Hallo Mathias!
Ich weiß nicht, wie man das System so ändern könnte, dass es die Leute nicht derart abbaut, sondern stärkt und ihnen neue Perspektiven vermittelt.
Vielleicht weil - Luhmann seis geklagt - das Ändern des Systems gar nicht das Ziel sein kann. Es sind nicht die sozialen Systeme, die leiden, es sind die psychischen. Das soziale System muss sich ganz autopoietisch um sein Überleben kümmern, dem sind die psychischen Systeme, die sich laut Luhmann nicht im System befinden, sondern im umgebenden Milieu, also der Systemumwelt, völlig egal, jedenfalls solange sie nicht zerstörend auf das System zurück wirken. (Daran hatte noch Marx geglaubt und deshalb die Revolution des arbeitenden Proletariats prophezeit.)
Vielleicht wäre eine Möglichkeit, den Leuten weniger mit Druck, sondern mehr mit Support zu kommen, etwa indem man immer wieder guckt, wo ihre Möglichkeiten liegen und diese massiv zu unterstützen.
Das ist genau das, was mit dem Begriff 'Employabelity' gemeint ist. Nur ändert dies nichts an der Tatsache, dass schlicht und einfach nicht alle Menschen in Unternehmen zu ökonomischen Bedingungen einstellbar sind und dass dieser Anteil vermutlich dramatisch wachsen wird. Wir könnten hier über Bürgergeld reden.
Dabei müsste man weg von den sinnlosen "Maßnahmen", d.h. von hohlen "Schulungen", die keine andere Funktion haben als die Leute zu tyrannisieren und sie aus der Statistik zu kriegen.
Ja, ja ... wer im Glashaus sitzt! Das hiesse Abschied nehmen von der Illusion, dass mehr Bildung die Chancen auf dem Arbeitsmarkt erhöht. Und das würde bedeuten, im nächsten Schritt das ganze Bildungswesen insgesamt kritisch zu hinterfragen.
Was ein heikler Punkt ist, ist die Verachtung der Menschen in sozialer Not, die aus einigen der Postings hier spricht.
Damit drücken die Leute doch nur ihre eigene Hilflosigkeit aus.
Wieso sollen ausgerechnet die kleinen Leute die Folgen tragen, wenn das System an verschiedenen Stellen nicht funktioniert? Woher kommt dieser Neid?
Mir kommt da der australische Philosoph Peter Singer in den Sinn, der irgend so einer komischen Richtung des Utilitarismus anhängt und zum für ihn völlig logischen Schluss gelangt, ein gesundes Schwein sei mehr wert als ein behinderter Mensch, weshalb er auch folgerichtig zum Vegetarier wurde. Rein utilitaristisch gesehen erscheint ein Mensch, der nicht nur nicht zur Mehrung des allgemeinen Wohlstandes beträgt, sondern diesen auch noch mindert, als nicht besonders nützlich. Das entspricht schliesslich unserer christlichen Denktradition und ist durch Max Weber wissenschaftlich gefestigt. Wir könnten hier über alternative Denkweisen des radikalen Konstruktivismus von Vico bis von Glasersfeld reden. Luhmann liefert zwar scharfsinnige Beschreibungen, aber leider keine menschenwürdigen Lösungen.
Mit besten Grüssen
Richard