Regina Schaukrug: Einige Fragen zur Linux Software Aktualisierung

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Über die Aktualisierungsverwaltung des Cinnamon Desktops habe ich die Möglichkeit das System auf den aktuellen Stand zu bringen.

Leider ist mir noch nicht ganz klar, was „auf den aktuellen Stand bringen“ überhaupt bedeutet.

Nun ja. Das bedeutet, Du erhältst Updates. Updates oder neue Versionen werden zunächst vom Entwickler bereit gestellt. Der "Paket-Maintainer" des Linux-Distributors (Bei Mint kann das aber auch der "Paket-Maintainer" von Debian oder Ubuntu sein, dem vertraut wird weil das Programm bzw. die Pakte ohne Änderungen übernommen werden) prüft es, passt es an (z.B. hinsichtlich bestimmter Pfade und Voreinstellungen, fügt eventuell auch was hinzu, s. weitgehend nutzlose "Ubuntu-Anpassungen" im Firefox) kompiliert, testet es (womöglich mehrfach bis er zufrieden ist). Am Ende dieses Prozesses soll sich das Programm gut in die Distribution einfügen und so funktionieren wie es in der Distro immer funktioniert hat (Bsp: useradd legt in Debian ohne -m kein Benutzerverzeichnis an, in anderen Distries ist das als Voreinstellung gesetzt.)

Es gibt aber Grenzen. Manche Distributionen machen kein Rolling-Update. Da bekommst Du die Version 5.x des LibreOffice, aber keine 6.x. Ab Erscheinen der 6.x werden nur noch Patches, welche die Sicherheit der Version 5.x betreffen in diese "portiert". Bis zu dem Tag, für welchen das Ende des Supports für die Linux-Version angekündigt war oder ist.

Hat man jetzt eine Version eines Linux und die Distributoren bieten kein "rolling release bis zum jüngste Tag" an, dann stellen häufig die Entwickler trotzdem Pakete in eigenen Repos bereit. Die kann man nutzen, es gibt aber noch weniger Garantien als keine.

Nehmen wir einfach mal das oben genannte Libre Office, dass bei mir in der veralteten Version 5.1.6.2 vorliegt. Über die Libre Office Webseite oder über die PPAs hätte ich ja die Möglichkeit mir die neueste Version von Libre Office zu besorgen.

s.o. Das ist so ein Entwickler-PPA.

Ich hatte neulich damit ein Problem. Nach dem Upgrade auf 5.4.2 (von 5.4.1) stürzte der Writer ab, sobald ich die erste Taste drückte. Offenbar war was am Pakt kaputt, nach einem erneuten Update (apt -f full-upgrade ging es dann.

Ist das, was ich oben erklärt habe, so korrekt bzw. wenn ja, gilt das für alle Anwendungs- und System-Programme synonym?

Ja. Das Prinzip gilt für jedes Linux, auch für *-BSD also auch für Distributionen, die andere Paketmanager benutzen.

Wie ist das z.B. mit Firefox. Habe ich, wenn ich mir nicht die *.deb Pakete von der Firefox Webseite installiere bzw. wenn ich nicht die PPAs von Firefox einspiele immer ein veraltetes Firefox, weil das neuste Firefox nicht mit Mint 17.3 getestet wurde und deshalb nicht in den normalen Mint 17.3 Quellen freigegeben wird?

"veraltet" ist zu grob. Du hast einen "getesteten" Firefox, der mit Deinem Linux gut zusammenarbeitet und (hoffentlich) keine (bekannten) Fehler aufweist.

Wenn die Aktualisierungsverwaltung des Cinnamon Systems aufgrund oben genannter Gründe keine Updates der Programme durchführt frage ich mich, was die Aktualisierungsverwaltung dann überhaupt aktualisiert. Werden dann nur Fehler in der Software behoben aber keine Updates durchgeführt?

Manchmal bekommst Du Sicherheitsupdates aber eben oft keine neuen Major-Versionen. Was eine Major-Version ist ist dann eine Entscheidung der Programmierers. In der Regel solche, die neue Funktionen (womöglich) unter dem Wegfall alter enthalten. Du führst LibreOffice 5.1.6.2 an. Das hat 4 "Stellen in der Version:

5.1 - "Entwicklungsreihen", können neue oder geänderte Funktionen erhalten, es können Funktionen entfallen und eventuell treten Probleme mit den Einstellungen vorheriger Versionen auf. 6.2 - "Versionen", sollten problemlos als Update installierbar sein.

Leider hält sich Libreoffice nicht sehr streng daran.

