Gunnar Bittersmann: Sad state, real problems, fallacies

Ein paar lesenswerte Artikel fürs Wochenende:

LLAP 🖖

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„Wir haben deinen numidischen Schreiber aufgegriffen, o Syndicus.“
„Hat auf dem Forum herumgelungert …“
(Wachen in Asterix 36: Der Papyrus des Cäsar)
  1. Aloha ;)

    Nachdem ich sonst nicht viel in die Richtung mitbekomme lese ich solche verlinkten Artikel immer ganz gerne. Hier einige Gedanken zu den jeweiligen Blogposts.

    Ich bin nicht überzeugt. Hinter den Dingen, die er so schreibt, steckt zum Teil viel Wahres. Trotzdem kann ich diesen Blogpost in letzter Konsequenz nicht ernst nehmen; die vollkommen übertriebene Polemik gepaart mit der offensichtlich einseitigen Betrachtung erweckt den Eindruck eines typischen Mimimi-Rundumschlags. Mit dieser Einschätzung...

    ...bin ich offenbar nicht alleine. Dementsprechend besser kommt bei mir dieser Blogpost an, der sich stärker an durchdachten Argumenten orientiert. Die Schlussfolgerung

    With that being said I think there’s someone else to blame for this “mess” mister Drew talks about. And that’s every developer who ever used a tool only because it was the new shiny thing or because everyone else was using it.

    trifft auch meine Meinung zu diesem Thema zu einem großen Teil und das hier

    As professionals it’s our duty to determine which tool best solves the problem we’re working on. We shouldn’t just hop into the bandwagon of a framework because it’s hot right now, and I think this is just a small part of the real issue: a lot of developers are learning how to use a framework instead of how to use a language.

    würde ich gerne in Stein meißeln und vor meine Haustür stellen. Auch über den Rest des Blogposts bleibt der Autor bemüht, die Probleme sachlich zu benennen und konstruktive Lösungsvorschläge zu skizzieren. Ich bin interessiert zu sehen, welche Früchte die Umfrage trägt (die ich mangels Eigenerfahrung übrigens selbst eher nicht bestreiten werde); wenn die Planung des Autors für ein shouldiuse.xyz aufgehen wäre das eine echte Bereicherung.

    Hier werden gute, stichhaltige Argumente vorgebracht. Ein wohlüberlegtes Plädoyer für klassische Web-Architektur. Der Blogpost geht in weiten Teilen in seiner grundlegenden Argumentationsweise gegen das selbe Problem vor, das auch in den anderen beiden Postings beklagt wurde: das um sich greifende Trittbrettfahren auf Trends, ohne sich an den tatsächlichen Bedürfnissen zu orientieren.

    Erst gestern habe ich miterlebt, wie von jemandem Argumente gegen eine Sprache pervertiert wurden und wie sich jemand seine eigenen, zweifelhaften Entscheidungen schön geredet hat - selbstverständlich mit dem Anspruch auf Mietung der absoluten Wahrheit und dem obligatorischen "die Statistik ist ja vollkommen übertrieben"-Effekt, denn derjenige sieht sich schließlich selbst als Koryphäe, er hat ja auch lange die Theorie studiert (meines Erachtens nach in diesem Fall wohl ein "real world fallacy", der Kategorisierung im Blogpost entsprechend). Das angesprochene Problem ist also durchaus real und es schadet niemandem, durch aufmerksames Lesen dieses Beitrags seine eigene Selbstreflexion zu proben und zu triggern.

    Allerdings sind natürlich auch solche Aussagen, wie sie dort präsentiert werden, nicht immer ohne Eigenschaft als chocolate fireguard. Speziell die pull request fallacy fand ich treffend so zu lesen, allerdings ist auch und gerade diese fallacy an bestimmte Bedingungen geknüpft, die im Umkehrschluss auch manchmal übersehen werden, wenn jemand diese fallacy anprangert - was an sich wieder eine fallacy darstellt. Solche Themen sind nicht ohne Fallstricke, und gerade dann, wenn man anprangert, dass die Wahrheit manchmal als gepachtet gesehen wird, muss man selbst auch darauf achten, nicht genauso Anspruch auf absolute Wahrheit zu erheben.

    Ich fürchte, dass es sich da um eine ganz menschliche Sache handelt (was sie sehr schwer zu bekämpfen macht). Das ist so eine Art "das passiert mir doch nicht"-Syndrom. Bei Responsivität einer Seite ist die Sache ganz anders gelagert, man kann sich intuitiv vorstellen, dass man mal nur einen sehr kleinen oder einen sehr großen Bildschirm hat, kennt die Problematik aus der eigenen Erfahrung. Bei Barrierefreiheit ist das was anderes. Da geht es um Dinge, deren Erfolg oder Nutzen man nicht direkt sieht, sondern sich ausschließlich vorstellen kann, weil man keinen intuitiven Zugang besitzt. Die Argumente dafür sind nicht offensichtlich (mit den Sinnen wahrnehmbar), sondern hinter der Barriere des eigenen Nachdenkens versteckt. Kaum jemand wird widersprechen, wenn Barrierefreiheit hochgehalten wird, Verfehlungen zulasten der Barrierefreiheit sind aber nicht offensichtlich, sondern subtil - sie werden vor allem unbewusst oder aus Unwissen gemacht.

