Christian Seiler: Kennzeichnung von Vektoren, Matrizen

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Hi Christoph,

Aus irgendeinem Grund wurde das auch in den Physikvorlesungen, die ich besucht habe, nie ordentlich erklärt ;)

Dann solltest Du mal Deine Profs schelten. ;-)

Was Bras und Kets betrifft: Zustände eines System sind in der Quantenmechanik Vektoren, die man aber nicht so:
    [latex]\vec a[/latex]
sondern so:
    [latex]|a\rangle[/latex]
schreibt.

Statt
    [latex]\vec a \cdot \vec b[/latex]
hat man dann
    [latex]\langle a | b \rangle[/latex]
ein Bra-(c)-Ket aus einem Bra [latex]\langle a|[/latex] und einem Ket [latex]|b \rangle[/latex].

Das ist extrem vereinfacht. Hier mal ein genauerer Abriss der Bras und Kets:

Ein Bra ist kein Vektor, sondern ein lineares Funktional im sogenannten Dualraum zum Hilbertraum, in dem die Kets "leben", das jedem Ket (ein Vektor im Hilbert- oder Fockraum) ein eine komplexe Zahl zuordnet. Über die sogenannte "Duale Korrespondenz" gibt es zu jedem Ket ein Bra im zugehörigen Dualraum und umgekehrt.

Vereinfacht gesagt: Ein Ket ist ein "normaler" Vektor (in einem idR. unendlich dimensionalen Hilbert- oder Fockraum, aber dennoch ein Vektor). Ein Bra ist dagegen eine Anweisung "Mache ein Skalarprodukt mit dem mir zugehörigen Vektor".

Sprich: Ein Objekt wie [latex] \left< \Psi \right| [/latex] ist nichts anderes als die Anweisung, den Vektor, der Rechts von dem Objekt steht, zu nehmen, und dann ein Skalarprodukt mit dem zugehörigen (!) Vektor [latex] \left| \Psi \right> [/latex] zu machen.

Übertragen wir das mal auf einen zweidimensionalen reellen euklidischen Vektorraum (auf Deutsch: eine ebene Fläche). Dann könnte man Vektoren durch zum Beispiel [latex] \left| x, y \right> [/latex] bezeichnen. [latex] \left| 10, 5 \right> [/latex] würde also den Vektor [latex] \left( \begin{array}{c} 10 \ 5 \end{array} \right) [/latex] bezeichnen, [latex] \left< 10, 5 \right| [/latex] dagegen die Anweisung "führe mit dem Vektor [latex] \left( \begin{array}{c} 10 \ 5 \end{array} \right) [/latex] ein Skalarprodukt aus", d.h. im dem Spezialfall des reellen euklidischen Vektorraumes käme es einer Transposition des Vektors gleich, damit der Vektor ein Zeilenvektor ist, der dann in Matrixproduktschreibweise mit dem anderen Vektor ein Skalarprodukt ausführt: [latex] \left< 10, 5 | x, y \right> [/latex] würde also entsprechen: [latex] \left( 10, 5 \right) \left( \begin{array}{c} x \ y \end{array} \right) = 10x + 5y [/latex] (im komplexen unendlichdimensionalen Hilbert- oder Fockraum kann man dies natürlich nur noch als Analogie sehen und es nicht mehr 1:1 übertragen).

Warum verwenden Physiker nun diese Notation? Sie bietet einige Vorteile, die bestimmte Dinge sofort ersichtlich machen. Im folgenden beweise ich, dass die Wahl der Basis irrelevant für den Wert der Spur eines quantenmechanischen Operators [latex] \hat A [/latex] ist. Hierbei nutze ich die Bra-Ket-Notation, um zu zeigen, warum sie hier vorteilhaft ist. Wer genaueres wissen will, schaue in ein Buch über theoretische Quantenmechanik.

Die Spur einer Matrix ist gegeben durch die Summe ihrer Diagonalelemente. Seien nun [latex] \left{ \left| \alpha \right> \right} [/latex] und [latex] \left{ \left| \beta \right> \right} [/latex] vollständige Basen des Vektorraums, den wir betrachten (kann auch der [latex] \mathbb{R}^2 [/latex] sein). Dann gilt:

[latex] \mathrm{spur} \hat A = \sum_{\alpha} \left< \alpha \right| \hat A \left| \alpha \right> [/latex]

Da die Basis [latex] \left{ \left| \beta \right> \right} [/latex] vollständig ist, gilt folgende Relation:

[latex] E = \sum_{\beta} \left| \beta \right> \left< \beta \right| [/latex]

([latex]\left| \beta \right> \left< \beta \right|[/latex] ist das sogeannte dyadische Produkt, d.h. wenn man das als "normale Vektoren" schreibt sowas wie [latex]\vec a \cdot \vec b^T[/latex], E sei die Einheitsmatrix)

Die Einheitsmatrix kann man nun irgendwo einfügen, die Summe ziehen wir (ist ja alles linear) ganz nach vorne:

[latex] \mathrm{spur} \hat A = \sum_{\alpha, \beta} \left< \alpha \right.\left| \beta \right> \left< \beta \right| \hat A \left| \alpha \right> [/latex]

Da es sich sowohl bei [latex]\left< \alpha \right.\left| \beta \right>[/latex] als auch bei [latex]\left< \beta \right| \hat A \left| \alpha \right>[/latex] um Skalare handelt (also Ergebnisse von Skalarprodukten), kann man sie beliebig vertauschen:

[latex] \mathrm{spur} \hat A = \sum_{\alpha, \beta} \left< \beta \right| \hat A \left| \alpha \right> \left< \alpha \right.\left| \beta \right> [/latex]

Wir wissen nun, dass [latex] \left{ \left| \alpha \right> \right} [/latex] vollständig ist, also dass gilt:

[latex] E = \sum_{\alpha} \left| \alpha \right> \left< \alpha \right| [/latex]

Damit können wir die Einheitsmatrix wieder aus dem Ausdruck herausziehen und erhalten:

[latex] \mathrm{spur} \hat A = \sum_{\beta} \left< \beta \right| \hat A \left| \beta \right> [/latex]

Damit ist gezeigt, dass die Spur eines Operators (lies: einer Matrix) nicht von der Wahl der Basis abhängt, in der sie berechnet wird.

Ich hoffe, ich konnte sowohl etwas klarer machen, was Bras und Kets überhaupt sind, als auch etwas die Hintergründe beleuchten, warum man in der theoretischen Physik diese Notation verwendet.

Viele Grüße,
Christian