Alex: In wie weit sind Gereichtsurteile rechtskräftig?

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Hallo,

Bin dann gleich zu meinem Vorgesetzt gerannt und hab gemeint, dass wir bei unseren Newslettersystemen vorsichtiger agieren sollten bzw. er das mit unserem Rechtsanwalt mal abklären sollte. Als Antwort habe ich dann ein komplettes Ignorieren meines Anliegens bekommen mit der Begründung dass solche Urteile nur Einzelfälle wären. Mit anderen Worten würde uns jemand verklagen, dann würde es vor Gericht gehen und das ganze würde neu ausgefochten werden. Dass man erneut verlieren würde, wäre gleich 0.

Ich hab immer gedacht solche Urteile wären eine quasi Erweiterung des Gesetzes und man muss bzw. sollte sich daran halten. Aber so wie es sich mir jetzt dargelegt wurde, sind solche Urteile einmal Entscheidungen die nochmal so entschiedenen werden könnten, aber nicht müssen.

Wie von den anderen schon gesagt, solche Urteile sind stets Einzelfallentscheidungen. Aber natürlich - und man sieht das ja auch in dem besagten Urteil - wird die frühere Rechtsprechung oft zur Argumentation herangezogen, was ja auch sinnvoll ist, da unser Rechtssystem ja nicht völlig willkürlich sein sollte, sondern im Wesentlichen zu verlgeichbaren Ergebnissen führen sollte.

Aber, wie das immer so ist - zwei Juristen, drei Meinungen. Die Ansichten der Gerichte könnten also schon mal abweichen. Je weiter man durch die Instanzen geht, desto weniger Gerichte gibt es und desto weniger Abweichungen werden möglich. Aber auch der BGH kann seine ständige Rechtsprechung irgendwann mal komplett ändern. Oder aber z.B. auch nur in einem Einzelfall ändern, indem er sagt, dass in der jeweiligen Entscheidung der Sachverhalt aber eben doch anders war als in den vorherigen ähnlichen Fällen.

Jetzt mal zu dem Urteil, das du genannt hast.

Diese Entscheidung ist (unterstellt, das OLG hat nicht entscheidende Sachverhaltsmerkmale vergessen zu erwähnen) völliger Schwachsinn und wird daher in der Fachliteratur auch heftig kritisiert. Ich weiß nicht, ob die Beklagte in Revision gegangen ist, hoffe aber, dass der BGH das Thema sinnvoll klären wird.

Nach der Ansicht des OLG München müsste man auf Newsletter etc. fast komplett verzichten bzw. den Bestellprozess derart verkomplizieren, dass ihn kein Kunde mehr mitmachen wird. Hier wurde schon die Opt-In-Mail (also die mit dem Aktivierungslink) als unzulässiger Spam angesehen (und Verschulden bejaht). Die zweite Mail - die Begrüßung nach Aktivierung - war allerdings kein Spam, da hier unstreitig war, dass die KLägerin den Aktivierungslink geklickt hat.

Demnach müsste man jedes Opt-In-System in die Tonne treten. Als Alternative wird teilweise das Loggen der IP-Adresse vorgeschlagen. Das bringt aber nichts, weil der Provider die Daten, dann wenn sie zur Aufschlüsselung gebraucht würden, meist nicht mehr hat. Außerdem ist die IP ja Maschinen und nicht Menschenbezogen. Wenn jemand eine falsche E-Mail-Adresse angibt bringt es erst recht nichts.

Dann wird ein Medienbruch vorgeschlagen: Einwilligung per Brief - das ist natürlich auch Schmarrn, weil ich in einen Brief ja jede x-beliebige E-Mail-Adresse eingeben kann.

Besser wäre da noch eine Einwilligung über die jeweilige E-Mail-Adresse, wobei man dann ja auch die Header richtig auswerten müsste, da man die Sender-Adresse ja leicht fälschen kann.

Oder sollte man etwa eine Einwilligung per Post-Ident machen? Dann hat man wenigstens die wahren Adressdaten über den Anmelder und kann ihn verklagen, wenn man aufgrund falscher E-Mail-Adresse haftet.

Alle diese Möglichkeiten sind Unsinn und machen das Internet kaputt.

Deshalb würde ich als Chef auch das Urteil ignorieren und mit dem Double-Opt-In weitermachen. Ich würde nur schauen, dass ich die Mail mit dem Aktivierungslink nicht zu werbemäßig gestalte - also vielleicht nicht in der Corporate Identity, keine Werbetexte, keine Angebote etc.

Gruß
Alex