Der Martin: Syntaktische Marotte: Ultraplusquamperfekt

Hallo,

da mir bei der Fülle der hier aufschlagenden Beiträge auch immer mal wieder sprachliche Eigentümlichkeiten auffallen (persönliche, regionale, angewöhnte Fehler usw.), frage ich hier mal nach einem weiteren Fall aus dieser Kategorie.

Zwei Leute, die ich kenne, benutzen offenbar gern eine Phantasie-Zeitform, die ich im Titel "Ultraplusquamperfekt" genannt habe. Beispiel:

"Wir hatten letzte Woche schon darüber gesprochen gehabt."

Nun ist mir diese Formulierung neulich auch bei meiner Schwester mal aufgefallen, die aber mit den beiden erstgenannten Jungs überhaupt nichts zu tun hat. Daher meine Frage in die Runde:
Kennt noch jemand diese seltsame Syntax-Konstruktion? Schon mal gehört, oder gar selbst verwendet? Hat jemand einen Verdacht, wo das herkommt?

So long,
 Martin

--
Die Natur ist gnädig: Wer viel verspricht, dem schenkt sie zum Ausgleich ein schlechtes Gedächtnis.
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  1. hi,

    "Wir hatten letzte Woche schon darüber gesprochen gehabt."

    Nun ist mir diese Formulierung neulich auch bei meiner Schwester mal aufgefallen, die aber mit den beiden erstgenannten Jungs überhaupt nichts zu tun hat.

    Prüfen!!!!

    Daher meine Frage in die Runde:
    Kennt noch jemand diese seltsame Syntax-Konstruktion? Schon mal gehört, oder gar selbst verwendet?

    Hat jemand einen Verdacht, wo das herkommt?

    KA/Daxlanden/Knielingen die Ecke... vermutlich ;)

    (also da, wo die mit dem Kissen im Fenster liegen)

    Horst

    1. hi,

      "Wir hatten letzte Woche schon darüber gesprochen gehabt."

      http://www.spiegel.de/kultur/zwiebelfisch/zwiebelfisch-das-ultra-perfekt-a-295317.html

      Grüße,cvb

      1. @@cvb:

        nuqneH

        http://www.spiegel.de/kultur/zwiebelfisch/zwiebelfisch-das-ultra-perfekt-a-295317.html

        „abgesehen von ein paar Beamten würde niemand "sitzen" als Bewegung einstufen“ LOL. Da fallen mir sofort die ©TOM-Touchés wie dieser und jener ein.

        Qapla'

        --
        „Talente finden Lösungen, Genies entdecken Probleme.“ (Hans Krailsheimer)
  2. Mahlzeit,

    Nun ist mir diese Formulierung neulich auch bei meiner Schwester mal aufgefallen, die aber mit den beiden erstgenannten Jungs überhaupt nichts zu tun hat.

    Das ist genau das, was Mädels immer ihren Brüdern erzählen tun :D

    --
    42
    1. Hi,

      Nun ist mir diese Formulierung neulich auch bei meiner Schwester mal aufgefallen, die aber mit den beiden erstgenannten Jungs überhaupt nichts zu tun hat.
      Das ist genau das, was Mädels immer ihren Brüdern erzählen tun :D

      ja ... okay, ich formuliere anders: Soweit ich weiß, kennen die sich nicht einmal.

      Ciao,
       Martin

      --
      In sein ist schon längst wieder out.
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  3. @@Der Martin:

    nuqneH

    Im Cover von Sebastian Krämers CD „Ständige Staubsaugervertretung“ steht im Text von „Margherita“ (Kostprobe):
    „Einmal kamen auf dir vier Oliven zu liegen* …
    *kamen zu liegen (berlinerisch): lagen“

    Und in der Tat würde mich dieses Konstrukt nicht in den Ohren beißen.

    Qapla'

    --
    „Talente finden Lösungen, Genies entdecken Probleme.“ (Hans Krailsheimer)
    1. Om nah hoo pez nyeetz, Gunnar Bittersmann!

      „Einmal kamen auf dir vier Oliven zu liegen* …
      *kamen zu liegen (berlinerisch): lagen“

      Wobei das nicht dasselbe ist: Das eine beschreibt den Vorgang, das andere das Ergebnis.

      „Das Auto kam rechtzeitig zum stehen.“ vs. „Das Auto stand.“

      Matthias

      --
      Der Unterschied zwischen Java und JavaScript ist größer als der zwischen Mark und Markise.

      1. @@Matthias Apsel:

        nuqneH

        „Einmal kamen auf dir vier Oliven zu liegen* …

        „Das Auto kam rechtzeitig zum stehen.“

        Das ist ein anderes Konstrukt. Und mit Artikel davor (zum = zu dem)  müsste Stehen wohl groß geschrieben werden.

