Lude: Ueberlegungen zur Software-Entwicklung

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Hi,

ich werde gleich fuer mich vier charakteristische Typen der Software-Entwicklung (leicht karikierend) vorstellen und bitte Euch um Ergaenzungen und Stellungnahmen:

I. Der "Bottom up - Typ":
Nachdem die Anforderung (typischerweise) im Groben aufgenommen worden ist, legt das Entwicklungsteam auch schon los. Man schnappt sich vielleicht irgendein Template, das beispielsweise als Prototyp eines aelteren Projekt liegengeblieben ist, hat somit schon Ansaetze einer Praesentationsschicht und setzt unmittelbar fort Funktionalitaeten beizufuegen sowie fast permanent mit dem Abnehmer zu kommunizieren.
Es stellen sich im Laufe des Entwicklungsprozesses dann schon mal Fragen wie "Ist der reale Sachverhalt in der Datenhaltung und im Datenzugriff korrekt nachgebildet worden?" oder "Welche Technologie setzen wir denn nun dafuer (fuer eine angeforderte Funktionalitaet) ein?". In der Regel werden diese Fragen erst recht spaet gestellt und beantwortet. "Kruecken" und schlimmstenfalls sogar "Tuerken" kommen dann moeglicherweise zum Einsatz. Das System kann dann schon mal wartungsunfreundlich, schlecht skalierbar und kaum weiterentwickelbar an den Abnehmer ausgeliefert werden.
Wenn das Team Glueck hat, ist der Abnehmer zufrieden und erfaehrt eine langjaehrige Betreuung.

II. Der "Top down - Typ":
Die Planungszeit endet hier erst, wenn die Anforderung feinspezifiziert ist, die einzusetzenden Technologien ermittelt sind und die personelle Verteilung der anstehenden Arbeiten geklaert ist. Das kann schon mal etwas laenger dauern, der Abnehmer ist auch schon ein klein wenig genervt; hat er doch sehr praezise spezifizieren muessen, was er denn nun eigentlich will. Er hat Angst, dass auf seiner Seite dabei Fehler gemacht worden sind.
Dem Entwicklungs-Teamleiter ist bei Beginn der Programmierung alles klar; er ueberschaut den entstehenden Aufwand und die einzusetzenden Technologien sind "im Griff", auch weil einige Mitarbeiter noch zu Schulungen geschickt worden sind. Der Teamleiter nennt auch gerne Termine fuer die voraussichtliche Fertigstellung, was dem Kunden gefaellt.
Erste Probleme treten auf, als ein Mitarbeiter fuer einige Wochen krank wird. Sein KnowHow kann nur schwer ersetzt werden und mehrere Meilensteine koennen ohne ihn nicht erreicht werden, da andere Teams seine Leistungsabnehmer sind. Zudem scheint die Anforderungslage gar nicht so stabil zu sein, wie angenommen. Der Abnehmer aeussert mit zunehmernder Dynamik noch einige (auch "kleinere") Aenderungswuensche.
Der Teamchef arbeitet weiter mit konsequenter Spock-Logik und es entsteht erst Terminstress, dann richtiger Stress.
In Sondersitzungen wird der dritte zugesagte Termin eingehalten. Das uebergebene System ist allerdings nicht schwaechenfrei.

III. Der Mischtyp:
Auf eine naehere Beschreibung moechte ich verzichten, da die Mischung aus "Top down" und "Bottom up" aussagekraeftig zu sein scheint. Es entstehen mal die einen (Typ I), mal die Probleme (Typ II). Das uebergebene System ist nicht schwaechenfrei.

IV. Der "philosophische" Typ:
Der Teamchef fuehlt sich gut, seine langjaehrigen Erfahrungen sagen ihm, dass Softwareentwicklung a la Typ II nicht geht. Er ist auch oberflaechlich betrachtet recht ideologiefrei und kann allzu gradlinigen, rechtwinkligen (orthogonalen) Argumentationen und Denkweisen wenig abgewinnen, weiss er doch um die Grenzen der Leistungsfaehigkeit seines Teams und der Leistungsfaehigkeit der Anforderungsspezifikation, die ja immerhin einen Sachverhalt aus der Realitaet mit Bits und Bytes nachzubilden beabsichtigt.
Das Team ist gut ausgebildet und man arbeitet nah an der Anforderungslage. Gelegentlich gibt es einen Engpass, weil beispielsweise eine Einheit des Teams in Verzug geraet oder auch weil eine laengere Diskussion ueber die bestmoegliche und einfachste Bearbeitung einer Teilanforderung anstand. Der Teamchef umschifft dank seiner sozialen Kompetenz aber die wichtigsten Hindernisse und die ausgelieferte Loesung haette hohe Akzeptanz finden koennen, wenn der Kontakt zum Abnehmer optimal gepflegt worden waere. So aber ist der Abnehmer trotz Qualitaetsarbeit nicht ganz zufrieden, aber das stoert den Teamchef nicht.

Gruss,
Lude

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"Wir brauchen einen Mann auf dem Mars."