Hej Henry,
Schon schlimm genug, dass ein Gericht darüber entscheiden muss, wie man sich, frei verfügbare, Webseiten anschauen darf. Aber ging ja nochmal gut aus.
Kann man so sehen, muss man aber nicht.
Journalismus hat derzeit generell ein Finanzierungsproblem. Dass viele Tageszeitungen schlicht dicht machen mussten, ist wohl jedem bekannt. Die verbliebenen gehören meist einigen wenigen großen Konzernen, die ein und dieselbe Meldung in dutzenden von lokal-Blättern inhaltlich und manchmal auch wörtlich identisch verwursten.
Eine funktionierende Presse, bei der sich die Frage nach etwas wie Pressefreiheit überhaupt stellt, muss eine gewisse Diversität haben. Um sich eine Meinung bilden zu können, muss ich Argumente der Befürworter und der Gegner von einem Sachverhalt kennen.
Das sehe ich im Moment gefährdet. Unsere Presselandschaft implodiert geradezu. Gekauft werden Zeitungen auf Papier kaum noch und mit den online-Versionen lässt sich ein breit gefächerter Qualitätsjournalismus nicht finanzieren.
Das führt dann zu solchen Auswüchsen wie Huffington Post. Was liest man da? Praktisch nur Sensationen, meint irgendwelche Belanglosigkeiten, die künstlich aufgebauscht sind und neben denen wichtige, echte Nachrichten zum politischen Tagesgeschehen langweilig scheinen.
Das führt dazu, das niemand mehr bei Spiegel, Focus und Co vorbeischauen würde, wenn die es nicht genauso machen würden.
Jetzt stellst du die Behauptung auf, dass Qualität für mehr Besucher sorgen wird. Genau das hat sich aber leider längst als Irrglaube erwiesen, denn insbesondere Spiegel und diverse andere sind ja als qualitativ hochwertige journalistische Medien online gegangen.
Das war allerdings nicht durchzuhalten, weil die Qualität nicht zu den einnahmen geführt hat, mit der diese Qualität sich gegenfinanzierten lässt.
Die heutige Situation ist ein Ergebnis davon. Übrige geblieben ist billiger Sensationsjournalismus. Der für eine Demokratie essentielle investigative Journalismus ist beinahe ausgetrocknet. "Früher" — zu Zeiten vonWatergate und ähnlichen Skandalen, konnten „Quellen“ (das sind im Neusprech „Whistleblower“) noch geschützt werden, Journalisten genießen darüber hinaus dank der Pressefreiheit noch einen weiteren Schutz und zusätzlich konnten sich die großen Verlage noch effektiven juristischen Schutz leisten. So konnte investigativer Journalismus mit einem kalkulierbaren Restrisiko betrieben werden. Wie es heute ausgehen kann, eine für einen Staat schmerzhafte Wahrheit auszusprechen, sieht man an Beispielen wie dem von Edward Snowden.
Auch Wikileaks kann das nicht auffangen.
Was bleibt sind anders finanzierte Medien. Sachlich und in gemäßigten Ton berichtet in Deutschland der öffentlich-rechtliche „Block“, der bemüht ist beide Seiten (Befürworter und Gegner bei vielen Fragen) zu Wort kommen zu lassen, oft auch einfach nur berichtet, was passiert ist. So wichtig diese bei informationelle Berichterstattung auch ist: die fehlende Einordnungen politisch ausgerichteter Medien wie taz, Focus, Spiegel, ein ganzes Stück weit auch BILD und anderer, ist inzwischen ein großes Problem.
Das entstandene Vakuum hat Platz gemacht für staatliche finanzierte Propaganda-Schleudern wie rt Deutschland, Pegida-Schreihälse, die jede neutrale Berichterstattung komplett ablehnen und letztlich auch für die AfD (und ihr Pendant am linken Rand des Parteienspektrums), die das Fehlen von öffentlich verfügbaren und meinungsbildenden politischen Diskursen für ihre Zwecke ausnutzen.
Insofern finde ich es recht schade, dass Zeitungen weder mit Abos und anderen Verkäufen, noch durch Werbung das Geld für gut recherchierten Journalismus verdienen.
Ich vermisse die Zeiten der Barschel-Affäre (auch wenn ich mir ein weniger tragisches Ende gewünscht hätte), der falschen Hitler-Tagebücher und anderer journalistischer Großereignisse. Auch die gegenläufige Berichterstattung über die AKW-Demonstratonen und der Castor-Blockaden usw.
Ich finde es wichtig, dass Gegner und Befürworter politischer Entscheidungen prominent in großen Medien zu Wort kommen.
Talkshows, in denen alle Welt mal kurz ihre Meinung sagen darf, machen ja keinen großen Sinn, wenn niemand etwas aufdeckt, worüber zu diskutieren sich lohnt.
Just my 2 Cents zum Thema AdBlocker
Marc
PS: Was mich stört, ist nicht die Tatsache, dass Werbung eingeblendet wird, sondern dass man im Werbenetzwerk getreckt wird.