        Qapla'

        --
        „Talente finden Lösungen, Genies entdecken Probleme.“ (Hans Krailsheimer)
      2. Hello,

        „Einmal kamen auf dir vier Oliven zu liegen* …
        *kamen zu liegen (berlinerisch): lagen“

        Wobei das nicht dasselbe ist: Das eine beschreibt den Vorgang, das andere das Ergebnis.

        Nicht ganz richtig, aber doch fast vorbei ;-)

        "kamen zu liegen" beschreibt die Absicht zu "liegen". Das wird dann besser sichtbar, wenn der Ininitiv mit zu noch erweitert wird:

        "...kam der Prophet, den Herrn zu preisen..."

        "Einmal kamen auf dir vier Oliven zu liegen" ist also eigentlich sprachlich falsch eingesetzt worden. Denn die Aussage soll doch beschreiben, dass die Oliven dort schon lagen, als man hinsah.
        Im Prinzip müssten sie aber noch darüber schweben, um in der relativen Zukunft (ab dem Betrachtungszeitpunkt) mit dem Liegen anzufangen.

        Liebe Grüße aus dem schönen Oberharz

        Tom vom Berg

        --
         ☻_
        /▌
        / \ Nur selber lernen macht schlau
        http://bikers-lodge.com
  4. Andere Länder nehmen das viel genauer. Da steckt in jeder Vergangenheitsform eine bestimmte Situation. Im Deutschen wird halt irgendwas verwendet. Vor allem Dialekte sind so unglaublich "freizügig" mit der Vergangenheit was solche Details angeht.
    Beispiel: ich ging zur Arbeit. Das sagt in gewissen Regionen niemand. Da heißt es: ich bin zur Arbeit gegangen. Ich wüsste nicht mal ob es bei uns einen inhaltlichen Unterschied zwischen diesen beiden Formen gibt.

    Vielleicht ist das "gehabt" auch einfach nur unkonzentriert gesagt, ohne sich bewusst zu sein dass da schon ein "hatten" vorkam.

    1. Hallo,

      Andere Länder nehmen das viel genauer. Da steckt in jeder Vergangenheitsform eine bestimmte Situation.

      ja, im Englischen werden zum Beispiel die verschiedenen Zeitformen sehr konsequent verwendet, im Französischen IIRC auch.

      Im Deutschen wird halt irgendwas verwendet. Vor allem Dialekte sind so unglaublich "freizügig" mit der Vergangenheit was solche Details angeht.

      Stimmt. Und in gefühlten 90% aller Fälle wird das Perfekt als Vergangenheitsform verwendet, selten etwas anderes: Ich habe Getränke gekauft, ich bin um zehn aufgestanden, sie hat mich angerufen, ... Nur die Verben "sein" und "haben" werden dann doch überwiegend im Präteritum benutzt: Ich war gestern zuhause, wir hatten einen Hund, du warst vor mir da, er hatte einen Hut auf, ...

      Beispiel: ich ging zur Arbeit. Das sagt in gewissen Regionen niemand. Da heißt es: ich bin zur Arbeit gegangen. Ich wüsste nicht mal ob es bei uns einen inhaltlichen Unterschied zwischen diesen beiden Formen gibt.

      Hmm. Guter Punkt. Da müsste man vielleicht mal Leute fragen, die Deutsch als Fremdsprache lernen. Ich bin sicher, dass es auch "bei uns" Regeln für die Verwendung jeder Zeitform gibt. Aber so ist es halt, wenn man eine Sprache von Kind an lernt und "instinktiv" benutzt: Man macht's möglicherweise richtig, kann aber nicht sagen, warum nun ausgerechnet die eine oder die andere Form richtig ist. Das ist wie bei der Interpunktion: Viele machen es "nach Gefühl" richtig, können aber nicht sagen, _warum_ nun hier ein Komma steht und dort nicht.

      Vielleicht ist das "gehabt" auch einfach nur unkonzentriert gesagt, ohne sich bewusst zu sein dass da schon ein "hatten" vorkam.

      Ich bin auch sicher, dass es unbewusst ist, einfach nur eine Angewohnheit, über die die Leute nicht nachdenken. Mich erstaunt allerdings, dass der Spiegel-Artikel, den cvb verlinkt, dieses Konstrukt als "Hausfrauen-Perfekt" bezeichnet und unterstellt, dass es vor allem von weniger gebildeten Menschen verwendet wird. Diejenigen, von denen ich es bisher gehört habe, sind überwiegend Akademiker bzw. sprachlich sehr gewandte Menschen.

