Aloha ;)
Wenn Du Dir die entsprechenden Postings durchliest, dann wirst Du feststellen können, daß es hier immer wieder "gute" Ratschläge gibt, was man seinen Kunden empfehlen soll und was man denen zumuten kann und wie man sie beraten soll und unter welchen Umständen man ablehnen muss, überhaupt für sie zu arbeiten und und und...
Das sehe ich grundsätzlich genauso wie du und ich bin froh um jedes Posting, in dem ein solcher Maßstab angelegt wird.
Und ich meine, daß man solche Ratschläge erst mit entsprechender Erfahrung geben kann und nicht, weil man sich die Beziehung Entwickler-Kunde in einer idealen Welt irgendwie vorstellt oder einen Artikel darüber in A-list-apart gelesen hat.
Jein. Inhaltlich gebe ich dir Recht, natürlich können Ratschläge zum Verhältnis Entwickler-Kunde nur von jemandem erteilt werden, der darin selbst Erfahrung hat. Das ist klar.
Ich denke aber, dass beide (ich nenne es mal einfach so) "Fraktionen", die hier argumentieren, beinhart aneinander vorbeireden.
Ich gehe davon aus, dass die Fraktion, zu der ich Gunnar Bittersmann und 1UnitedPower rechne, versucht, hier grundsätzliche Maximen sauberer Arbeit anzuwenden. Deshalb, und das kann ich auch verstehen, ist es ihnen ein Dorn im Auge, wenn derartige Maximen aufgrund von Effizienzdenken in Abrede gestellt werden.
Die Fraktion, zu der ich Mitleser und dich rechne, kommt von einem anderen Standpunkt her, nämlich aus der praktischen Erfahrung und mit dem Wissen, dass es im harten Berufsalltag manchmal nicht anders geht, als gegen seine Überzeugungen zu arbeiten - und das nicht aus Ignoranz sondern schlicht und einfach aus Notwendigkeit, weil es imho in der Realität teils schwierig genug ist, als selbständiger Webentwickler überhaupt auf angemessene Bezahlung zu kommen. Dass man dann nicht nach Optimierungen sucht, die der Kunde nicht explizit verlangt, weil man auch froh ist, einfach fertig zu werden, kann ich auch nachvollziehen.
Das hat mit Kundenerfahrung als Voraussetzung für fachliche Diskussen im Allgemeinen absolut nichts zu tun, ich nehme einmal an, daß Du das lediglich übersehen hast und das nicht polemisch zu verstehen war; wenn hier Kundenerfahrung gefordert wurde oder die Frage danach gestellt wurde, dann immer nur im Zusammenhang mit dem oben Gesagten und keineswegs sonstiger fachlicher Fragen...
Ich gebe dir Recht. Ich habe das nicht polemisch gemeint. Ich habe das ganze zwar nicht übersehen, aber der Punkt an dem ich mit meinem Posting eingestiegen bin, war sicherlich nicht günstig gewählt, da mein Posting auf etwas viel Allgemeineres abgezielt hatte. Ich wollte mich vor allem hier nicht auf irgendeine Seite schlagen, mir ging es viel mehr um das Wohl des Forums und das Wohl der Allgemeinheit.
Vielleicht kann ich dir das am ehesten mit meiner eigenen Situation schildern. Ich bin ja bekanntlich und sehr bewusst nur Hobby-Webentwickler. Nicht, weil ich nicht in der Lage wäre, das Ganze beruflich zu nutzen, sondern weil ich mich vor längerer Zeit entschieden habe, mein Hobby nicht zum Beruf zu machen, um meine Freiheiten in diesem Bereich zu bewahren. Nun ist es so, dass ich rein für mich und vom fachlichen Standpunkt her an mich selbst maximal mögliche Standards anlege - und das allumfassend. Barrierefreiheit, Semantik, Validität... Das alles und mehr sind die Bereiche, in denen ich nach Vollendung strebe. Allerdings auch deshalb, weil ich die Freiheit habe, genau das zu tun.
Aus meiner eigenen Erfahrung mit dem Projektgeschäft mit Kunden (die tatsächlich doch etwas ausgeprägter ist als ich das, was ich vorher behauptet habe) weiß ich aber, dass selbst ich diese Ansprüche schnell fallen lasse, sobald ich eine Auftragsarbeit bearbeite (also z.B. jemandem einen Gefallen tu indem ich seine Homepage oder die seiner Institution aufsetze). Das bedeutet nicht, dass mir Barrierefreiheit und Co. dann egal sind. Ich achte weiterhin bei der Programmierung darauf, die ethisch im Internet geforderten Standards hochzuhalten. Ich optimiere dann aber daran nicht. Ich gehe nicht etliche Male über den Quellcode. Ich suche nicht immer nach noch besseren Möglichkeiten. Solange ich in einem gewissen Rahmen meine Standards erfüllt habe, bin ich zufrieden - auch mit einer unperfekten Lösung. Manchmal sag ich mir auch: "Das was ich da abliefer ist schon um einiges besser als der Durchschnitt der Websites, denen man über den Weg läuft. Das muss reichen."
