Lieber Louis,
ich hab mal mit meiner (Provinz-)Schwäbischen Freundin geredet, ihre erste Reaktion war "Die sollen sich mal nicht so anstellen" und dann fing sie doch an zu erzählen wie schwer es ihrer Verwandschaft fällt ein flüssiges Gespräch auf Hochdeutsch zu führen. Hochdeutsch lernt man dort (bestenfalls) in der Schule. Und besonders unbeliebt seien dann Leute die versuchen ihre Kinder in einem Pseudohochdeutsch zu erziehen.
Also Hochdeutsch ist für viele Bundesdeutsche nicht weniger Fremdsprache als für euch. Wer aber seine Region mal für länger verlässt, der ist gezwungen seine passiven Kenntnisse zu "verflüssigen" um von den Einheimischen verstanden zu werden.
Schau dir nur unsere Kanzler an, Helmut Schmidt stolpert überm "spitzen Stein", Kohl redet wie seine Leibspeise und der Hit, Hannoveraner Schröder, kommt angeblich aus der Region mit dem besten Deutsch.
Und Mentalitätsunterschiede gibts hier zuhauf, wie oft hab ich darauf gewartet das trockene Hanseaten den Mund aufkriegen oder gesellige Rheinländer ihn wieder zu bekommen. Schwaben sind auch sehr zurückhaltend (alemannische Gene? ;) und bei Berlinern ist mir so manches mal ob ihrer frechen Schnauze die eigene baff offen stehen geblieben.
Eine ehemalige Mitbewohnerin meiner Freundin kommt aus Erlangen (Franken, Nordbayern) und hat mal ein Praktikum in einer Firma 30 km außerhalb im Umland gemacht. Sie erzählte wohl, mit rollendem R und Tränen in den Augen, wie sie damals als arrogant gemoppt wurde, weil sie keinen Dialekt konnte.
Ich gebe zu hier gibt es, kulturimmanent, viele Klugscheißer. Ich habe damals in Basel erlebt wie zwei Hessinen lachend einen Wiener aufziehen wollten, er solle doch mal versuchen Hochdeutsch zu sprechen. Ich konnte mir nicht verkneifen die beiden darauf hinzuweisen, dass er zwar mit dieser Schmäh-Melodie sprach, aber sein deutsch, falls aufgeschrieben, weit korrekter war!
Aber diesen "Besserwissern" muss man mit Selbstbewusstsein begegnen, schau dir mal die BaWü Kampagne an "Wir können alles außer Hochdeutsch"
oder die Tatsache das Sächsisch jahrhundertelang der deutsche Prestigedialekt war hr2 reportage
und mit der hochdeutschen Sprache besser humorvoll Klingen kreuzen können (Du Ashanti beweist das im Posting https://forum.selfhtml.org/?t=164747&m=1074324).
na na, du solltest mein elaboriertes Schriftdeutsch in sorgsam überarbeiteten Postings nicht mit meiner normalen Sprechkultur verwechseln, siehe Hessi James ;-)
Wie fühlt man sich wohl, wenn man bei sich zuhause in einer eigentlich fremden Sprache schachmatt gesetzt wird und einem die Worte fehlen?
Also ich hatte mal das Vergnügen in einer Abteilung in Englisch zu arbeiten und durfte feststellen, wie die Englischen Kollegen einen fetten Vorteil hatten, nur weil sie den Chef sprachlich beeindrucken konnten. Auch nervt mich bei einigen Engländern diese Ignoranz mit Ausländern in Dauerironie zu kommunizieren und anschließend von Humorlosigkeit zu sprechen.
Also ich kanns wirklich nachvollziehen!
Na, wenn Du mit offenen Ohren und freundlicher (sprachlicher) Zurückhaltung in der Schweiz ankommst, dann wirst Du bestimmt auch mit offenen Armen empfangen.
Du ich hab mal zur WM einen Freund angemailt der nach Zürich geheiratet hat und ihn (boshaft) gefragt ob die Einheimischen wirklich ständig einen "Schwyzer Nazi" besingen. (hehehe *fg*)
Und er meinte es sei schon schwer erträglich, dass einerseits die Italiener mit größtem Selbstverständnis durch Zürich rumpeln dürfen, Deutsche hingegen es nicht mal mit simplen Fanartikeln auf die Strasse wagen können. Die eine Schweizerin im Artikel hat das ja auch beschrieben.
Und ich kann dir versichern, er gehört zu den zurückhaltensten Menschen die ich kenne.
(Im Gegensatz zu Volltrottel und "bekennendem Christen" J.B. Kerner der sich's im ZDF nicht verkneifen konnte einem fast weinenden Urs Meier noch aufziehen zu wollen, nachdem die "Schwyzer Nazi" ausgeschieden ist.) ( ja klar d.h. "Nati" aber ich bin halt boshaft ;)
Oder noch anders ausgedrückt: vielleicht ist das Hauptproblem zwischen Deutschen und Schweizern die Sprache: sie ist zu ähnlich und doch zu verschieden.
Ach mit den Ösis hat's früher verbal auch kräftig geknallt, obwohl ich die Piefke Saga im Nachhinein ziemlich lustig finde, so ein reinigendes Gewitter hat doch was (meint der Deutsche)
Viele Grüße
Ashanti
PS: Besagte Begegnungsstätte für Deutsche und Schweizer Diskogänger ... das hört sich schon etwas wie Lebensborn an.