      Schönen Sonntag noch,
       Martin

      --
      F: Kennt jemand ein Automobil-Märchen?
      A: Radkäppchen und der böse Golf.
      Selfcode: fo:) ch:{ rl:| br:< n4:( ie:| mo:| va:) de:] zu:) fl:{ ss:) ls:µ js:(
      1. Hallo,

        Viele machen es "nach Gefühl" richtig, können aber nicht sagen, _warum_ nun hier ein Komma steht und dort nicht.

        Bist du sicher, dass man hier von "Vielen" reden kann?

        scnr
        Kalk

        1. Hi,

          Viele machen es "nach Gefühl" richtig, können aber nicht sagen, _warum_ nun hier ein Komma steht und dort nicht.
          Bist du sicher, dass man hier von "Vielen" reden kann?

          kommt drauf an, welchen Personenkreis man betrachtet. Ich bin von den Menschen ausgegangen, mit denen ich regelmäßig zu tun habe, aber das ist natürlich nicht repräsentativ.

          Ciao,
           Martin

          --
          Okay, Alkohol ist keine Antwort.
          Aber manchmal vergisst man beim Trinken wenigstens die Frage.
          Selfcode: fo:) ch:{ rl:| br:< n4:( ie:| mo:| va:) de:] zu:) fl:{ ss:) ls:µ js:(
      2. ja, im Englischen werden zum Beispiel die verschiedenen Zeitformen sehr konsequent verwendet, im Französischen IIRC auch.

        Ich weiß allerdings nicht ob das wirklich viel Information hinzufügt, glaubs ja eher weniger. Ich bin auch jemand der das so handhabt wie meine "sprachliche Umgebung", ohne dass ich irgendwas dabei vermissen würde.

        Das ist wie bei der Interpunktion: Viele machen es "nach Gefühl" richtig, können aber nicht sagen, _warum_ nun hier ein Komma steht und dort nicht.

        Stimmt, so mach ich das auch :-)
        Auch ich denke nicht drüber nach (*) warum irgendwo eins hingehört, aber ich mache es. Ein Komma trennt Nebensätze, das weiß ich. Aber wär ja traurig (*) wenn man darüber jedes mal ausdrücklich nachdenken müsste.

        (*) hier könnte zum Beispiel eins hingehören. Aber ich denk mal, wenn ich es genügend genau nehme reichts ja. 100% Perfektion wäre ja schon sehr protzig :-)
        Außerdem find ich zu viele Kommas schon wieder eher störend. In deinem Link ist ein Satz mit Heidi, das ist mir zu viel.
        Wenn man, wie gezeigt, zu viele Kommas hat, die einen beim lesen nur verwirren, ist das vielleicht grammatikalisch richtig, aber trotzdem kein bisschen mehr hilfreich, wie dieser Satz, bei dem ich gar nicht viel nachdenken musste, schön illustriert.

    2. Hallo,

      Beispiel: ich ging zur Arbeit. Das sagt in gewissen Regionen niemand. Da heißt es: ich bin zur Arbeit gegangen. Ich wüsste nicht mal ob es bei uns einen inhaltlichen Unterschied zwischen diesen beiden Formen gibt.

      Das Präteritum wird im Deutschen in der Schriftsprache für die einfache Vergangenheit verwendet.

      In der gesprochenen Sprache wird nahezu immer das Perfekt zu diesem Zweck verwendet. Das ist kein besonderer Dialekt, sondern weit verbreitet und akzeptiert. In manchen Dialekten ist das Präteritum sogar gänzlich verdrängt worden.

      Darüber hinaus gibt es das Präsensperfekt, das eine Vorzeitigkeit zur Gegenwart mit Auswirkungen auf die Gegenwart ausdrückt (vgl. auch das englische Perfekt). Dieser feine Unterschied zum Präteritum wird oft nur in der Schriftsprache deutlich.

      http://de.wikipedia.org/wiki/Perfekt#Funktion_und_Gebrauch_des_Perfekts_im_Deutschen

      Mathias

      1. Om nah hoo pez nyeetz, molily!

        Das Präteritum wird im Deutschen in der Schriftsprache für die einfache Vergangenheit verwendet.

        In der gesprochenen Sprache wird nahezu immer das Perfekt zu diesem Zweck verwendet.

        Aber auch immer mehr das Präsens:

        "Ich stehe so vor der Disko, da kommt doch dieser Typ und baggert meine Freundin an. Dem hab ichs aber gegeben."

        Matthias

        --
        Der Unterschied zwischen Java und JavaScript ist größer als der zwischen Beil und Beilage.

        1. Hallo,

          "Ich stehe so vor der Disko, da kommt doch dieser Typ und baggert meine Freundin an. Dem hab ichs aber gegeben."

          Ja. Das ist das »dramatische Präsens«, das die Vergangenheit besonders spannend und temporeich erzählen soll:

          http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/zwiebelfisch-die-unendliche-ausdehnung-der-gegenwart-a-692917.html

          Mathias