Ich denke, ich habe klargemacht, dass ich beide Sichtweisen und beide Lager verstehen kann, da ich mich in gewisser Weise zu beiden Lagern dazurechne. Ich hätte aber an beide Lager je eine Bitte und hoffe, dass das auch so annehmbar ist, ohne jemanden zu verletzen:
An die Fraktion "praxisnah": Bitte versucht, Effizienzgedanken aus diesem Forum herauszuhalten. Niemand hier (oder zumindest die Meisten nicht) zweifelt an, dass im Alltagsgeschäft - und das ist in jeder Kunst so - Zugeständnisse gemacht werden müssen. Alles andere wäre realitätsfern. Trotzdem denkt bitte daran, dass es trotz allem nur Zugeständnisse sind. Ich bin mir sicher: Hätten wir unendlich viel Zeit und Geld, würden wir alle versuchen, die (ich nenne es mal so) ethischen Anforderungen des Internets optimal zu erfüllen. Ihr müsst einfach daran denken, dass hier beispielsweise auch absolute Anfänger mitlesen. Absolute Anfänger, die vielleicht die Zeit und das Geld haben, es optimal zu machen. Es wäre total schade, wenn die das gut begründete Argument eines professionellen Webdev's hören, der sagt: "das zu machen ist nicht lohnend, weil die Kunden es nicht anfordern und es viel Zeit benötigt", und dann darauf schließen "ach ja, es lohnt sich ja nicht, also brauch ichs auch nicht zu machen". Da wäre es mir wirklich lieber, die (teils zugegebenermaßen hoch gegriffenen) Maximen stünden unangefochten im Raum, sodass sich jeder an der Latte messen kann, an der er sich selbst messen möchte. Ich denke auch, dass kaum einer ein Problem damit hat, wenn etwas aus bewusster Effizienzentscheidung nicht perfekt gemacht wird. Es ist in meinen Augen nur problematisch, wenn Effizienzentscheidung auf gleicher Ebene mit Maxime steht - was zwangsläufig passiert, wenn Maxime und Effizienzentscheidung hier in öffentlicher Diskussion gegeneinander abgewogen werden. Vor allem der Neuling kann hier nicht differenzieren.
An die Fraktion "praxisfern": Ich finde es total super, wenn Maximen der "best practice" hochgehalten und angewandt werden. Trotzdem ist es manchmal der Ton, der die Musik macht. Niemand wird sich gegen eine Maxime oder deren Anwendung oder Empfehlung aussprechen, solange nicht implizit der Eindruck entsteht, dass jeder, der dieses nicht tut, automatisch ein schlechter Mensch ist (und ohne jemandem nahetreten zu wollen und ohne dass das so gesagt würde: der Eindruck kommt teilweise auf). Es ist ein feiner Grad zwischen dem Predigen von Maximen und Weisheiten und dem Missionieren anderer. Das Missionieren ist immer sehr, sehr problematisch, da es Menschen gibt, die aus gutem Grund nicht missioniert werden möchten - und diese fühlen sich durch Missionierungsversuche dann zurecht persönlich angegriffen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass es viel weniger Gegenstimmen gegen die "best practices" gäbe, wenn Formulierungen fielen wie "im Rahmen der Barrierefreiheit solltest du darauf achten, labels einzusetzen" statt "du musst labels einsetzen". Im ersten Fall hat der Leser die Möglichkeit, den Ratschlag anzunehmen, wenn er sich mit seinen Zielen vereinbaren lässt. Im zweiten Fall liest sich das ganze nur als Ratschlag, falls man es umsetzt. Wenn man Gründe hat, das nicht zu tun (und seien sie auch noch so persönlich oder stumpfsinnig oder wie auch immer), liest sich das als Vorwurf. Bitte achtet weiterhin darauf, dass für jedes Problem eine fachlich optimale Lösung vorgeschlagen wird. Achtet aber bitte auch darauf, diese vorzuschlagen und nicht einzufordern. Niemand hier hat das Recht, anderen etwas vorzuschreiben. Wir können unserem virtuellen Gegenüber hier nur Ratschläge mitgeben oder Bitten anbringen, das unbedingte _Verlangen_ einer bestimmten Art und Weise der Arbeit von Anderen ist nicht angemessen oder angebracht und erzeugt lediglich böses Blut. Wir sind hier ein Diskussionsforum, das fachlich beratschlagt. Kein Aufsichtsrat über die Arbeit Anderer.
Ich hoffe, das ist für alle hier akzeptabel so und wir können unsere Energie in Zukunft alle gemeinsam darauf bündeln, fachliche Probleme zu lösen, anstatt in religiöse Kleinkriege miteinander zu verfallen. Habt euch lieb, ich hab euch auch lieb ;)
Grüße,
RIDER
Camping_RIDER a.k.a. Riders Flame a.k.a. Janosch Zoller
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