Alexander (HH): - es geht nicht -

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Moin Moin!

Am besten lernt man in kleinen Gruppen, so bis etwa 10 Leute.

Ja, oder allein. Je nach Veranlagung und Lernfortschritt. Ich erarbeite mir Lernstoff am besten (am liebsten) selbständig und möchte nur ergänzend ab und zu die Anleitung eines "Lehrers". Das kann dann auch gern in einer kleinen Gruppe sein.

Das hängt natürlich auch vom Thema ab, und von den Vorkenntnissen. Für den ersten Schritt in ein völlig neues Thema halte ich eine kleine Gruppe für sinnvoller.

Mir fällt gerade die etwas ungeschickt gestellte Frage eines Lehrers, Dozenten, wie auch immer sich der "ich bringe Hausfrauen Java bei"-Mensch tituliert hat. "Was erwarten Sie von diesem Kurs?" (zu dem ich verdonnert wurde)

Meine Antwort: Ich will das lernen, was ich nicht schon aus der im WWW verfügbaren und bereits durchgelesenen Dokumentation kenne. Best Practices, Dinge die man besser nicht tut, wie man typischerweise ein Problem angeht, usw.

Das hat ihn etwas aus der Bahn geworfen, und am Ende der Woche war mein damaliger Arbeitgeber reichlich Kohle los, ohne dass ich viel aus dem Kurs mitgenommen hätte. Aber ich hab jetzt ein Stück Pappe in irgendeinem Ordner rumfliegen, dass mir attestiert, dass ich mal Java gelernt habe. Nicht, dass ich Java in dem Jahrzehnt seit dem Kurs auch nur 5 Minuten gebraucht hätte. Vor dem Kurs hab ich mal zwei oder drei Applets zusammengezimmert, die Dinge erledigten, die man heute per JQuery und/oder AJAX erschlagen würde.

Die Scherben so einer Aktion kehren wir gerade mühsam unter den Teppich. 10 Jahre planloses, ahnungsloses und verständnisloses Gefrickel auf Basis eines Systems, das vorher 20 bis 30 Jahre von anderen Fricklern zusammengebastelt wurde. 850.000 Zeilen Code und "Kommentare". Über die Fehlerquote mag ich gar nicht reden ...

Ich hoffe, ihr habt einen schönen großen Hochflor-Teppich.

Naja, die Chefetage hat gerade beschlossen, dem Verbund den Support für einen Klumpen von 100.000 Zeilen Code ersatzlos zu streichen. Nicht wegen des katastrophalen Zustands, sondern weil an anderer Stelle Resourcen fehlen. Die Installation bei uns wird irgendwie weiter laufen, bei den Kollegen an anderen Standorten auch, aber eigentlich kann sich keiner mehr darum kümmern.

Weitere 500.000 Zeilen sollen in den nächsten *würfel* zwei *würfel* drei *würfel* fünf Jahren durch Teile eines anderen Systems ersetzt werden. Nach dem ursprünglichen Plan sind wir damit gerade fertig. Aber - tadaaa! - wir haben eine Projektmanagement-Software, und wir ziehen genau dieses Projekt nochmal komplett von vorne auf, nach Lehrbuch und geleitet von zwei Leuten, die von Software-Projektsteuerung absolut keinen Plan haben. Die Diskussionen klingen immer nach zwei Blinden, die sich mit Fotografen um die Qualität von Farbfotos streiten.

Und die letzten 250.000 Zeilen werden wohl einfach weiter laufen. Do not touch-Schild draufgepappt, niemandem sagen, dass es für den Schrott effektiv niemanden mehr gibt, der Support leisten kann, und - ach ja - ein externer Dienstleister wird auf den Haufen noch ein Häufchen draufsetzen, um eine völlig abgedrehte Schnittstelle zu einem anderen System zu schaffen. Für dessen Steuerung -- Spec rein, Code und Doc raus, prüfen und einspielen -- haben wir eigentlich auch gar keine Resourcen.

Wir haben in der Nähe ein sehr großes, ausreichend tiefes Loch in der Erde. Da sollten wir eigentlich den ganzen Krempel reinkippen, einbetoniert und eingeschweißt, und mit einer Lage Ton und einer Lage Humus abdecken. Teppich reicht dafür nicht.

Man wieselt sich seit mindestens 10 Jahren bei den Überwachern damit durch, dass man sie mit Tonnen von Papier erschlägt, so dass sie gar nicht bis zu diesem Sondermüll durchkommen. Und wenn doch, sehen sie nur eine halbwegs ansehnliche Oberfläche, die auf den ersten Blick brauchbare Daten ausspuckt. Nachgerechnet hat die Daten ganz offensichtlich noch niemand.

Wie die neue Aufgabe aussieht, ahne ich schon. Es müffelt nach Lochkarte, alten Großrechnern, und Leuten, die sich vor Jahrzehnten alles selbst beigebracht haben. 30 Jahre gewachsene Software. Prinzipiell mit einer nachvollziehbaren Historie (in mehreren Regalmetern Aktenordnern AUSGEDRUCKT), prinzipiell dokumentiert (in weiteren Regalmetern). Spaghetti-Code vom Feinsten. Befehle auf einen Buchstaben abgekürzt, signifikante Leerzeichen, Zeilen vollgestopft mit Code. Kommentare braucht man nicht, "der Code erklärt sich doch von selbst". Bloß kein Stückchen virtuelle Lochkarte verschwenden, in Zeiten von Terabyte-Platten. Import in SVN/git/... nahezu unmöglich. Wahrscheinlich gibt's da die eine oder andere Million Code-Zeilen. Über die Fehlerquote mag ich noch gar nicht nachdenken. Ich hoffe darauf, dass sie etwas niedriger liegt. Wenigstens ist absehbar, dass das System zu Grabe getragen wird. Und ich werde einer der Sargträger sein. Geplanter Beerdigungstermin: 2015 oder irgendwann danach.

Vielleicht sollte ich die einschlägigen Stellenanzeigen mal wieder etwas genauer lesen ...

Alexander

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Today I will gladly share my knowledge and experience, for there are no sweeter words than "I told you so".