Mathias Bigge: Offtopic - Sozialdebatte

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Hi Richard,

Ich habe zufällig gerade noch die neueren Versuche Luhmanns gelesen, seinen Kommunikationsbegriff zu erweitern, indem er Kommmunikation als eigenes System zu begreifen versucht, der Ansatz überwindet gewisse Schwierigkeiten der Systemtheorie, bleibt aber sehr abstrakt.
Damit habe ich mich inzwischen auch recht intensiv beschäftigt. Luhmann biegt sich den Kommunikationsbegriff passend für seine Gesellschaftstheorie zurecht und versteht darunter schlicht etwas anderes als allgemein üblich. Das ermöglicht ungewohnte Modellvorstellungen und durchaus emergente Erkenntnisse, allerdings um den Preis, dass der Mensch zunächst fein säuberlich filetiert werden muss in ein soziales und ein psychisches System.

Es liegt m.E. an der Grundproblematik, dass Kommunikation schwer in das Gesellschaftsbild einer Ansammlung relativ autonomer, eigenständiger Systeme einzubauen ist. Irgendwie ist der Bereich systemübergreifend und greift doch massiv in die einzelnen Systeme ein. Der Schritt, nun auch Kommunikation als eigenes System zu begreifen, führt Luhmann näher an Diskurstheorien im Anschluss an Foucault heran. Ich habe neulich eine Kritik an Luhmann aus diskurstheoretischer Perspektive gelesen. Wenn es Dich interessiert, fasse ich es hier noch einmal kurz zusammen.
Der Preis für Luhmanns Verselbständigung des Systems Kommunikation ist m.E. hoch: Zunächst koppelt er die Kommunikation radikal von den Kommunizierenden ab, was auch schon Linguisten vor ihm in heuristischer Absicht versucht haben. Er bleibt aber dabei im schlechten Sinne abstrakt. Die Zukunft wird zeigen, ob mit dem Ansatz konkrete Forschung zu machen ist.

Welchen Erkenntnisgewinn erzielt man, wenn man diese heilige Dreifaltigkeit auf ein binäres Schema reduziert?
Meine Intention war genau umgekehrt. Ich dachte, mit dem ternären Code würdest du Kritik am Tertium non datur üben, der ich mich selbstverständlich anschliessen könnte. Dafür würde es aber nicht reichen, einfach binäre Codierungen zu koppeln.

Die Frage ist, ob diskursive Systeme überhaupt binär funktionieren, selbst wenn sie binär darstellbar sind. Aus der Sicht der Diskurstheorie laufen viele gesellschaftsrelevante Diskurse, etwa um Normen, nicht binär ab (normal-nicht normal), sondern entwickeln eine Art Gausscher Normalverteilung, die klare Grenzen zwischen Normalität und Abweichung schwierig oder zum Gegenstand von Vereinabrungen machen.

Nimm das Notensystem als Beispiel: Hier gibt es durch die klar definierten Grenzen durchaus ein Schema von bestanden-nicht bestanden, dennoch erscheint mir die zunehmend feinere graduelle Normalverteilung als nicht zu vernachlässigende Größe.

Im Anschluss an McLuhan ("The media is the message") würde ich aber die Auffassung vertreten, dass die mediale Kernwirkung der übergroße Medienkonsum für sich ist, fast unabhängig von den Inhalten.
Dein Bezug auf McLuhan verblüfft mich. Oder beziehst du die Aussage ausschliesslich auf den ausserschulischen Medienkonsum? Der Medienkonsum in der Freizeit findet nicht unabhängig von der Schule statt. Und natürlich ist auch der Schulunterricht im McLuhan'schen Sinne "Medium". Aber was für eine Art Medium?

Schwierig, ich dachte tatsächlich speziell an Bildmedien, über PC-Spiele konnte McLuhan ja noch nicht viel wissen. Dort erscheint mir das Setting und die Art des Konsums tatsächlich wirksamer als die Inhalte. Das gilt vielleicht in gewissen Grenzen auch für die Schule, Luhmann hat so etwas ja in Anschluss an von Förster auszuführen versucht.
Wie groß die WIrkung der Schule auf den Medienkonsum ist, wage ich nicht einzuschätzen, natürlich gibt es hier Einflussversuche, aber die mediale Welt scheint mir doch eher eine Gegenwelt zu sein.

Was ist Ursache und was ist Wirkung? Wer ist schuld, wenn diese medialen Welten den Kindern interessanter erscheinen als die Schule? Die Medien werden immer spannender, die Schule bleibt langweilig wie eh und je. Und selbst mit guten Schulnoten werden die Gewinnchancen immer spärlicher.

Das mit den spannenden Medien stimmt für viele Jugendliche sicher, ich empfinde kaum etwas als langweiliger als einen Fernsehabend.

Sich an Vorbildern zu orientieren, sich mit anderen Personen zu identifizieren dürfte normal und sinnvoll sein. Welche Vorbilder, welche Personen stehen den Kindern heute dafür zur Verfügung? Oder besser gefragt, welche Personen dürfen sie in der Schule ungestraft als ihre Vorbilder bezeichnen? Wenn reale Personen nicht akzeptabel sind, müssen halt fiktive und virtuelle herhalten.

Schule ist heute viel permissiver als Du vielleicht annimmst. Da sind die Gleichaltrigen viel kritischer. Ein Problem ist vielleicht die absolute Abkoppelung vieler Medienhelden von realen Verhaltensmöglichkeiten, die Tatsache, dass das so ist und immer weitere Kreise ergreift, scheint mir zumindest ein Zeichen für die Schere zwischen Wünschen/Idealen und realen Möglichkeiten zu sein.

Viele Grüße
Mathias Bigge

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