Wie gesagt kann es sein, dass der Hersteller der Distribution Dich durch Verweigerung neuester Versionen von einzelnen Programmen und irgendwann auch von Updates womöglich zwingt, auf die neue Version der Distribution upzudaten um ältere Versionen nicht mit Patches versorgen zu müssen. Aber die Sache hat auch einen Vorteil:

Neue Versionen erfordern manchmal neue Konfigurationseinstellungen - auch der Benutzer. Installiert man einfach ein ganz neues und aktuelles LibreOffice findet es die alte Konfiguration, kann damit nichts anfangen und stürzt im gar nicht seltenen "Extremfall" sogar ab. Die Zurückhaltung der Linux-Distributoren führt also auch dazu, dass unbedarfte Benutzer hier nicht auf unnötige Schwierigkeiten stoßen. Auch sind für vielen Benutzer Änderungen in der Bedienungsweise ein Ärgernis. Ich erinnere mich an die Ribbon-Leisten im MS-Office, welche die Symbolleisten ablösten... Jahre später wurde ich gefragt, wieso LibreOffice nicht diese tollen Ribbons verwendet...

Nochmal zurück zu Libre Office, dass bei mir in der Version 5.1.6.2 vorliegt. Welche der vier Zahlen kann denn innerhalb der Aktualisierungsverwaltung von Mint 17.3 nach oben gezählt werden. Alle vier? Keine? Nur die Letzte?

Das kommt darauf an. Leider ist LibreOffice hier nicht besonders prinzipien-treu.

Dann gibt es in der Aktualisierungsverwaltung des Cinnamon Systems noch verschiedene Ebenen (1-5) die man aktivieren bzw. deaktivieren kann (siehe nachfolgender Screenshot). Hat das Aktivieren bzw. Deaktivieren der Ebenen einen Einfluss darauf, welche der vier Zahlen in einer Software Version (bei Libre Office 5.1.6.2) von der Aktualisierungsverwaltung nach oben gezählt werden kann?

Aber ja doch. Doch Vorsicht:

Nr. 4 sind ungetestete "Alphas", Nr. 5 sogar "bekannt-kaputt". Das ist was für ENTWICKLER oder Leute, die Screenshots für das zu schreibende Handbuch brauchen. Echte NUTZER wollen die zertifizierte Version aus Nr 1. Nur wenn diese an neuen Funktionen interessiert sind sollte man vorsichtig Nr. 2, Nr. 3 sogar nur äußerst zurückhaltend aktivieren. Das ist nämlich eine "Beta". Die neueste Version ist also nicht für JEDEN die "beste".

Screenshot

Wie ist das mit dem Linux Kernel, werden hier nur Fehler behoben oder wird auch die Version aktualisiert?

Mit und für den Kernel gilt das selbe. Wenn ich Linux auf dem Notebook habe, so will ich aktuell vielleicht eine Version >= 4.9 wegen der Stromspartechniken und Grafik"karten"-Unterstützung oder >= 4.8 wegen USB 3.1. in meinem Desktop. Auf einem reinen Server brauche ich (vielleicht) nichts davon, ist "Overhead". Dann reichen ältere Versionen mit Sicherheitspatches oder der Behebung grober Fehler oder zur Beschleunigung. Man muss auch beachten, dass der Kernel nicht im luftleeren Raum arbeitet: Der vermittelt zwischen der Hard- und Software. Sollte sich was ändern, wie der Kernel Infos bereits stellt oder beim Start oder zur Laufzeit beeinflusst wird (siehe /proc/, /sys/, grub2, ...), dann muss auch Software angepasst werden.

Und für all diese Anpassungen und den Abgleich zwischen den sorgt der Linux- Distributor. Das ist kein einfacher Job. Was bleibt ist die Erkenntnis, dass man neueste Versionen von IRGENDWAS haben kann, dass dann aber das Riskio steigt. Ein unbedarft und vorzeitig installierter neuester Kernel (oder auch nur Firmware) kann sogar ein teures Laptop "bricken" - also in etwas wie einen Stein verwandeln. Es kann also wirtschaftlicher (keine Umgewöhnung, kein Konfigurationsdatein-Löschen-und-Konfiguration-neu-einstellen-Theater) und sicherer (neue Fehler...) sein, wenn man nicht immer mit der neuesten Software glänzen will und solche installiert ohne genau zu wissen, warum man diese neuste Version unbedingt haben muss.

In dieser Hinsicht sind ernst zu nehmende Linux-Distributoren also derart konservativ-vorsichtig, dass man im Bundestag (säßen die mit drin) rechts ungefähr hundert Meter anbauen müsste. Säßen aber genug von denen mit drin gäbe es dafür in einer ganzen Legislaturperiode weniger Verfassungsbrüche als allein am 22. Juni 2017.