen, Textilmaschinen) verweisen. Diese Betriebe haben zu einem nicht uneheblichen Teil Aufträge aus dem so genannten NSW erledigt, nicht etwa, weil sie nur billig waren.
- Die sozialistischen Gesellschaften haben es nicht geschafft, auf den Gebieten der Informationstechnologie und der Elektronik mit dem Westen Schritt zu halten.
Auch dies ist ein Argument, welches so nicht zieht. Es mag andere Prioritäten gegeben haben, das ist wahr, aber die Aussage so stehen zu lassen bedeutet, tausende Mikroelektroniker und Informatiker, die zu DDR-Zeiten aus Scheiße Gold machen mussten, herabzuwürdigen. Das haben sie m.E. nicht verdient.
- Das sozialistische Währungssystem war politisch und nicht nach ökonomischen Prinzipien gesteuert, so dass eine devisenbasierte Schattenwirtschaft ins Leben gerufen werden musste.
Ja, hier endlich mal kein Widerspruch, denn das skizziert m.E. das eigentliche Problem. Die Wirtschaft wurde von Ideologen ohne jeglichen Sachverstand gelenkt, Stimmen von Sachverständigen (z.B. aus der Preisfindungskommission) verhallten ungehört. Das ist das eigentliche Problem gewesen: die Instrumentalisierung der Wirtschaft als politischen Faktor.
- Die Produkte für den Konsumbereich entsprachen nicht den Qualitätsvorstellungen, weder denen der eigenen Konsumenten noch denen des Weltmarktes.
Das ist schlicht und ergreifend unwahr. Ja, Konsumgüter waren Mangelware, und ja, sie waren überteuert. Aber deswegen waren sie weder mangelhaft noch nicht konkurrenzfähig. Wenn ich könnte, würde ich dich auf eine Zeitreise in die Mitte der 80er mitnehmen, um diesen Irrglauben auszuräumen, doch so steht hier "Aussage gegen Aussage", und keiner kann beweisen, dass seine Aussage die richtige ist.
Nenne doch einmal Gründe, warum die Produktionskosten quasi naturnotwendig steigen mussten.
Bitteschön:
- Energie wurde stetig teurer
- die Löhne stiegen
- die Produktivität sank
- Material wurde stetig teurer
usw. usf.
In der Tat war gerade der Mangel an hochwertigen Konsumgütern gerade ein Kernproblem der DDR-Wirtschaft, nicht der Überfluss, wie Du meinst.
Oh, da haben wir uns in diesem Punkt missverstanden. Die Konsumgüterproduktion in den Industriebetrieben war staatlich verordnet, kam aber zu spät. Ich weiß nicht, das wievielfache an Produktionskapazitäten nötig gewesen wäre, um den tatsächlichen Bedarf decken zu können. Fest steht, dass die so produzierten Konsumgüter genauso zur Bückware wurden, wie so viele andere auch.
Warum war die DDR-Wirtschaft denn nicht in der Lage, in ausreichendem Umfang hochwertige und attraktive Konsumprodukte herzustellen wie jede westliche Wirtschaft? Warum gab es keinen Anreiz zu Mehrleistung in Form von modernen PKWs, komfortablen Wohnungen und Unterhaltungselektronik?
Weil sich ein derartiges Konsumverhalten nicht mit dem Idealbild des sozialistischen Menschen vertrug. Also wieder ein Beispiel für die Instrumentalisierung der Wirtschaft.
Aus meiner Sicht ist das Experiment der Planwirtschaft in den Staaten sowjetischen Typs an prinzipielleren Problemen gescheitert als an den Missverhältnissen, die Du ansprichst.
Mag sein, aber diese Missstände resultierten aus diesen Problemen.
An einigen Stellen klingt Dein Text so, als habe es nur an einigen zufälligen Fehlentscheidungen der DDR-Führung unter Honecker gewesen, nicht am am Prinzip der Wirtschaftsorganisation.
Gott bewahre, nein, so sollte es nicht rüberkommen. Ich hoffe, dass ich es jetzt ein wenig differenzierter darstellen konnte.
Abschließend sei mir die Bemerkung gestattet, dass sich die von dir genannten 8 Punkte in etwa so lesen wie die Ausführungen in meinem Staatsbürgerkundelehrbuch, warum der Kapitalismus zum Scheitern verurteilt ist. Es ist allerdings leicht zu sagen, dass da doch was dran sein muss, schließlich ist der Sozialismus im Gegensatz zum Kapitalismus gescheitert, nur leider entsteht sehr oft der Eindruck, dass plakative allgemein gehaltene Gründe ins Feld geführt werden, die die Wahrheit nach meinem Empfinden aber nur tangieren.
Дружба!
Siechfred
»Sie kochten heimlich mit Wasser und tranken öffentlich Wein.«