Hallo,
wenn Fragen zu "wie kannst Du soetwas in Zukunft für Dich vermeiden?" in Deinen Augen dem Opfer nicht helfen, was rätst Du denn einem solchen Opfer?
Falls es dich ernsthaft interessiert: Es gibt in der feministischen Debatte um »Rape Culture« die kritische Diskussion zwischen Betroffenen über Ratschläge, wie Frauen Missbrauch, Belästigung, Übergriffen und sexualisierter Gewalt entgehen können. Es ist Konsens, dass es keine Lösung ist, Frauen »Überlebenstechniken« beizubringen, die ihre Freiheiten nur weiter einschränken. (Sven hatte das hier schon angesprochen.)
Das heißt nicht, dass Frauen diese Techniken nicht erfolgreich anwenden und sich damit schützen. Es ist aber traurig, dass sie es müssen, und es ist keine Lösung für das soziale Problem. Oftmals enden solche Ratschläge in Victim Blaming und führen dazu, dass niemand mehr darüber spricht, dass die Gewalt seitens der Täter beendet werden muss. Zum Beispiel wie Jungen/Männer erzogen werden können, Frauen zu respektieren, Grenzen zu akzeptieren und keine Übergriffe zu begehen.
Hast Du belastbare Fakten für diese Angelegenheit, dass ein in-Frage-stellen der Verhaltensweisen der Frau(en) hier tatsächlich zu 100% falsch ist und tatsächlich allein der Fokus auf den Mann zu richten ist?
Was wir wissen: Der Mann ist hat die Partnerinnen systematisch belogen, ihr Vertrauen ausgenutzt, ihnen psychisches Leid zugefügt. Dieses Fehlverhalten wäre zu diskutieren ist. Es ist durch nichts zu entschuldigen.
Welche »Verhaltensweisen« vermutest du auf Seiten der Frauen, die daran etwas ändern könnten? Mit welcher Motivation sollte man danach fragen, wenn nicht um ihnen Schuld in die Schuhe zu schieben? Vielleicht haben sie den Mann ebenfalls in irgendeiner Hinsicht ausgenutzt und belogen. Darüber liegen mir keine Informationen vor. Und wenn schon – es relativiert die Taten des Mannes nicht.
… aber anscheinend ist diesem Mann nun wirklich nicht zu helfen, weshalb sich meiner Meinung nach ein Fokus auf ihn und seine Person eher erübrigt.
Im Gegenteil. Gerade deshalb wäre über die individuellen und gesellschaftlichen Ursachen zu diskutieren! Nicht über eine vermeintliche Mitschuld seiner Opfer. Zu fragen wäre: Wie kommt es dazu, dass ein Mann so etwas tut? (Und jetzt bitte nicht den »Der ist doch psychisch krank«-Joker ziehen.) Du fragst dich hingegen: Wie kommt es dazu, dass Frauen darauf hereinfallen?
Mir drängt sich aber sehr der Verdacht auf, dass insbesondere der im OP angesprochenen Frau eine Stärkung des Selbstwertgefühls gut täte, damit sie in einer Beziehung stärker für sich und ihre Bedürfnisse/Rechte eintreten kann und weniger dazu neigt, sich vielleicht ausnutzen zu lassen.
Wie kommst du darauf? Nichts im Ausgangsposting weist darauf hin.
Du tust das, was ich im Posting kritisiert habe, auf das du geantwortet hast: du nimmst Betroffene nicht für voll und stellst ihre Urteilsfähigkeit infrage. Du unterstellst ihnen, ihnen würde Selbstwertgefühl fehlen, sie wären psychisch labil und sie könnten selbst nicht für ihre Rechte eintreten. Du wirfst ihnen damit vor, sich nicht genug gewehrt zu haben.
Das ist paternalistisch, herabwürdigend und schiebt ihnen die Verantwortung zu. Allein schon diese passivische Formulierung: Sie hätten »sich ausnutzen lassen« und müssten lernen, das nicht zu tun. Niemand in einer solchen Situation »lässt sich ausnutzen«. Nicht das Verhalten der Ausgenutzten ist die Ursache. Sie sind dafür nicht verantwortlich, dass jemand sie hintergeht und belügt. Das festzustellen hat übrigens nichts damit zu tun, ihr Verhalten insgesamt als sakrosankt zu bezeichnen.
Selbst wenn diese Frauen »schwach« wären: Umso schlimmer wäre es, dass ihre Schwäche ausgenutzt wird! Es wäre ihnen nicht vorzuwerfen. Bei den meisten Formen von emotionalem Missbrauch spielen Machtverhältnisse eine große Rolle. Die verlaufen in dieser Gesellschaft nun einmal (unter anderem) entlang der Geschlechtergrenzen und bringen Frauen strukturell in eine unterlegene Position. So können es sich einflussreiche, sozial bessergestellte Männer »leisten«, sie zu belästigen und auszunutzen, und müssen nicht um ihre Position bangen. Wenn man den sexistischen, patriarchalen Normalzustand nicht sehen will, kommen Aussagen heraus wie »manche Frauen neigen dazu, sich ausnutzen zu lassen«…
Mathias
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