Linuchs: Beirut: Wie helfen, wenn Menschen in Not sind ...

Moin,

dass die Menschen im Libanon durch Wirtschaftskrisen und womöglich auch durch Korruption in Not sind, habe ich nicht wahrgenommen.

Am Di, 04.08.2020 erfolgte im Hafen von Beirut eine Mega-Explosion, vermutlich von 2.750 t explosivem Ammoniumsulfat. Mehrere hundert Tote und Tausende von Verletzten und Obdachlosen.

Irgendwie möchte ich helfen. Aber wie? Werden Geldspenden von den (angeblich) korrupten Politikern und Hilfsorganisationen kassiert? Jede Not ruft auch Gewinnler auf den Plan. Bei der Corona-Krise etwa die Versandhändler.

Ich möchte nicht, dass durch eine Spende von z.B. 100 € ein Unbekannter reicher wird und ein anderer Unbekannter verhungert oder medizinisch nicht versorgt werden kann.

Wie könnte man helfen?

2004 anlässlich des Tsunamis in Sri Lanka habe ich auf einer Webseite zu Spenden aufgerufen. Das Geld sollte ein Freund (dort geboren und aufgewachsen) mitnehmen und dort an verschiedene Projekte verteilen. Schule, Fischer, ...

Wir wollten die Spenden auf der Webseite veröffentlichen. Doch als die Spenden gegen 10.000 Euro gingen, bekam mein Freund Muffensausen. Im Internet wurde fröhlich verkündet, dass er mit einem Haufen Bargeld unterwegs sei. Er hatte Angst, beraubt zu werden und wir mussten leider die Spender und die Öffentlichkeit im Unklaren lassen, wieviel gespendet wurde.

Erst im Nachhinein eine Aufstellung der Spenden zu den vorher genannten Projekten.

Problem von Spenden:

Viele unserer Spender haben damals ihr Geld für Fischer bestimmt. Nun wurden Fischerboote in Auftrag gegeben, viel besser ausgerüstet als die verlorenen Boote. Die Fischer haben nun deutlich mehr gefangen als vorher, aber nicht die Abnehmer für den Zusatz-Fang gehabt.

Die Fischer haben dann Vertriebs-Genossenschaften gegründet. Klartext: Die Spenden haben nicht - wie eine Versicherung - den alten Stand wiederhergestellt, sondern neue Strukturen geschaffen mit womöglich neuen Gewinnlern.

Wie könnten Spenden in Richtung Libanon zuverlässig bedürftige, aber uns nicht bekannte Menschen erreichen?

fragt Linuchs.

  1. Hallo,

    dass die Menschen im Libanon durch Wirtschaftskrisen und womöglich auch durch Korruption in Not sind, habe ich nicht wahrgenommen.

    wahrscheinlich waren in den hiesigen Nachrichten andere Dinge "interessanter". Trotzdem ist auch immer wieder über die Lage im Libanon oder im bürgerkriegsgeplagten Syrien berichtet worden. Insofern habe ich es wohl wahrgenommen, aber nur aus der Ferne. Und darüber bin ich froh.

    Am Di, 04.08.2020 erfolgte im Hafen von Beirut eine Mega-Explosion, vermutlich von 2.750 t explosivem Ammoniumsulfat. Mehrere hundert Tote und Tausende von Verletzten und Obdachlosen.

    Ja. Aber passieren solche Katastrophen nicht andauernd irgendwo? Ich denke, es ist Zufall, dass diese Nachricht es gerade in die deutschen Nachrichten geschafft hat.
    PS: Gerade in der Tagesschau gehört: Bis jetzt 145 Todesopfer. Und es war Ammoniumnitrat. Sulfat hat kein so hohes Explosionspotential.

    Ich möchte nicht, dass durch eine Spende von z.B. 100 € ein Unbekannter reicher wird und ein anderer Unbekannter verhungert oder medizinisch nicht versorgt werden kann.

    Die vielen humanitären Organisationen, die zu Spenden aufrufen und angeblich damit die Not vor Ort lindern wollen, sind sehr unterschiedlich in ihrem Wirkungsgrad. Man sagt, dass gerade bei großen Organisationen wie dem Roten Kreuz oder auch den Kirchen ein großer Anteil der Spenden für die eigene Verwaltung, den Wasserkopf draufgeht. Andere wiederum haben den Ruf, dass die Spenden zu einem Großteil da ankommen, wo sie gebraucht werden - etwa Ärzte ohne Grenzen.
    Wirklich nachprüfen können wir das aber nicht, und so ist eine Spende an eine solche Organisation (auch zweckgebunden) immer auch ein bisschen Glückssache.

