Hallo Martin,
Ich hätte allerdings kein Problem, mich auch von jemandem repräsentiert zu fühlen, der -sagen wir- schon mehrfach beim Ladendiebstahl erwischt wurde oder als notorischer Autobahnraser bekannt ist, wenn er auf der anderen Seite tatsächlich für meine Interessen eintritt. Sein Privatvergnügen ist mir wurscht.
Kommt darauf an. Ladendiebstahl und Rasen auf der Autobahn sind kein Privatvergnuegen - weil andere Leute betroffen sind. Wenn jemand mal in seiner Vergangenheit etwas getan hat, dann will ich ihm das nicht unbedingt entgegen halten, wenn er sich seine jetztige Position erarbeitet hat und einsieht, dass er einen Fehler begangen hat. Aber wenn jemand als Minister einen Ladendiebstahl begeht, dann sagt mir das was ueber seinen Charakter und ich halte so jemanden fuer unfaehig, mich zu repraesentieren.
Anderes Beispiel: Wenn ein Politiker fremdgeht, dann geht mich das erstmal nichts an, weil das durchaus in sein Privatleben faellt. Wenn das aber ein Politiker war, der sich sehr auf diese "family values" versteift hat, *dann* interessiert es mich, weil das durchaus etwas ueber seinen Charakter aussagt, was auch fuer seine Politik relevant sein kann.
Da er aber bereits vor dieser ganzen Geschichte in meinen Augen keine gute Arbeit geleistet hat, ...
Hat er nicht? Die Aussetzung der Wehrpflicht, die er durchgedrückt hat, halte ich für eine der größten Errungenschaften der letzten 50 Jahre.
Nein, ist sie nicht. Ich befuerworte zwar an sich die Abschaffung der Wehrpflicht, (schon seit eh und je) aber wie sie zustande gekommen ist, ist extrem zweifelhaft. Letztendlich ging es ihm darum, sein reduziertes Budget einhalten zu koennen und nicht um die Abschaffung aus ideologsichen Gruenden. Das kam so ploetzlich dass ich dachte "Huch? Wehrpflicht wird abgeschafft? Wie kommen die jetzt denn darauf?" Das hatte nichts mit der fehlenden Wehrgerechtigkeit einerseits noch mit der Frage nach der Wehrpflicht an sich zu tun, sondern rein mit dem Sparzwang. Ferner lesen sich Berichte ueber die Aussetzung der Wehrpflicht so, dass das alles sehr schlecht durchgeplant worden ist. Was jetzt u.a. dazu fuehrt, dass in der naechsten Zeit viel mehr Menschen eine weitere Bildung/Ausbildung nach der Schule anfangen wollen, wo doch sowieso sehr viele Jahrgaenge der Schulen in der ganzen Bundesrepublik fertig werden, bei denen von die Gymnasialschulzeit von 13 auf 12 Jahre reduziert wurde (und es damit Dopplejahrgaenge gibt) die Unis und Ausbildungsstaetten belasten - und das, ohne, dass der Bund die Laender (die ja fuer die Hochschulen zustaendig sind) finanziell fuer diese Dinge unterstuetzt noch rechtlich unterstuetzen kann, da ja nach der letzten Foederalismusreform ein Verbot in der Verfassung steht. Zudem beklagen sich inzwischen die ganzen Kreiswehrersatzaemter, dass sie nichts mehr zu tun haetten - wofuer bisher auch noch keine Loesung gefunden wurde, obwohl das ja abzusehen war. Ein konkreten Plan mit dem Umgang des Zivildienstes fehlt auch.
Insofern: Idee gut, Motivation fragwuerdig, Umsetzung katastrophal. Das ist in meinen Augen definitiv keine gute Arbeit.
Jeder, der auf einen Abschluss hinarbeitet, arbeitet nie aus uneigennützigen Gründen darauf hin, das ist doch klar. Nehmen wir mal als Beispiel einen KFZ-Mechaniker: Der hat auf seinen Abschluss hingearbeitet, um eben später in diesem Feld tätig sein zu können, das war sein Ziel. Der Abschluss eröffnet ihm Möglichkeiten, die er ohne nicht hätte. Ich halte das für völlig in Ordnung.
Richtig - und doch gibt es einen ganz wesentlichen Unterschied: Der Doktorand schafft mit seiner Arbeit etwas, von dem die Nachwelt auch einen Nutzen hat - zumindest nach dem idealisierten Modell. Der KFZ-Mechaniker dagegen nützt mit dem, was er im Rahmen seiner Ausbildung leistet, zunächst niemandem.
