Lieber Richard Rüfenacht,
vielen Dank für Deine klärenden Worte.
Ist es nicht so, dass wir seit vielen Jahren von Desktop-Software geradezu dazu erzogen worden sind, mit Popup-Fenstern umzugehen und diese gerade deshalb auch zu erwarten? Wenn ich in meinem Office-Programm Änderungen noch nicht gespeichert habe, fragt es mich beim Beenden - natürlich via Popup - ob ich [speichern] [abbrechen] oder [beenden] will. Aber muss das ein Popup im üblichen Sinne sein? Wäre da nicht sinnvoller, wenn man einfach das bestehende Fenster entweder mit einem modalen Fensterchen (ausgegrauter Hintergrund mit den Schaltflächen im Vordergrund) oder gar mit einer Leiste am oberen Fensterrand (siehe Hinweis-Zeile bei Browseraktualisierungen) verwendete? Sicher wirkt ein Popup zwingender, welches sich sperrig über den bisherigen Kontext legt, aber braucht es dafür auch zwingend ein neues Fenster?
Mich interessiert, in welchen Fällen Popups eine für die User sinnvolle Lösung sind. Du fragst dich, wie du die User davon überzeugen kannst, dass Popups in keinem Fall eine gute Lösung sind.
Ob für mich oder für "die User" ist doch letzten Endes egal. Das Prinzip eines neuen Fensters stört den bisherigen Kontext des Arbeitens. Bei einer Web-Anwendung erhalte ich das Login-Formular ja auch nicht zwingend als Popup-Fenster, sondern als Fenster-Inhalt, welcher nach der Anmeldung durch die Anwendungsseite ersetzt wird. Warum geht das beim Abmelden mit den manchmal notwendigen Rückfragen (wie oben beschrieben) nicht auf die gleiche Weise?
Mich hat beim Beenden von Windows immer genervt, wenn einzelne Programme ihre Sicherheitsrückfragen (siehe obiges Beispiel) mit ihren Popups aufgezwungen haben, bevor das Beenden des Betriebssystems tatsächlich bedienerisch möglich war. Warum konnte das Windows-eigene Popup mit den berühmten drei Buttons [abbrechen], [Neustart] und [herunterfahren] nicht eine Auflistung an Programmen mitbringen, die ihrerseits noch "Fragen" haben? Dann kann ich entscheiden, ob ich in die Kontexte der Anwendungen zurück will, oder ein Machtwort mittels [herunterfahren] spreche.
Immer wenn ich Nicht-Computer-Freaks im Umgang mit dem PC Hilfestellung leisten soll, ist der Kontext genau das, was allen am schwersten fällt. Insbesondere bei Telefonaten fällt es den Leuten extrem schwer, mir den Kontext zu beschreiben, in dem sie sich bewegen ("Wo soll ich jetzt klicken?" / "Was muss ich jetzt machen?"). Aus meiner Erfahrung sind alle Bedienlösungen gut, die den aktuellen Kontext erhalten, da sie weniger verwirren. Wenn sich für Popups immer und zwingend neue Fenster öffnen, dann ist das nicht unbedingt Kontext-erhaltend und für User nicht zwingend besser - auch wenn sie das erwarten. Als Lehrkraft kenne ich den Unterschied zwischen "im Interesse der Schüler" und "von den Schülern gewollt". Ich bin allen Ernstes der Meinung, dass es das auch für User gibt!
Der kritische Punkt ist, dass überhaupt nicht nachgewiesen und von keiner Studie belegt ist, auch von keinem Experten, auch von Jakob Nielsen nicht, behauptet wird, dass Popups absolut und in allen Fällen zu unterlassen sind. Es gibt immer Ausnahmen!
Richtig! Aber wo siehst Du in Danielas ursprünglichem Posting einen Hinweis auf eine solche? In ihrem Fall ist wieder einmal wie üblich eine Frage nach einer konkreten technischen Umsetzung für eine vermeintliche Lösung eines uns vorenthaltenen Problems gestellt worden. Und absolut SELFHTML-forumstypisch kommen wir alle mit unseren eingeübten weltanschaulichen Verbesserungspostings inklusive der diese wiederum kritisierenden. Wie das Amen in der Kirche.
Ich sehe das so: In den meisten Fällen sind Poups keine gute Lösung, insbesondere nicht, wenn sie ohne irgend einen ersichtlichen Grund eingesetzt werden,
Wann hast Du solche Verwendungsfälle beobachtet?
es gibt aber auch einige sinnvolle und von den Usern sogar erwartete Anwendungsfälle.
Meinst Du unter anderem mein Beispiel oben? Das hielte ich, was die Erwartung "von den Usern" angeht, für ein Ergebnis der Erziehung von -zig Jahren Desktop-Software. Ob das unbedingt die beste Lösung ist, wenn man auf User-Erwartungen setzt...? Aber hier spricht ein Lehrer (ich stereotypisiere mich jetzt einfach einmal als beruflicher Besserwisser) mit einem Dienstleister (im Sinne von Sklave der Kundenwünsche).
Nun sind unterschiedliche Schlussfolgerungen möglich, man kann fordern, Popups generell zu unterlassen, weil man damit meist richtig liegt und nichts falsch macht, man kann aber auch die sinnvollen Ausnahmen gezielt für innovative Lösungen einsetzen.
Explizit für Danielas OP?
Innovative Lösungen sind aber ohne angemessene Usability-Test kaum vorstellbar oder rein zufällig. Mich erstaunt, wie wenig über Usabilitytesting bekannt ist, wie das praktisch vollzogen wird und was es kostet. Es gibt aber immer viele Leute, die ganz genau wissen, was die User wollen, nur die User wissen nichts davon und sehen das meist ganz anders. Von sich auf andere schliessen ist meist keine gute Lösung.
Was kostet denn ein Usability-Test? Und welche Aussagen macht er hinsichtlich einer Software? Inwieweit widerlegt er "best practices" und SELFHTML-Forumsdogmen?
Schreib doch mal!
Liebe Grüße,
Felix Riesterer.
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