    2004 anlässlich des Tsunamis in Sri Lanka habe ich auf einer Webseite zu Spenden aufgerufen. Das Geld sollte ein Freund (dort geboren und aufgewachsen) mitnehmen und dort an verschiedene Projekte verteilen. Schule, Fischer, ...

    Ungeachtet der Schwierigkeiten und des Ausgangs: Du tust wirklich was. Das nötigt mir Respekt ab.

    Problem von Spenden:

    Viele unserer Spender haben damals ihr Geld für Fischer bestimmt. Nun wurden Fischerboote in Auftrag gegeben, viel besser ausgerüstet als die verlorenen Boote. Die Fischer haben nun deutlich mehr gefangen als vorher, aber nicht die Abnehmer für den Zusatz-Fang gehabt.

    Die Fischer haben dann Vertriebs-Genossenschaften gegründet. Klartext: Die Spenden haben nicht - wie eine Versicherung - den alten Stand wiederhergestellt, sondern neue Strukturen geschaffen mit womöglich neuen Gewinnlern.

    Tja ... wie die Spendengelder genau verwendet werden, kannst du in den meisten Fällen nicht im Detail steuern.

    Live long and pros healthy,
     Martin

    --
    Home is where my beer is.
  2. Hallo Linuchs,

    Die Fischer haben dann Vertriebs-Genossenschaften gegründet. Klartext: Die Spenden haben nicht - wie eine Versicherung - den alten Stand wiederhergestellt, sondern neue Strukturen geschaffen mit womöglich neuen Gewinnlern.

    Jede Katastrophe ist auch eine Chance. Sie bricht vorhandene Strukturen auf und ermöglicht Verschiebungen im Status Quo. Wer die Chance nutzt, gewinnt. Wer sie nicht nutzt, verliert. Das ist ein kalter Fakt, ohne Betrachtung der Frage, wie man Chancen ermöglichen kann. Spenden sollen dieser Kälte entgegenwirken und helfen, dass weniger Leute verlieren und mehr Leute Chancen bekommen.

    Dabei stehen die Chancen-Nutzer im Wettbewerb. Es ist unwahrscheinlich, dass jeder, der sich nach einer Katastrophe aufrappelt und um Verbesserung kämpft, damit Erfolg hat. Eine Spende erweitert oder verschiebt die Kräfte in diesem Wettbewerb. Das ist immer so und das kannst Du nicht vermeiden, wenn Du den Geschädigten vor Ort Geld zur Verfügung stellst.

    Das muss aber nicht schlecht sein. Ist der Kuchen "Fisch-Nachfrage" vielleicht so groß, dass ein erhöhtes Angebot ihn nicht übersteigt? In dem Fall gewinnen alle. Wenn die Genossenschaft dagegen Fischer vom Markt verdrängt, weil das Angebot die Nachfrage übersteigt, gibt es Verlierer.

    Ohne zu wissen, wie die Folgen waren, kannst Du die Wirkung deiner Spendenaktion nicht als gut oder schlecht beurtelen.

    Wenn Du die Verhältnisse vor Ort nicht ungesteuert verschieben willst, dann solltest Du so spenden, dass neutrale Hilfe geleistet wird. Das Rote Kreuz oder andere Hilfsorganisationen haben sicherlich Verwaltungskosten, aber dafür auch Leute vor Ort, die auf die ausgewogene Spendennutzung achten. Hoffe ich zumindest.

    Rolf

    --
    sumpsi - posui - obstruxi
  3. Vielleicht interessant, wie es gehen könnte.

    2006 war ich selbst in Sri Lanka. Meine Mutter hatte mir 100 € mitgegeben für Bedürftige. Das ist (war) dort recht viel Geld. Reichte gefühlt für ein Dach.

    Ich lernte beim Einkaufen eine Familie kennen, die ihr zerstörtes Haus weder aufbaute. Eine Schweizer Organisation gab etwas Geld und überzeugte sich nach ein paar Wochen, dass der Bau vorangekommen ist. Dann gab es die nächste Rate. Diese „Kontrolle“ habe ich nie von anderen Organisationen gehört.

    Ich gab also die 100 € ab, hielt per Mail Kontakt zu den Leuten, die sich bei meiner Mutter bedankten. Dann kam heraus, dass sie dieses Geld nicht in ihren Bau gesteckt haben, sondern als Schulgeld für ihren Sohn verwendeten. Ein paar Monate (ich glaube sogar, ein ganzes Jahr) war seine Bildung gesichert.

    Wir hatten keinen Vertrag geschlossen und im Nachhinein fand ich es sogar pfiffig, Hab und Gut nur so weit wie nötig zu finanzieren, aber in die Zukunft investieren.

    Linuchs