Nach dieser harschen Kritik, möchte ich das Bild, das hier von Windows 10 gezeichnet wird, mal aus meiner orthogonalen Perspektive beleuchten. Ich teste Windows 10 seit einigen Monaten in der Technical Preview Version.
Es wurde hier oft kritisiert, dass Windows zu oft nach Hause telefoniert. Das mag sicherlich bedenklich sein, aber man darf nicht vergessen, dass wir in einer "always on"-Gesellschaft leben. Wir produzieren heute Daten wie Sand am Meer, bei gleichzeitig kleinerer Hardware. Notebooks werden heute schon oft mit nur einer integrierten 128GB SSD ausgeliefert, hätte man da keinen Clouddienst im Betriebssystem integriert, hätte man wenig Spaß mit seiner Hardware. Und überhaupt, wer möchte denn noch manuell seine Daten synchronisieren?
Der Store wird ebenfalls oft dafür kritisiert, dass er zu viel zwitschert. Aber wie wäre es denn heute ohne zentrale Anlaufstelle für Software? Auch hier hat sich der Markt geändert, es gibt eine neue Small-App-Welle: Programme sollen schmal sein und nur noch wenige Aufgaben erfüllen, der Traum von der eierlegenden Wollmilchsau ist ausgeträumt. Die angestrebte Produktivität von monolithischen Software-Kollossen, wie es Outlook früher mal war, konnte nur selten erreicht werden, nicht mal von Powerusern. Und in dieser neuen Zeit möchte man wirklich nicht mehr auf den Entwickler-Seiten nach den richtigen Binaries oder Installationsprogrammen suchen und auch noch manuell installieren. Ein Software-Center ist hier unbedingt notwenig und das können wir auch bei allen anderen Betriebssystemen beobachten, Apple hat bekanntermaßen seinen AppStore und Linux hat Paketmanager für jeden Geschmack dabei. Für mich eine der elementarsten Komponenten eines Betriebssystems.
Cortana mag man sich auch drüber streiten, aber man darf auch nicht die positiven Eigenschaften verleumden. Cortana stellt auch eine wunderbare assistive Technologie für Menschen da, die darauf angewiesen sind. Die nette Dame, die man aus Halo kennt, setzt einen neuen Maßstab, sowie es Siri ihrerzeit schon mal getan hat.
Das führt mich zu meinem nächsten Punkt: Windows 10 hat das mit Abstand am weitesten entwickelte User Interface, das mir je unter die Augen gekommen ist. Es ist nicht das Klicki-Bunti-Betriebsystem, zu dem es gerade hier im Forum, von einigen Windows-Klassik-Nostalgikern, immer gerne diffarmiert wird. Die W10-Metro-Oberfläche ist das herausragende Resultat von intensiver, ingeurswissenschaftlicher Arbeit im User-Interface-Design, die Fehler aus Windows 8 fast alle ausgebügelt. Ein Freund hat Windows 10 auf seinem Handy installiert, und es ist erstaunlich, wie gut die mobile Oberfläche mit der Desktop-Oberfläche harmoniert. Das ist responsive-design in ganz großem Stil, sowie wie wir es nur von den besten Webseiten kennen. Mein Herz schlägt noch für Linux, aber in diesem Punkt sucht die Community vergeblich ihren Anschluss. Vor Windows 10 habe ich viele, wirklich viele Linux-Oberflächen getestet, und selbst in der modernstern Linux-Oberfläche, hat man das Gefühl als habe die Welt vor 15 Jahren aufgehört sich zu drehen. Das war für mich auch der ausschlaggebende Punkt, der mich zu Windows zurückkehren ließ (das und Neugierde natürlich). Eine Sache muss ich dennoch kritisieren, es gibt vereinzelt immer noch Dialoge und Menüs aus der Pre-Windows-10-Aera.
Was die Zwangsupdates angeht, kann ich die hier genannte Kritik nicht nachvollziehen. Ich feier Continues Integration. Aus Sicht eines Entwicklers liegen die Vorteile auf der Hand, für uns Webentwickler ist CI ohnehin schon jahrelange Praxis, andererseits kennen wir auch die Auswirkungen, die konservative Update-Zyklen mit sich bringen (IE8 anybody?). Mit CI gibt man IT-Abteilungen endlich eine Update-Strategie, die einfach durchzuführen ist, so dass alle Mitarbeiter von aktueller Software profitieren können.