Hallo
Oft war aber auch davon zu lesen, dass man sich als Autor nicht vorschreiben lassen wolle, wie man schreibe, eben das, was nach den Aussagen offizieller Stellen niemals zur Debatte stand.
Das stimmt, das kann man als weinerlich auffassen.
zum man sich das selbst dann nciht vorschreiben lassen muss, wenn die neue Rechtschreibung für alle verbindlich gewesen wäre. Es gibt ja etwas wie "künstlerische Freiheit".
Nicht nur das. Wenn sie für alle verbindlich wäre, wäre sie es per Gesetz. Wie sollte das wohl durchgesetzt werden? Geld- oder – um es mal auf die Spitze zu treiben – Freiheitsstrafen für Schreibfehler? Eltern, die für schlechte Diktate ihrer Kinder haften? Carlo's Imbiss, der wegen der Verwendung des Deppenapostrophs im Schild im Schaufenster von der Rechtschreibpolizei gestürmt wird?
Schon eine Rechtschreibung per Gesetz festzulegen und zu -zurren, klingt irgendwie falsch. Sie per Gesetz verbindlich zu machen hieße aber auch Gesetzesübertretungen „zu schaffen“ und konsequenterweise sanktionieren zu müssen. Das klingt regelrecht hanebüchen.
Die Rechtschreibreform hat ja in vielen Fällen nicht mehr Logik gebracht, sondern weniger, indem sie einfach die Falschschreibungen von linguistisch ungebildeten Menschen ohne weiteren Grund als korrekte Schreibweise standardisierte mit der Absicht, weniger Rechtschreibfehler zu erhalten und der Begründung: die Sprache hat sich nun mal gewandelt, wir müssen die Wörterbücher den tatsächlichen Gegebenheiten anpassen.
Man hätte ja auch den umgekehrten Weg gehen können und versuchen, Sprache logischer und nachvollziehbarer zu machen. Das hätte mittelfristig vielleicht zu noch weniger Falschreibungen geführt.
Hat man nur nicht versucht.
Der Rechtschreibreform gingen jahrzehntelange Verhandlungen zwischen Delegationen von Kultur- und Kultusministerien, Linguisten und Germanisten aus der BRD, der DDR (solange es sie gab), der Schweiz, Österreich und Belgien voraus. Dass die sich nur mit dem nachgeben gegenüber dem Status Quo beschäftigt hätten, kann ich mir bei bestem Willen nicht vorstellen.
Naja, komischerweise wurden einige neuen Regeln im Laufe der letzten zwanzig Jahre wieder zurückgenommen.
Da sind also doch ein paar Befürchtungen eingetreten und haben die Notwendigkeit von Nachjustierungen gezeigt. Jenseits der Aufregung der ersten Jahre nach der Reform bemerkt man diese aber wohl erst dann, wenn man ein Wörterbuch bemühen muss und ein aktuelles zur Hand nimmt.
Keine Ahnung, warum die Nachjustierungen (die ich nicht schlimm finde, so etwas ist immer nötig bei großen Änderungen) weniger Unbehagen ausgelöst haben. Vermutlich liegt hier etwas ähnliches zugrunde, wie bei der Einwanderungsdebatte: neues (fremdes) ist doof, altes (bekanntes) ist super.
Ich stelle mal die Vermutung in den Raum, dass die Justierungen bei weitem nicht das Maß an Öffentlichkeit erreicht haben, das die Reform an sich hatte. Das ist wie Berichten über Skandale in der Presse, die sich im Nachhinein als Sturm im Wasserglas herausstellen. Den Aufreißer für den Skandal liest jeder, die Monate später erstrittene Gegendarstellung so gut wie keiner.
Wenn etwas bekanntes wiedereingeführt wird, stört das viel weniger Menschen, als wenn etwas neues kommt.
Stimmt schon, bedingt aber, dass man das überhaupt mitbekommt.
… die meisten neuen Worte kommen heutzutage ja üblicherweise auch ohne Zuwanderung aus dem englischsprachigen Raum. Welche afrikanischen oder arabischen Begriffe sind in den letzten Jahren in die deutsche Sprache eingesickert oder gar -geflossen?
Kanaksprech? Hip-Hop? Da gibt es schon einiges, was sich in der deutschen Sprache geändert hat, weil Menschen hier leben, die deutsch nicht als Muttersprache sprechen.
Ja, ok.
Einfluss kann sich - wie wir hier gerade in Bezug auf die Rechtschreibreform zu sehen - auf andere Schreibweisen, andere Grammatik, andere Wortwahl (Semmel in einer Gegend, wo die deutschen meist von Brötchen sprechen) ausdrücken, …
In Berlin ist selbst das Brötchen bei den wenigen verbliebenen Eingeborenen ein wenig benutztes Fremdwort, wir sagen Schrippe. Die Semmel aber, die man üblicherwiese mit Süddeutschland in Verbindung bringt, gab es bei in Berlin eingeborenen Bäckern solange ich denken kann (heute aber nicht mehr). Die hatte aber mit der süddeutschen und, wie ich im Wikipedia-Artikel lese, österrreichischen Semmel eher weniger zu tun. Die war zwar auch aus Weizenmehl, aber länglich statt rund und recht fest.
… auch eine andere Aussprache, die sich wiederum dann auf die Schreibweise auswirkt (so lange wir die korrekte Schreibweise nicht kennen, versuchen wir Worte wie Portemonnaie so zu schreiben, wie sie sich anhören).
Das ist jetzt konkret banales Unwissen unabhängig von der Herkunft und dem Umfeld der Schreiber.
Tschö, Auge
Eine Kerze stand [auf dem Abort] bereit, und der Almanach des vergangenen Jahres hing an einer Schnur. Die Herausgeber kannten ihre Leser und druckten den Almanach auf weiches, dünnes Papier.
Kleine freie Männer von Terry Pratchett