Chräcker Heller: (BUCHKRITIK) Farbe digital

Hallo,
ich möchte, bei aller Vorsicht, ein Buch empfehlen, das ich für nicht gut gemacht halte ;-) Das mag sich jetzt etwas widersprüchlich anhören und die Erklärung/Kritik ist natürlich auch nicht kurz, aber das kennt man ja beides von mir ;-)

Aaalso: es geht um "Farbe digital", erschienen bei rororo, ISBN 3-499-61251-8

Immer wieder liest man im Forum, das Seitenersteller bei der Farbgestaltung Schwierigkeiten haben. Das nicht selten vom HTML-CSS Konstrukt diktierte Aussehen soll einen Farbcode bekommen, aber es fehlt das Verständnis des Themas. Hier könnte das Buch ansetzen.

Leider muß ich zuerst vom Erscheinungsbild des Buches schreiben. Immer wieder erleben wir, wie Leute aus dem Printbereich ins Web kommen und ihr bisheriges Verständnis auf das neue, doch etwas andere Medium, eins zu eins übertragen wollen. Das geht nur recht bedingt gut. In letzter Zeit erlebe ich nun im Sachbuchbereich, wie Leute versuchen die Ästetik der Webseitengestaltung auf die Printmedien zu übertragen. Das geht noch häufiger schief.

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Schon alleine das Vorwort läst nicht nur gutes erahnen:

"dabei haben wir darauf geachtet, jeweils nur so tief in ein Thema einzutauchen, wie es zur Erhellung und zum Verständnis des größeren Zusammenhang notwendig ist."

Das ginge ja soweit noch. Farben für dummys also. Jedoch steht weiter:

"Das Buch nimmt, nicht nur in Form von Hyperlinks, auf die sich durch das Netz ändernden Lesegewohnheiten Rücksicht. Es entspricht auch sonst der visuell dominierenden Wahrnehmungen von Gestaltern"

Ich möchte betonen, das ich, obwohl ich wohl zu diesen visuellen Geestaltern mich zählen darf, lesen kann. Ja, manchmal sogar will!

Und weiter:

"(...) die Inhalte vermitteln sich auch, wenn das Buch als reines Bilderbuch genutzt wird."

Und um das ganze dann abzurunden kommt noch folgendes auf mich zu:

"Auch der Tatsache, dass Gestalter ungeduldig sind, wird Rechnung getragen: Auf ein angehängtes Glossar wird verzichtet, (...)"

Schade. Das das ganze hinten und vorne nicht funktioniert, sollte fast klar sein. Ständig wird das Auge abgelenkt, schlechte Kontrasten bei Schriftblöcken runden das ganze ab, das hier nichts blinkt ist lediglich der Technik zu verdanken. Und nachschlagen kann man auch nichts richtig.

Was findet man nun genauer im Buch? Auf ca 150 Seiten werden einige wichtige Bereiche und "was ist was"-Themen zur Fabgestaltung erläutert. Um wenigstens beim überstülpen der schnellebigen Massenwebmentalität konsequent zu bleiben, hat man sich bemüht, die schnell verdaulichen Häppchen je Doppelseite abzuhandeln, wobei immerhin ein paar Doppelseite zu einem Überthema zusammengefasst wurden. Webpräsentationengerecht kann man also überall reinspringen und wieder rausspringen. In die Tiefe kann so etwas freilich nicht führen. Aber: es wird versucht, alles einmal anzureißen und nutzt man das Buch, um sich einmal schlau zu machen, nach was man sich noch alles im Netz erkundigen kann, kann man doch Gefallen finden.

Was ist Farbe überhaupt, was ist der Unterschied zwischen absorbieren, reflektieren, remittieren und reflektieren? Weißabgleich??? Additive Farbmischung, subtraktive Farbmischung? Farbkreise? Farbräume? Wieso kann man RGB-Farben nicht immer „richtig“ drucken? Warum stellen Mac-Computer die Farben heller dar als PCs? Was für Bedeutung haben Farben? Welche Kontraste kann man erstellen? Was hat Ergonomie mit Farbe zu tun?

Das alles wird angerissen. Buchphilosphie getreu zwar alles mit nur wenigen Sätzen und vielen Bildern, die nicht wirklich alle immer selbsterklärend sind, (und natürlich findet man immer mal ein paar Haare in der Suppe) jedoch immer ausreichend, um einen auf die richtigen Weg zur Lern-Eigeninitiative zu stellen. Wer "vom Buch aus" weg und weiterrecherchiert, kann eine nette Grabbelkiste bekommen. Ich nenne solche Bücher gerne (nicht abwertend) Kloliteratur. Damit liegen sie gleichauf mit CT-Sonderheften, Manufactum-Katalogen oder Spielemagazine. Häpchensammlungen eben. Und mal ehrlich, der Deutschsprachige Buchmarkt ist ja nicht so reich gesegnet mit Webgestaltungssachbüchern jenseits der reinen Techniksammlungen.

Vielleicht noch das wichtigste, auch wenn es sich jetzt wieder gemein liest: das Buch kostet nur 16,90... (also nur doppelt soviel wie die bereits zitierten CT-Sonderhefte, die einen auch nur all das noch mal präsentieren, was man an diversen Montagen schon gelesen hatte....) Dafür lege ich es mir gerne mal aufs Klo. Und wie war das noch mal mit dem HSV-Farbmodell?

Chräcker

PS. Das Buch kann man auch in echten Läden bei echten Menschen bestellen.