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Hallo Janosch,

wenn Du Selfhtml abgeschrieben hast - dann ist das deine Entscheidung.

Wenn Du die Kompetenz der Wiki-Autoren als unzureichend ansiehst - dann ist das deine Bewertung.

Aber wenn Du meinst, dass Selfhtml ohne Dich nicht existieren kann und deshalb solange schlechtgeredet werden muss, bis sich alle abgewendet haben, dann bin ich überhaupt nicht amüsiert. Denn das tust Du zur Zeit.

Matthias meinte neulich, mich in einer PN auf den Hintergrund von Stefan Münz hinweisen zu müssen: Germanistik. Demnach hätte es Selfhtml niemals geben dürfen. Mehr Inkompetenz für Informatik als bei einem Germanistikstudenten würde ich höchstens bei (use prejudice of your choice) erwarten. Aber hey - es war ein Erfolgsprodukt. Da stimmt also was bei der Grundannahme nicht.

Was dabei herauskommt, wenn ein Frontend-Experte versucht, Anfängern die Web-Welt zu erklären, kann man bei Gunnar sehen: hohe Kompetenz, aber alles muss rein, didaktische Reduktion ist Teufelszeug (der Anfänger könnte ja vorzeitig verschwinden und dann sagen: jetzt kann ich's). Da lobe ich mir doch Lehrer und Germanisten, die sich noch daran erinnern, dass sie selbst erstmal Bauklötze staunend vor dem Thema gestanden haben. Ich selbst bin ja so ein Hybridwesen, ich sehe mich als "Full-Multistack"-Entwickler, einer der schlimmsten Sorte, der alles kann (Browser, Webserver, Windows UI, Windows Service, Windows CMD, Großrechner), aber nichts richtig.

Meine persönliche Zweifelsfrage ist hingegen: ist der Satz "Everyone is a publisher" richtig? Ist er jemals richtig gewesen, oder war das immer nur eine Vision? Ist jemand, der über WhatsApp oder Instagram oder X, Y, Z Bilder und Memes teilt, ein Publisher? Oder einfach nur ein Produzent digitalen Rauschens? Dem Label "Publisher" würde ich gewisse Qualitätsansprüche zuschreiben wollen, und die Leute, die diese Ansprüche haben, hatten früher gar keine andere Wahl, als ihre Website selbst zu schreiben. Weil es Wordpress oder Facebook noch gar nicht gab. Okay, den digitalen Müllproduzenten geht es genauso.

Die digitalen Müllproduzenten dürften heute zum größten Teil bei Facebook, Instagram, Youtube und Tiktok sitzen. Die haben nämlich keine Lust auf eine eigene Website und wollen nur Werbeeinnahmen abgreifen. Die digitalen Müllschlucker, die diesen Müll konsumieren (Fails of the Year etc) und sich an die Werbetreibenden verkaufen, ebenso.

Die anspruchsvollen Inhaltsproduzenten, die ihre Website selbst schreiben, sind aber ebenfalls nur noch dünn gesät. Das Erstellen einer Website von Grund auf, mit HTML, CSS, JS, PHP und SQL, ist heute ein Hobby oder professionelle Arbeit von Expertenteams. Das kann man mit der Küchenarbeit früher und heute vergleichen. Vor 100 Jahren gab's keine Convenience-Produkte oder Fertiggerichte, da machte man alles komplett selbst. Und genau so, wie man heute Käse in Scheiben oder TK-Gemüse oder komplette Fertigmahlzeiten kaufen kann, kann man heute auch Fast-Fertig-Webseiten kaufen[1]. Und genau das merken wir an unserer Selfhtml-Kundschaft.

Wir sind in einer Nische gelandet. Ja. Gut. Und? Heulen muss ich deswegen nicht. Jeder Frontendexperte guckt lachend auf das, was ich so kann. Nachdem Du und Felix eine Riesen-Webapplication für Schulen gestemmt habt, seid ihr beiden vermutlich deutlich kompetenter als ich. Ihr habt das "Everyone is a publisher" geglaubt und seit den Weg weiter gegangen. Und jetzt steht ihr in eurer eigenen Ecke und kommt nicht mehr raus, weil es ein Berg Arbeit ist. Genau das merken auch die anderen, die das geglaubt und sich auf den Weg gemacht haben. Ab einem gewissen Punkt muss man sich professionalisieren und kommt alleine nicht mehr weiter. Und dann hat man keine Zeit mehr für irgendwas und muss sich entscheiden. Entweder investiert man die Zeit und treibt das Projekt weiter, oder man merkt, dass der Preis zu hoch ist und macht was ganz anderes. In beiden Fällen ist das Thema "Webentwicklung als Nebenbei-Beschäftigung" tot. Auch das hat uns Leser und Autoren gekostet.

Unter diesem Gesichtspunkt ist die Frage, ob Selfhtml relevant ist, schon interessant. Nämlich: für wen ist es relevant. Für unsere Leser? Für uns selbst? Schreiben Matthias und ich murrend und widerwillig, bleiben aber dabei, weil Selfhtml so unglaublich wichtig ist? Oder tun wir das, weil uns das Zusammenstellen dieser Informationen Spaß macht und es durchaus noch ein paar Leute gibt, die das nutzen?

Rolf

--
sumpsi - posui - obstruxi

  1. Wir müssen nicht drüber diskutieren, wo dieser Vergleich überall hinkt... ↩︎

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