Erbsensuppe: Satellit um den Lagrange-Punkt

Ein wenig Füsik am Sonntag:

Warum kann das James-Webb Teleskop um einen Lagrange-Punkt kreisen? Der hat doch gar keine Masse...

Das Stichwort "Halo-Orbit" habe ich zwar gefunden, aber nicht verstanden.

  1. Aber anderes Zeug das da rumfliegt hat Masse. Die wirkt in Summe so auf den Satelliten als käme sie vom Lagrange Punkt.

    Stell dir einen gleichmäßig geformten Ring vor. Der Schwerpunkt dieses Rings ist in der Mitte, obwohl da keine Masse ist.

    1. Hallo encoder,

      ich glaube nicht, dass das die Erklärung ist. Das andere Zeug ist wegen des Lagrange-Punktes da, und nicht der Lagrange-Punkt wegen des anderen Zeugs.

      Eine richtige Erklärung habe ich aber auch nicht.

      Rolf

      --
      sumpsi - posui - obstruxi
      1. Du hast zwei schwere Massen, dazwischen eine Line. Irgendwo auf dieser Line (wo hängt von den Massen ab) liegt der eigentliche Lagrange-Punkt, an dem sich die Anziehungskräfte dieser beiden(¹) Massen auf eine dritte, leichtere Masse (Satellit), aufheben.

        Bringt man jetzt einen vergleichsweise massearmen Körper (den Satellit) auf diesen Punkt, dann würde er schweben. Es gibt ein „Aber“ im letzten Abschnitt.

        Wenn man den kleinen Körper aber etwas (um ca. 90′, wenn die beiden Hauptmassen etwa gleich schwer sind) neben den Lagrange-Punkt setzt, wirkt die Anziehungskraft in Richtung Lagrange-Punkt. Genau wie bei einem Seil, welches an zwei Enden (mit einem Abstand voneinander) gezogen wird: Dann wirken die Kräfte auf gezogenen Körper in der Mitte des Seiles in der Summe in Richtung eines Punktes, der zwischen den Enden liegt.

        Zurück zum Lagrange-Punkt: Weicht man also von dem gering ab, dann hat man zwei Anziehungskräfte, die sich so summieren, dass diese in Richtung Lagrange-Punkt wirken. In einer senkrechten zur Verbindungsline zwischen den Hauptmassen liegenden „Ebene“ (die bei unterschiedlich großen Hauptmassen durchaus auch stark gewölbt sein kann) kann man also einen Satellit um den Lagrange-Punkt kreisen lassen.

        Das sollte man wohl ohnehin tun, weil die Lagrange-Punkte im Hinblick auf die Wirkung weiterer Massen (Jupiter!) im Sonnensystem weniger fixiert sind als in einem „2 große, 1 kleine Masse“-Modell. Durch das Kreisen kann man dem zum Teil begegnen und muss weniger nachsteuern, was erheblich Treibstoff spart. Angenehmer Nebeneffekt: Man kann an einem Lagrange-Punkt mehrere Satelliten unterbringen.


        ¹) In der Realität ist es wohl etwas komplizierter…

        1. Du hast zwei schwere Massen, dazwischen eine Line. Irgendwo auf dieser Line (wo hängt von den Massen ab) liegt der eigentliche Lagrange-Punkt, an dem sich die Anziehungskräfte dieser beiden(¹) Massen auf eine dritte, leichtere Masse (Satellit), aufheben.

          Das würde mir für den LP1 auch einleuchten, denn er liegt zwischen Sonne und Erde. Aber das J-W-Teleskop kreist um den LP2 und der liegt außerhalb der Erdbahn. M.W. sind hier die Gravitationskräfte von Erde und Sonne auch gleich, AAABER: sie ziehen in die gleiche Richtung...

          Dann wirken die Kräfte auf gezogenen Körper in der Mitte des Seiles in der Summe in Richtung eines Punktes, der zwischen den Enden liegt.

          Das leuchtet ein (für den LP1). Im Physikunterricht nannten wir diese Kraft die "Resultierende". Da haben wir immer lustige Parallelogramme gezeichnet.

          1. Hi,

            Aber das J-W-Teleskop kreist um den LP2 und der liegt außerhalb der Erdbahn.

            das ist tatsächlich überraschend, denn nach meinem Verständnis gibt es in L1, L2 und L3 nur ein labiles Gleichgewicht, und nur in L4 und L5 ein stabiles.

            M.W. sind hier die Gravitationskräfte von Erde und Sonne auch gleich, AAABER: sie ziehen in die gleiche Richtung...

            Genau. Das muss also durch den Abstand Erde-L2 kompensiert werden: Die Summe der Gravitationskräfte von Erde und Sonne, die in derselben Richtung wirken, muss der Fliehkraft die Waage halten.

            Einen schönen Tag noch
             Martin

            --
            "Was sind denn das für Beeren?" - "Das sind Blaubeeren." - "Warum sind sie dann rot?" - "Weil sie noch grün sind."
          2. Hallo Erbsensuppe,

            M.W. sind hier die Gravitationskräfte von Erde und Sonne auch gleich, AAABER: sie ziehen in die gleiche Richtung...

            Äh, nein. Am Lagrangepunkt 2 bewegt sich ein Körper mit der gleichen Winkelgeschwindigkeit wie die Erde, aber außerhalb der Erdbahn. D.h. er ist „zu schnell“ für seinen Bahnradius und wird deshalb auf Grund seiner Massenträgheit stärker nach außen getrieben, als die Sonne ihn halten kann.

