hi Dirk,
du hast mit deiner kritischen Betrachtung des Artikels sicherlich auch Recht.
Die Grundaussage des Artikels mag stimmen - wenn wir bestimmte Bedingungen voraussetzen.
In der derzeitigen Form verallgemeinert er allerdings zu stark, und differenziert die verschiedenen Möglichkeiten, überhaupt auf einer Webseite zu landen zu wenig.
Und gerade wenn man auf der Suche nach etwas ist, verliert die Umgebung stark an Relevanz: wenn ich auf der Suche nach einem Songtext bin, darf er sogar auf einer Beepworld-Seite stehen.
Ja, gerade der Gegenstand der Suche stellt hier wohl den wichtigsten Faktor dar: Du suchst nach einer reinen Textinformation - in welchem Umfeld mir diese geliefert wird, ist tatsächlich größtenteils "wurscht".
Suche ich aber beispielsweise im Netz nach schönen Möbeln oder Autos - dann ist der optische Ersteindruck sicher auch ein entscheidender Faktor, ob ich der Seite überhaupt zutraue, dass ihr eine oder mehrere Ebenen weiter unten liegender Inhalt meine Erwartungen an die genannten Produkte auch erfüllen kann.
Wie gesagt, rein subjektiv - vielleicht verbirgt sich der schönste aller für mich denkbaren Sessel in den Tiefen einer nach meinem Maßstab optisch denkbar ungünstig gestalteten Seite - aber gerade daran kann es im Zweifelsfalle liegen, dass ich ihn dort niemals finden werde.
Wenn ich auf der Suche nach einem Rocksong bin, ganz bestimmt. Dann entspricht nämlich der Inhalt auf Anhieb nicht dem Gesuchten. Ich wäre also im besten Fall gar nicht erst drauf gestoßen.
Nur ist das Suchen im www gar nicht so einfach wirklich zielführend zu bewerkstelligen - und schon gar nicht für den noch unerfahrenen Benutzer.
Wenn auch "Rocksong" in deinem Suchterm auftaucht - das schließt erst mal (ohne weiteres Zutun) nicht aus, dass du eben zu allererst doch auf eine Seite verwiesen wirst, die dem "von Rocksongs [...] gelangweilten" Hörer eben doch wieder Uffz-Uffz-Musik schmackhaft machen will.
hast ein Buch auf Grund seines dich überhaupt nicht ansprechenden Covers einfach links liegen gelassen;
Nein, wenn ich ein gutes Buch suche, ist mir das Cover, also die Umgebung, vollkommen egal. Ich würde ganz bestimmt davon in meinem ersten Gefühl beeinflusst, aber ernsthaft relevant ist der Autor, falls bekannt, Empfehlungen und der Klappentext.
Das ist klar - aber gehen wir mal nicht von dem Fall aus, dass du schon relativ gute Vorstellungen davon hast, was du lesen willst.
Sondern dass du einfach nur eine Buchhandlung betrittst, und "etwas zu Lesen" suchst - mal als einfache Unterhaltung zwischendurch, und dass dir keiner der Autoren oder Titel etwas sagt. Schon dürften die Cover der dort ausgestellten Bücher maßgeblich dazu beitragen, welche Werke als erstes deine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken vermögen.
Ja, aber Fernsehen ist Push und möchte meine Aufmerksamkeit. [...] Im Internet bin ich Pull [...]
Das stimmt natürlich.
Als Anbieter eines bestimmten Produktes, welches ich über das www anpreisen möchte, habe ich erst mal nur dieses kleine bisschen "pull" seitens des Nutzers - sei es mal nur das Eintippen einer bestimmten Produktkategorie in eine SuMa.
Jetzt stehe ich da mit mehreren Konkurrenten aufgelistet, die alle die Aufmerksamkeit des Nutzers wollen - also werde ich doch auf jeden Fall versuchen, das was ich auf diesen "pull" hin zurückliefere gleich auf den ersten Blick für den Nutzer so "sympathisch", attraktiv und wie-auch-immer positive Versprechungen machend zu gestalten, dass ich möglichst gleich bei dieser ersten oberflächlichen Betrachtung "besser" aussehe, als die Konkurrenz - wohl gemerkt, immer noch rein subjektiv.
und mit fester Absicht und dem Bewusstsein unterwegs, dass die Form und Aufbereitung dessen, was ich suche, erstmal nur wenig bekannt ist.
Nichts desto trotz hat der Nutzer vermutlich schon gewisse Erwartungen - wenn ich es schaffe, diese auf Anhieb besser zu erfüllen als die Konkurrenz, gewinne ich doch sicher als erster seine Aufmerksamkeit, und wenn ich ihm _dann_ schon bieten kann, was er gesucht hat, bin ich schon nahe dran, mich als den "Gewinner" dieses "Rennens" sehen zu dürfen.
Deine Erklärungen kann ich auch sehr gut nachvollziehen. Der Artikel hat vielleicht das Problem, dass seine Schlussfolgerungen arg oberflächlich erscheinen, übertreiben oder falsch ansetzen.
Ja, definitiv. Und Formulierungen á la "Nach Caudron, einem Webdesigner, den Nature als Experten zitiert, sollte eine Webseite [...]" erwecken auch nicht gerade mehr Vertrauen in seine Objektivität und Kompetenz; ebenso wie die bereits zu Recht kritisierte Auswahl des "Testintervals" von 50 vs 500 Millisekunden, so wie die daraus gezogenen Schlüsse.
"Gitte Lindgaard ein wenig Panik machend zu den Konsequenzen ihrer Studie:
'Wenn der erste Eindruck nicht günstig ist, werden die Besucher von Ihrer Website schon wieder weg sein, bevor sie wissen, dass Sie ihnen mehr als Ihre Konkurrenten anbieten.'"Ein Teil dieser Aussage trifft sicherlich zu.
Und dürfte aber auch gleichwohl in die Kategorie "Binsenweisheiten" einzuordnen sein, und damit zur Untermauerung der These der Untersuchung wenig taugen.
Klar, auch im RL gehe ich, wenn ich zwei unbekannte Kneipen nebeneinander zur Auswahl habe in die, welche mir erst mal die gemütlichere zu sein scheint ...
Der weitaus größere andere Teil jedoch scheint mir vollkommen praxisfern. Aber das ist vielleicht nur meine persönlich Meinung und Studien haben grundsätzlich recht ;-)
Vielleicht haben solche Studien eher das Problem, per se praxisfern zu sein - ein großer Teil davon klingt erst mal plausibel. Durch die undifferenzierte Betrachtung verliert dann aber die Studie schnell an Wert, wenn man sie wirklich an der Praxis messen möchte. Und da wird dann sowieso keine Studie so schnell Erfahrung ersetzen können.
gruß,
wahsaga
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