Edgar Ehritt: OLG-Hamburg-Urteil zur Kinderpornografie im Internet

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Hallo Cybaer,

Tatsache, daß Browser teilweise bereits Seiten vorladen, während man noch die aktuelle Seite anschaut. Somit kann man theoretisch schon böse Daten abrufen, ohne überhaupt etwas gemacht zu haben.
Ja und?

Auszug § 184 b StGB

(1) Wer pornographische Schriften (§ 11 Abs. 3), die sexuelle Handlungen
      von, an oder vor Kindern (§ 176 Abs. 1) zum Gegenstand haben (kinder-
      pornographische Schriften),

1. verbreitet,
      2. öffentlich ausstellt, anschlägt, vorführt oder sonst zugänglich macht
         oder
      3. herstellt, bezieht, liefert, vorrätig hält, anbietet, ankündigt, an-
         preist, einzuführen oder auszuführen unternimmt, um sie oder aus ih-
         nen gewonnene Stücke im Sinne der Nummer 1 oder Nummer 2 zu verwenden
         oder einem anderen eine solche Verwendung zu ermöglichen,

wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer es unternimmt, einem anderen den Besitz von
      kinderpornographischen Schriften zu verschaffen, die ein tatsächliches
      oder wirklichkeitsnahes Geschehen wiedergeben.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 oder des Absatzes 2 ist auf Freiheitsstrafe
      von sechs Monaten bis zu zehn Jahren zu erkennen, wenn der Täter gewerbs-
      mäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten
      Begehung solcher Taten verbunden hat, und die kinderpornographischen
      Schriften ein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen wiedergeben.

(4) Wer es unternimmt, sich den Besitz von kinderpornographischen Schriften
      zu verschaffen, die ein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen
      wiedergeben, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geld-
      strafe bestraft. Ebenso wird bestraft, wer die in Satz 1 bezeichneten
      Schriften besitzt.

(5) Die Absätze 2 und 4 gelten nicht für Handlungen, die ausschließlich der
      Erfüllung rechtmäßiger dienstlicher oder beruflicher Pflichten dienen.

(6) In den Fällen des Absatzes 3 ist § 73d anzuwenden. Gegenstände, auf die
      sich eine Straftat nach Absatz 2 oder Absatz 4 bezieht, werden eingezogen.
      § 74a ist anzuwenden.

Es gibt nun zwei Ansätze, über die ohne Kenntnis des Urteils nur spekuliert werden kann. Das ist einmal Abs. 4 erster Satz "Wer es unternimmt, sich den Besitz von kinderpornographischen Schriften zu verschaffen,...". Das ist zum anderen Abs. 4 zweiter Satz "Ebenso wird bestraft, wer die in Satz 1 bezeichneten Schriften besitzt."

Während für das Verschaffen von Besitz meinem Verständnis nach ein Vorsatz immanent ist, kann der Besitz (zweiter Satz) durch heutige Browser ohne Vorsatz erlangt werden. Genau da verläuft ein Grat, der sich aus den Pressemitteilungen und redaktionellen Aufbereitungen zu Meldungen nicht entnehmen lässt, jedoch nicht der entscheidende ist. Denn ich sehe hier den schon öfters gelesenen Bezug zu Browsern doch eher in Abs. 2 begründet. Sind nun Softwareentwickler, die Browser mit Vorlademechanismen erstellen, im Sinne § 184b StGB strafrechtlich zu belangen?

Das ist der Punkt, wo ich sehr gespannt bin, ob die Richter genau diesen Grat erkannt und abschließend eindeutig aufgeklärt haben. Stellt das Urteil heraus, dass das Ansehen kinderpornographischer Seiten zum Besitz dieses Materials führt, verbeschaffen Browser (damit also deren Entwickler) dem Browsernutzer den Besitz. Stellt es aber nur darauf hin ab, dass der Browsernutzer im Sinne Abs. 4 sich den Besitz verschaffen wollte, ist dies für den Entwickler unbedenklich.

War das genug zu Deiner lapidar formulierten Frage?

Das Gericht, an das das Verfahren zurücküberwiesen wurde, soll den/die Angeklagten ja auch nicht gefälligst verurteilen, sondern soll sich ein Urteil darüber bilden, ob zufällig oder bewußt auf das Angebot zugegriffen wurde. Und *dann* verurteilen oder eben freisprechen.

Das sehe ich auch so.

Ob nun der eine oder andere sich auch zufällig und ohne Absicht solche Bilder im Browsercache eingefangen hat, kann ja ein Gericht entscheiden. Jetzt muß dem Schwein eben nicht mehr groß der eigentliche Besitz nachgewiesen werden, sondern man greift auf andere Hinweise zurück, die die Unschuld des Schweins vielleicht nahelegen.

Auch Du solltest Dich von einer Vorverurteilung hin zu einer Unschuldsvermutung bewegen!

Und mein Gott: Eine kleine Hausdurchsuchung hat ja noch niemanden umgebracht! Das kann man anschließend alles wieder aufräumen. Und wer von seinem Arbeits-PC kein aktuelles Backup hat, um den beschlagnahmten Rechner durch einen anderen ersetzen zu können, ist ja wohl auch selbst schuld!

Bei einer Hausdurchsuchung gehe ich davon aus, dass die Ermittler, was Du ihnen unterstellst, nicht so dämlich sind und alle Datenträger einsammeln; man also keinerlei Backups zur Verfügung hat. (Vermutlich meinst Du das als den angekündigten Sarkasmus.)

Denkt hier denn niemand an die Kinder?

Der gesamte § 184b StGB ist gar nicht zum Schutz von Kindern konzipiert. Die Definition strafbarem Besitzes und dessen Erlangen mit dem Schutz von Kindern zu koppeln, ist rhetorisch genauso wirkungsvoll wie auch abwegig. Zum Schutz u. a. von Kindern sollte man in einer sachlichen Diskussion auf andere Paragraphen des 13. Abschnitts StGB verweisen!

Gruß aus Berlin!
eddi

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OLG-Hamburg-Urteil zur Kinderpornografie im Internet

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