marctrix: Wer nutzt barrierefreie Seiten?

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Hej Linuchs,

Hinreichend große Schrift ist angesagt. Für unleserlich kleine Schrift git es keine Entschuldigung.

Das Problem betrifft mich auch. Manchmal kommen Winz-Schriften. Wenn ich die Seite hoch-zoome, läuft der Text aus dem Rahmen, ist also so oder so nicht lesbar.

Vielleicht hilft bei der Beantwortung deiner Frage ein Gedankenexperiment zur Definition, was eine Behinderung ist. Letztlich doch nur eine unterdurchschnittlich entwickelte Fähigkeit. Insofern sind wir alle Menschen mit Behinderungen. Denn niemand kann alles mindestens durchschnittlich gut: sehen, hören, rennen, die Luft anhalten, auf einem Bein stehen… - die Liste lässt sich beliebig verlängern.

Nicht jede Fähigkeit, die weniger als durchschnittlich ausgebildet ist, macht unseren Alltag oder die Nutzung des Webs unbequemer oder unmöglich. So ist jemand mit einer Querschnittslähmung, der die Hände noch normal bewegen kann, von der Nutzung des Webs nicht stärker ausgeschlossen, als jeder, den wir gemeinhin als Mensch ohne Behinderung bezeichnen würden.

Wir alle haben also Einschränkungen, wenn man als "Normalwert" vom Durchschnitt ausgeht, den prinzipbedingt nur etwa die Hälfte aller Personen erreicht.

Jemand mit altersbedingter Schwerhörigkeit wird in der Regel nicht als Behindert empfunden und hat schon mehr Probleme bei Videos, die auf dem quäkenden, leisen eingebauten Lautsprecher eines Billig-PCs wiedergegeben werden.

Was aber wenn wir hören wie ein Kaninchen und sehen wie ein Adler und der PC hat überhaupt keinen Lautsprecher?

Oder der PC ist ein Handy und wir sitzen in einem bus, der durch die Allee fährt. Es schaukelt also und ruckelt und pralle Sonne und Schatten wechseln ständig. Wird schon schwierig dann eine Webseite mit kleinen Schriften und winzigen Schaltflächen zu bedienen.

Um es kurz zu machen: Es gibt dauerhafte (angeborene oder erworbene) Einschränkungen, es gibt temporäre Einschränkungen nach einer durchzechten Nacht oder einem Unfall, die wieder verschwinden. Und es gibt situative Einschränkungen wie eine laute Werkhalle oder eine miese Arbeitsplatzausstattung in einem Internet-Café am Ende der Welt.

Alle drei Punkte treffen auf fast jeden von uns zu.

Deshalb: Barrierefreiheit ist ohne Ausnahme für jeden von uns! Ohne Wenn und Aber!

Und: Menschen haben keine Behinderungen, sie sind im Vergleich zum Durchschnitt in bestimmter Hinsicht weniger leistungsfähig.

Eine Behinderung oder Barriere muss erst gemacht werden.

So kann Steven Hawking weitgehend selbstbestimmt am Leben teilnehmen, an Konferenzen teilnehmen und überall hin, wo er möchte. Es sei denn, jemand baut ihm eine Stufe in den Weg.

The world is, what we designed it to be!

Und behindert ist man nicht, behindert wird man — beispielsweise von Menschen, die Barrieren in ihre Seiten oder Stufen vor ihre Türen bauen.

Marc