            Diesen Trieb nach Außen nennt man landläufig auch Zentrifugalkraft, und die Gegenkraft ist die Summe aus Sonnen- und Erdgravitationskraft.

            Rolf

            --
            sumpsi - posui - obstruxi
          3. AAABER: sie ziehen in die gleiche Richtung...

            Die von Martin und Rolf genannte Zentrigualkraft (a.k.a. Fliehkraft) wirkt stets nach außen. Hier zieht also die Fliehkraft nach außen, vor allem aber die Erde zieht den Satellit auf die Line bzw. den Punkt.

            Schauen wir auf die möglichen Abweichungen:

            A) Abweichungen in der Höhe:

            Kommt der Satellit zu nah übersteigt, weil die absolute Geschwindigkeit ja beibehalten wird und also die Winkelgeschwindigkeit steigt, die Fliehkraft die Anziehungskraft, der Satellit steigt auf. Entfernt er sich zu weit, veringert sich dadurch die Winkelgeschwindigkeit und also die Fliehkraft, der Satellit sinkt wieder. Hier haben wir also ein Gleichgewichts-Pendeln auf einer (sich freilich um die Sonne drehenden) Linie (Sonne→Erde→Satellit)

            B) Abweichungen zur Seite:

            Bei Abweichungen zur Seite wird die gesamte, in Richtung Sonne wirkende Anziehung (von Erde und Sonne auf den Satellit) geringer, dafür haben wir eine Kraft Richtung Erde, die also auch Richtung der Linie Sonne-Erde-Idealpunkt wirkt. Der Satellit würde zunächst aufsteigen, sich dabei zentrieren, der Aufstieg würde wieder gebremst und zu einem Abstieg. Dann aber würde durch die Trägheit die seitliche Bewegung fortgesetzt, der Satellit entfernt sich wieder von der Linie Sonne-Erde-Idealpunkt, die zentrierend wirkende Kraft nimmt (wegen des sich verändernden Winkels) zu und das Spiel (auch ein Gleichgewichts-Pendeln) beginnt von vorn.

            Wir haben also ein Pendeln zur Seite und ein (wenngleich aus anderen Gründen) synchrones Pendeln in der Höhe.

            Man kann diese kreisförmige Korkenzieherlocke (in der Gesamtsicht auf das als fix betrachtete Sonnensystem) durchaus als „Kreisen“ ansehen. Betrachtet man auch die Linie Sonne-Erde-Idealpunkt als fix, dann ist es tatsächlich fast ein Kreis.

            1. sehr geil, das... 😉 Gut erklärt.

      2. Hallo miteinander,

        ich glaube nicht, dass das die Erklärung ist. Das andere Zeug ist wegen des Lagrange-Punktes da, und nicht der Lagrange-Punkt wegen des anderen Zeugs.

        ja, richtig. In diesem Fall rechnen wir aber mal das Teleskop auch zu "anderes Zeug".

        Eine richtige Erklärung habe ich aber auch nicht.

        So wie ich die Erklärung in der Wikipedia verstanden habe, entsteht durch die Überlagerung der Gravitation von Zentralgestirn und Trabant ein Schwerkraftfeld, das in den Lagrange-Punkten L4 und L5 ein stabiles Gleichgewicht erzeugt. Ein massearmer Körper kann daher um einen der genannten Lagrange-Punkte eine stabile Umlaufbahn mit verhältnismäßig kleinem Radius haben. Im Extremfall hat diese Umlaufbahn den Radius Null und der Körper ist durch die Gravitation exakt auf dem Lagrange-Punkt gefangen.

        Einen schönen Tag noch
         Martin

        --
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  2. Hi there,

    Warum kann das James-Webb Teleskop um einen Lagrange-Punkt kreisen? Der hat doch gar keine Masse...

    Das stimmt, aber man muß das aus der Dynamik der an diesem Punkt vorherrschenden Kräfte verstehen.

    Jeder stabile, "kreisförmige" Orbit in einer bestimmten Entfernung zu einer Zentralmasse bedingt eine bestimmte Geschwindigkeit. Das ist zB bei der Erde genau ein Jahr in einer Entfernung von ca. 150.000.000km. Dass sich das JWST in einer größeren Entfernung (~ 1 Million Kilometer mehr) ebenfalls in genau einem Jahr einmal um die Sonne bewegen kann ist am L2-Punkt deshalb möglich, weil sich in diesem Punkt die Anziehungskräfte von Sonne und Erde im dafür nötigen Maß addieren. Ohne diese Kräfteaddition wäre eine Masse in diesem Abstand von der Sonne für einen kreisförmigen Abstand zu schnell.

    Denk Dir das Kreisen um diesen Punkt einfach als eine Art Pendeln - wenn die Masse, in dem Fall das JWST, etwas schneller ist als der L-Punkt, dann läuft er vor, wird aber von der Masse Erde-Sonne wieder "zurückgezogen". Das gleiche passiert dann in umgekehrter Richtung, wenn er nachläuft, wird er vom System Erde-Sonne wieder beschleunigt. Das ist am L2-Punkt nicht endlos stabil, deshalb müssen an diesem Punkt immer wieder (kleine) Kurskorrekturen durchgeführt werden...

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