Stonie: das Netz und sein SPIEGEL

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Hallo, Forum, hallo Stefan!

Junge, Junge, das ist mal wieder eine Frage zum 'reinbeissen. *G* Also denn:

Neue Medien sind für den Menschen an sich immer schon unheimlich gewesen. Man denke nur mal an die
heute nur noch müde belächelten wilden Gerüchte um die Eisenbahn ("bei der Geschwindigkeit muss doch
die Lunge platzen!"). Ich kann mich auch gut erinnern, dass meine Oma jedesmal furchtbar erschrocken ist,
wenn das Telefon klingelte und den Hörer nur mit ganz spitzen Fingern anfasste. Jetzt ist es also das Inter-
net, das die Aufregung verursacht. Ich denke, dass auf lange Sicht ein Internetanschluss ebenso selbstver-
ständlich in jedem Haushalt zu finden sein wird wie ein Telefon oder ein Fernseher. Der Knackpunkt ist die
Interaktivität - die Möglichkeit zur Teilnahme an dem, was einem dort geboten wird, ja sogar selbst zum An-
bieter von Information werden zu können. Das ist der Punkt, der, rein wirtschaftlich gesehen, nachgerade
gefährlich ist.

Bis uns das Internet beschert wurde, waren wir ja alle auf der Konsumentenseite gefangen. Eigene Gedan-
ken an die Öffentlichkeit zu bringen war schier unmöglich, weil zu teuer. So waren wir alle Re-Agierende,
andere handelten, wir haben darauf geantwortet - durch verändertes Verhalten oder, wesentlich direkter,
durch die Leserbriefe, die zu schreiben uns nur das Porto kostete. Die Erziehung hin auf den Konsum der
Produkte, Leistungen, Gedanken Anderer macht uns manipulierbar und somit ausgesprochen bequem für
jeden Anbieter. Das ist selbstverständlich ein sehr unerwünschter Nebeneffekt. Und also werden die Anbie-
ter von Produkten, Leistungen, Gedanken immer eine Möglichkeit suchen, uns, die Nutzer dieser "neuen
Technologie", wieder in's Konsumentenkorsett zu zwingen. Medienredakteure, vor allen Dingen diejenigen,
die eben nicht "vom Fach" sind, sind für diesen Zweck ausgesprochen geeignete Helferlein. Denn eine Story
ist nur dann eine Story, wenn man sie als erster bringt. Also wird nichts richtig ausrecherchiert, sehr, sehr
selten hinter die Kulissen geguckt und nachgeplappert. Zum Teil auch bewusst in die Richtung berichtet,
die vom Auftrag-(Arbeit-)geber gewünscht wird.

Ob diese Rechnung der Anbieter aufgeht - ich weiss es nicht. Natürlich wollen sie diese Plattform für ihre
Zwecke nutzen und auf jeden Fall wollen sie den Nutzern des Internet ihre Bedingungen auferlegen. Klar,
denn hier kann viel Geld verdient werden. Und diese Leute haben Macht in Form von Geld. Also ahne ich,
dass sie gute Chancen haben, das Internet für sich zu vereinnahmen bevor die Mehrheit der ach so mündigen
Bürger aus dem Konsumdornröschenschlaf erwacht. Denn wir, die wir hier und jetzt schon aktiv teilnehmen,
sind ja nur eine ganz kleine Anzahl potentieller Konsumenten. Die Frage ist: Werden wir es schaffen, so
öffentlich zu werden, dass wir eine signifikante Anzahl von Dornröschen aus dem Schlaf küssen können?
Und da liegt nun unsere Verantwortung: Wir müssen laut sein, wir müssen sichtbar werden - und wir dürfen
trotzdem um Himmels willen nicht albern und bzw. oder unglaubwürdig wirken. Gratwanderung. Aber wenn
wir das nicht schaffen, werden wir es auf lange Sicht wohl mit zwei Internetzen zu tun haben: Dem
"Indianernetz" für die unverbesserlichen, informationswütigen Nutzer, die auf Schleichpfaden auf die Server
rund um die Welt zugreifen, weil sie so gerne etwas wissen wollen und dem "Konsumentennetz" für die
ebenso unverbesserlichen "ich-kauf-mir-was"-Konsumenten, die um jeden Preis haben wollen, was sie
kriegen können, ohne sich von der Stelle bewegen zu müssen.

So, das denke ich mir mal so zum Thema. Schönes Wochenende zusammen!

Stonie