Hallo @Julius,
Das LSR kann man notfalls noch dadurch umgehen, dass man schlicht nicht mehr verlinkt oder nur noch ohne Anreißer, Überschriften oder URLs mit viel Text (Kurz-URLs wie example.org/-123242
scheinen noch ok zu sein) – das ist zwar Mist und macht viel kaputt, aber noch halbwegs praktikabel.
… oder indem man einfach genug Marktmacht hat. In Deutschland haben sich die Verlage mit Google auf eine Gratislizenz geeinigt. Das bedeutet, dass LSR hat genau das Gegenteil dessen bewirkt, als was es begründet worden ist: Kleine Anbieter von Inhalten müssen Suchanbietern und Aggregatoren aktiv gegenüber mitteilen, dass sie auf die Durchsetzung des LSR verzichten, während die großen Anbieter einfach eine Einigung aushandeln können. Große Suchanbieter und Aggregatoren handeln eine Gratislizenz mit den Verlagen aus, während kleine Anbieter und Blogger zur Kasse gebeten werden.
Wenn ich mir anschaue, wer das LSR durchsetzen lassen wollte und wer dadurch profitiert, dass Medieninhalte und deren Auffindbarkeit monopolisiert werden, dann gibt es da eine klare Schnittmenge. Man könnte meinen, dass diese „Nebenwirkungen“ manchem Verlagshaus sehr gelegen kommen.
Bei den Upload-Filtern sieht das dagegen wohl anders aus. Man hat zwei Möglichkeiten, falls man (weiterhin) Nutzer-generierten Inhalt anbieten möchte:
- Mit allen Urhebern Verträge abschließen. (Hint: Das schaffen im Musik-Bereich beispielsweise nicht mal Spotify und Apple!)
Oder eine Verwertungsgesellschaft zur pauschalen Abrechnung involvieren, wie es das bei Texten, Bildern und Musik ja schon gibt.
- Uploads (Bilder, Videos, Audio, Texte) auf urheberrechtlich geschütztes Material hin filtern. – Und Filter kosten natürlich nichts und funktionieren immer fehlerfrei. </ironie>
… und man hat eine gute Zensurinfrastruktur vorbereitet.
Beide Möglichkeiten sind besonders für kleine Plattformen nicht praktikabel, weil beide extrem aufwändig und unverhältnismäßig teuer sind. Die Konsequenz dürfte sein, dass Projekte aufgeben werden und man dann zu den Großen – Google, Facebook und Twitter – übersiedelt oder zumindest deren Verträge mit den Urhebern oder ihre Filtertechnik nutzt.
Joa, Ausschalten der Konkurrenz von monopolartigen Strukturen …
Es fehlt schlicht die Möglichkeit, das klassische Notice-and-take-down-Verfahren zu betreiben – im beschränkten Rahmen wie beispielsweise hier im Wiki und Forum funktioniert das gut und ist verhältnismäßig einfach zu handhaben, um urheberrechtlich geschütztes Material von Dritten von einer Plattform fern zu halten.
Mit solchen Verfahren muss sich ja ein Rechteinhaber oder -verwerter jedes Mal beschweren anstatt pauschal abzukassieren. Und es stützt Polypole.
Den Befürwortern der Upload-Filter fehlt schlicht das technische Wissen, um zu erkennen, dass solche zentralen Dienste wie eine Filter-Datenbank dem dezentralen Charakter des WWW und auch des Internets zuwider laufen und um ihre Fehleranfälligkeit einschätzen zu können.
Ich bezweifle, dass hier das Wissen fehlt, ganz im Gegenteil: Wenn ich mir anschaue, wer davon profitieren wird, dann sind das die gleichen, die diese Gesetze fordern. Man darf ihnen nicht ihre Argumentation glauben, denn die ist so offensichtlich falsch („Google News mit Werbung“ – es sieht jeder mit einem Klick, dass das nicht stimmt), dass ich nicht an Dummheit, sondern an Absicht glaube. In meinen Augen ist das der ganz dreiste Versuch der Gewinnmaximierung mit massivem Lobbying.
Leider ist die Diskussion ziemlich schwarz-weiß: Entweder man befürwortet das Gesetz oder man möchte Urheber wie Journalisten und Kreative weiter der Ausbeutung preisgeben.
Widerspruch: Vom LSR und den Uploadfiltern profitieren nicht Journalisten und Kreative, sondern Verlage und Rechteverwerter. Die Schnittmenge davon ist sehr klein, wenn nicht gar leer. Es ist eher so, dass die genannten Personen eher von ihren „Inhalte-Verwertern“ per Pauschalvergütungen und Rechteabtretungen ausgebeutet werden.
Was kann man noch tun?
Das Sinnvollste scheint zu sein, EU-Abgeordnete zu kontaktieren (E-Mail und Telefon) und sie zu überzeugen zu versuchen (vielleicht auch darüber, dass man einen technischen Hintergrund hat und das daher ablehnt) und daneben auch die Petition auf Change.org weiter zu verbreiten und zu unterschreiben.
D'accord.
Bei beidem kann es helfen, wenn SELFHTML als Verein die Ablehnung unterstützen würde und dies öffentlich verbreiten würde, um die Aufmerksamkeit der Nutzer auf diese gefährliche Urheberrechtslinie zu lenken und vielleicht auch direktes Lobbying in Brüssel zu betreiben. Meine E-Mail an Axel Voss wurde leider, aber nachvollziehbarerweise mit einer oberflächlichen Standard-Antwort bedacht, die nicht auf meine spezifischen, (in meinen Augen) vernichtenden Argumente einging.
Ich glaube kaum, dass wir Herrn Voss noch beeindrucken können, dafür hat er zu deutlich auch von Lobbying gesprochen. Die anderen Abgeordneten, die wiedergewählt werden möchten, sind vermutlich bessere Ziele.
Viele Grüße
Robert