Stefan Muenz: Die Zukunft von OpenSource

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Hallo Achim,

Eine Publikation, die sich mit der zukünftigen Entwicklung und den Chancen des OpenSource-Gedankens kritisch auseinandersetzt, will ich Euch nicht vorenthalten:

http://www.oc4netbusiness.org/publications/?oc4pn=11de1

Wirklich lesenswert! Wichtig erscheint mir schon mal folgende Aussage daraus:

"Die Zukunft von Free Software wird davon abhängen, in wie weit es gelingt, nach innen und nach außen zu vermitteln, dass Open Source nicht mehr nur subversiv ist, sondern dass es auch ein konstruktives  und fortschrittliches gesellschaftliches Konzept ist. Gegenwärtig definiert sich die Identität der Free Software Bewegung immer noch stark über das, was man ablehnt; zwar immer weniger in der Eigenwahrnehmung, dafür aber nach wie vor in der Außenwahrnehmung."

Diese Identitaetsbildung durch Ablehnung kann man - auch hier im Forum - bei manchen Linux- und Mozilla-Verfechtern sehr schoen beobachten. Da wird sich dann zu Behauptungen verstiegen wie der, Windows sei benutzerunfreundlich, oder der Internet Explorer koenne keine Webseite richtig anzeigen. Damit ist sich der so Redende des Beifalls seiner Streitgenossen sicher. Nur eines verkennt er: viele Menschen finden Windows durchaus sehr benutzerfreundlich, und viele surfen mit dem Internet Explorer, weil man damit prima durchs Web kommt. Was also gewinnt man mit solchen Pauschalverdammungen nach aussen hin? Nichts - im Gegenteil! Man zementiert Grenzen, die eigentlich geoeffnet werden sollten, damit mehr Leute sich auch mal auf die "andere Seite" trauen.

Weiterhin wichtig finde ich dieses Thema (wieder zitiert):

"Welche Vorzüge ein Geschäftskonzept auf Basis von Open Source Softwareentwicklung haben kann und wie solche Geschäftskonzepte aussehen könnten ist den meisten Unternehmen noch unbekannt."

Es gibt nun mal nicht nur Leute, die Software entwickeln, weil sie gerade ein Semester lang blau machen und die Kohle ja von Papa kommt. Es gibt auch Leute, die den berechtigten Wunsch haben, von Software-Entwicklung leben zu koennen. In der Aussendarstellung und Aufklaerung, die Aufgabe der OpenSource-Bewegung ist, sollte deshalb auch mal ordentlich erklaert werden, wie es moeglich ist, mit freier Software trotzdem Geld zu machen. Das Thema Wirtschaftlichkeit solle von der OpenSource-Bewegung nicht als "kapitalistischer Unsinn" abgetan und verdraengt werden, sondern es sollte in die Aufklaerungsarbeit integriert werden. Man kann eine breitere Masse nur erreichen, wenn man auch ihrem Denken entgegen kommt - und da Geld in diesem Denken nun mal eine grosse Rolle spielt, muss man eben auch ueber Geld zu reden verstehen, wenn man so einen Gedanken begreiflich machen will.

Und noch ein letztes Zitat meinerseits aus dem Artikel:

"Die Art und Weise, wie sich die Open Source Community organisiert, wie die Mitglieder dieser Community miteinander kommunizieren und arbeiten, wie jeder Einzelne in einem Open Source Projekt dazu lernt - dies alles könnte in unseren Augen ein Vorbild für viele andere gesellschaftliche Bereiche sein. Dies weltweit, da es sich um eine globale Community handelt."

Wir hatten hier schon mal einen Thread (ich hab ihn leider nicht mehr gefunden im Archiv), wo es um die Uebertragbarkeit des Opensource- bzw. Free-Software-Foundation-Modells auf andere Wirtschaftszweige ging. Bevor man ueber die Vorbildfunktion fuer andere Bereiche oder gar ueber Uebertragbarket redet, sollte man aber doch lieber noch mal einen kritischen Blick auf das werfen, was da als die Art und Weise der Organisation und Kommunikation angepriesen wird. So viel kenne ich davon nicht, dass ich mir ein allgemeines Urteil darueber erlauben koennte - aber ich habe es neulich schon mal in einem anderen Thread angesprochen: dass beispielsweise Perl immer mehr das Nachsehen gegenueber PHP hat, liegt nicht nur an den anderen, fuer Anfaenger vielleicht schwerer zu verstehenden Software-Konzepten. Es liegt meines Erachtens auch zu einem Teil am Gebaren der Perl-Community, das auf aussenstehende Normal-User, die aus der Windows-Welt kommen, einfach abschreckend wirkt (Motto: "wer perldoc nicht versteht, sollte besser gleich wieder abhauen"). Mag sein, dass das sogar gewollt ist - aber so wirds halt nix mit dem Erfolg. PHP wird einfach auch besser "verkauft" (im Sinne von Oeffentlichkeitsarbeit).

Insgesamt finde ich es deshalb auf jeden Fall gut und wichtig, dass der Artikel sich mal in freundlicher Absicht selbstkritisch mit der Open-Source-Bewegung auseinandersetzt. Denn der Hass auf die boese Microsoft-Welt mag zwar identitaetsbildend wirken, aber nach aussen hin ist er absolut kontraproduktiv und erreicht das Gegenteil des Gewuenschten (sofern das Gewuenschte tatsaechlich eine groessere Verbreitung von Open Source ist).

viele Gruesse
  Stefan Muenz