    Ich bin daher skeptisch bezüglich des Vergleichs zwischen den Entwicklungen bezüglich Barrierefreiheit und Responsivität, den der Autor hier meiner Wahrnehmung nach zieht - ich denke nicht, dass die Bereiche einander mit allem was dazugehört so nahe sind, dass die Erzielung eines Durchbruchs im Bewusstsein zwangsläufig auf ähnliche Art und Weise möglich sein muss.

    Gut ist, dass das Problem angesprochen wird, nur denke ich nicht, dass die Lösung des Problems auf dem Weg eintreten wird, den der Autor hier als Möglichkeit sieht.

    Das größte "Problem" mit Barrierefreiheit, das ich sehe (und das mit Barrierefreiheit an sich nichts zu tun hat) ist, dass es so schön "einfach" ist, sie zu ignorieren. Das ist kein Thema, in dem man als junger Webentwickler lauter fancy, interessante Dinge machen oder lernen kann, die das Publikum beim ersten Ansehen der Webseite begeistert, sondern das ist harte Selbstdisziplin, die man da erlernen muss, für eine Sache, die erst unter der Oberfläche sichtbar wird.

    Das ist vielleicht vergleichbar mit dem geistesgegenwärtigen Schreiben von effizientem Code, statt einfach etwas zu schreiben, das "irgendwie funktioniert", wenn man mal ein entsprechendes Bild in der Software-Programmierung bemühen möchte. Es trennt die Spreu vom Weizen.

    Und leider, leider, sehe ich kaum eine Chance dafür, dass Barrierefreiheit selbstverständlich wird - dazu ist die Menschheit meinem Pessimismus nach zu egozentrisch. Ich sehe allerdings trotzdem Chancen dafür, dass Barrierefreiheit wieder zumindest weiter verbreitet wird, das geht aber nur dann, wenn die Anwendung der entsprechenden Selbstdisziplin von möglichst vielen Seiten gefordert und gefördert wird. An dieser Stelle sind Ausbildungsstätten und Arbeitgeber gefragt - denn wie der erste Kommentar auf den Blogpost richtig sagt:

    I agree with you, accessibility was popular about 10 years ago but has largely been forgotten about, very few jobs even ask for knowledge of it on their job specs.

    Pessimistisch bin ich in dieser Hinsicht nicht deshalb, weil es nicht möglich wäre, sondern nur da ich weiß, dass es genügend Unternehmen, Ausbildungsstätten, Webentwickler gibt, denen Barrierefreiheit einfach grundsätzlich am Allerwertesten vorbeigeht. Ein kompletter Durchbruch ist also sicher eher nicht zu erwarten. Hoffnung darf man aber dennoch haben, dass wenigstens das Bewusstsein wieder gestärkt wird.

    Grüße,

    RIDER

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    Camping_RIDER a.k.a. Riders Flame a.k.a. Janosch Zoller Erreichbar manchmal im Self-TS (ts.selfhtml.org) oder sonst - wenn online - auf dem eigenen TeamSpeak-Server (fritz.campingrider.de) oder unter: # Facebook # Twitter # Steam # YouTube # Self-Wiki # ch:? rl:| br:> n4:? ie:% mo:| va:) js:) de:> zu:) fl:( ss:| ls:[
    1. Aloha ;)

      Als Ergänzung, weil ich gerade darauf stoße.

      Hier werden gute, stichhaltige Argumente vorgebracht. Ein wohlüberlegtes Plädoyer für klassische Web-Architektur. Der Blogpost geht in weiten Teilen in seiner grundlegenden Argumentationsweise gegen das selbe Problem vor, das auch in den anderen beiden Postings beklagt wurde: das um sich greifende Trittbrettfahren auf Trends, ohne sich an den tatsächlichen Bedürfnissen zu orientieren.

      Das kann man wohl auch anders sehen - zumindest hat molily eine andere Meinung dazu.

      Grüße,

      RIDER

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      Camping_RIDER a.k.a. Riders Flame a.k.a. Janosch Zoller
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  2. @@Gunnar Bittersmann

    Ein paar lesenswerte Artikel fürs Wochenende:

    Und noch einer. Ein must-read:

    “They still do lack in two things developers of web products (and I count apps into that) should have: empathy for the end user and an understanding that they are not in control.”

    “The web is, sadly enough, littered with unhelpful error messages and assumptions that it is the user’s fault when they can’t consume the thing we built.”

    “Any message telling the user that they have to turn on JavaScript to use a certain product is a proof that you care more about your developer convenience then your users.”

    Amen.

    LLAP 🖖

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    „Wir haben deinen numidischen Schreiber aufgegriffen, o Syndicus.“
    „Hat auf dem Forum herumgelungert …“
    (Wachen in Asterix 36: Der Papyrus des Cäsar)