Wenn diese Unterscheidung wichtig ist, wird sie den Doktortitel aber zusaetzlich aufwerten, nicht abwerten.
Genauso bei einer Doktorarbeit: Jemand mit Doktortitel hat in gewissen Situationen mehr Möglichkeiten als ohne.
Ja. Auch das ist eine Krankheit unserer Gesellschaft: Menschen werden häufig nicht nach ihren wirklichen Fähigkeiten und Leistungen eingestuft, sondern nach irgendeinem Papier. [...]
Und wie genau willst Du diese Faehigkeiten und Leistungen beurteilen? Das ist ein Problem, was sich in meinen Augen nicht trivial loesen laesst. Genau deswegen gibt es Abschluesse. Das ist sicher nicht perfekt, aber andererseits will ich im Umkehrschluss auch nicht, dass jemand ohne die noetige Ausbildung Bruecken baut, die dann einstuerzen, wenn ich gerade mit dem Auto darauf fahre.
Nach etwa zwei Jahren hatte er sich aber soweit in die Abläufe der Abteilung eingearbeitet, dass er locker die Aufgaben eines Ingenieurs wahrgenommen hat.
Er haette vielleicht die Aufgaben eines Ingenieurs in dieser Position uebernehmen koennen, aber sehr wahrscheinlich nicht die Aufgaben eines Ingenieurs allgemein. Gut, mag sein, dass Dein Kollege ein Ausnahmetalent war, doch in der Regel ist es lediglich relativ einfach fuer Menschen, sich irgendwo in eine konkrete Situation einzuarbeiten - aber im allgemeinen sagt ein Diplom mehr aus als bloss, dass jemand sich gut in Bereich X eingearbeitet hat. Waehrend des Studiums lernt man auf implizite Art und Weise eine ganz andere Denkweise kennen, die man in der Regel durch blosses Einarbeiten in die Materie nicht erlangt.
Ob der Personalchef in der konkreten Situation ihm vielleicht nicht doch noch eine Gehaltserhoehung haette geben sollen, (kann ja hier sehr gut sein, dass diese Denkweise nicht gebraucht wurde und die Einarbeitung fuer seine Arbeiten ausreichend war - oder dass er wie gesagt ein Ausnahmetalent war) kann ich von aussen natuerlich nicht beurteilen.
Mein Punkt: Ich sehe nichts verwerfliches daran, deswegen eine Doktorarbeit schreiben zu wollen. Letztendlich ist ein Doktortitel ein Abschluss, der einem bescheinigt, dass man in einem Gebiet eigenständig wissenschaftlich arbeiten kann.
Mit anderen Worten: Thema und Inhalt sind eigentlich egal? Das "wie" ist entscheidend?
Nein, du missverstehst mich. Ich halte es nicht fuer verwerflich, wenn das Thema und der Inhalt der Doktorarbeit fuer das spaetere Leben der Person keine besondere Rolle mehr spielt. Das heisst aber nicht, dass das Thema und der Inhalt der Doktorarbeit egal sind - andere Leute koennen auf diesen Erkenntnissen aufbauen und weitermachen.
Zudem: Der Hintergedanke in der Doktorarbeit besteht nicht alleine darin, eine Ausbildung zu machen und dann hinterher ueber das Thema der Doktorarbeit gut bescheid zu wissen. Das sollte man natuerlich sicherlich auch, sonst sollte man den Titel nicht bekommen. Aber die Doktorarbeit ist auch eine Phase der eigenen Bildung, bei der es um mehr geht als bloss den Inhalt mit dem man sich beschaeftigt.
Mein Argument ist, dass Doktorarbeiten -zumindest teilweise- über so banales Zeug geschrieben werden, dass jeder Abiturient der Autor hätte sein können.
Ich habe noch keine einzige (!) Doktorarbeit gesehen, wo dies der Fall gewesen ist.
Natürlich gibt es, wie ich gestern schon eingeräumt habe, dazwischen immer wieder Idealisten, die sich wirklich ins Zeug legen, wirklich etwas leisten und sich so eine gewisse Auszeichnung *verdienen*. Aber ich habe den Eindruck, das sind eher die Ausnahmen.
Ich kann wie gesagt nur fuer die Naturwissenschaften reden, aber hier ist es so, dass jemand mit reinem Geschwafel nicht einmal im entferntesten bestehen wuerde.
Durch das Abstempeln als Kavaliersdelikt sagst Du im Endeffekt, dass diese Zeit und Energie, die Doktoranden in ihre Arbeit inverstieren, letztlich nichts Wert sind.
Genau das
Na herzlichen Dank auch.
Christian