Die Zukunft von OpenSource
Achim Schrepfer
- meinung
Hallo Gemeinde,
immer wieder gibt es Diskussionen über den Sinn und Unsinn von OpenSource-Softwareentwicklung. Meiner Meinung nach könnten die Ansätze der OpenSource-Community durchaus Vorbild für viele andere gesellschaftliche Bereiche werden. Doch bis dahin sind natürlich noch viele Hürden zu überwinden und vor allem muss der nicht Insider-Teil der Gesellschaft erst einmal verstanden haben, was OpenSource überhaupt ist und welche Ziele die Community verfolgt. Eine Publikation, die sich mit der zukünftigen Entwicklung und den Chancen des OpenSource-Gedankens kritisch auseinandersetzt, will ich Euch nicht vorenthalten:
http://www.oc4netbusiness.org/publications/?oc4pn=11de1
Dem Fazit des Artikels kann ich nur beipflichten. Wie denkt ihr darüber?
viele Grüsse
Achim Schrepfer
Hallo Achim,
Eine Publikation, die sich mit der zukünftigen Entwicklung und den Chancen des OpenSource-Gedankens kritisch auseinandersetzt, will ich Euch nicht vorenthalten:
Wirklich lesenswert! Wichtig erscheint mir schon mal folgende Aussage daraus:
"Die Zukunft von Free Software wird davon abhängen, in wie weit es gelingt, nach innen und nach außen zu vermitteln, dass Open Source nicht mehr nur subversiv ist, sondern dass es auch ein konstruktives und fortschrittliches gesellschaftliches Konzept ist. Gegenwärtig definiert sich die Identität der Free Software Bewegung immer noch stark über das, was man ablehnt; zwar immer weniger in der Eigenwahrnehmung, dafür aber nach wie vor in der Außenwahrnehmung."
Diese Identitaetsbildung durch Ablehnung kann man - auch hier im Forum - bei manchen Linux- und Mozilla-Verfechtern sehr schoen beobachten. Da wird sich dann zu Behauptungen verstiegen wie der, Windows sei benutzerunfreundlich, oder der Internet Explorer koenne keine Webseite richtig anzeigen. Damit ist sich der so Redende des Beifalls seiner Streitgenossen sicher. Nur eines verkennt er: viele Menschen finden Windows durchaus sehr benutzerfreundlich, und viele surfen mit dem Internet Explorer, weil man damit prima durchs Web kommt. Was also gewinnt man mit solchen Pauschalverdammungen nach aussen hin? Nichts - im Gegenteil! Man zementiert Grenzen, die eigentlich geoeffnet werden sollten, damit mehr Leute sich auch mal auf die "andere Seite" trauen.
Weiterhin wichtig finde ich dieses Thema (wieder zitiert):
"Welche Vorzüge ein Geschäftskonzept auf Basis von Open Source Softwareentwicklung haben kann und wie solche Geschäftskonzepte aussehen könnten ist den meisten Unternehmen noch unbekannt."
Es gibt nun mal nicht nur Leute, die Software entwickeln, weil sie gerade ein Semester lang blau machen und die Kohle ja von Papa kommt. Es gibt auch Leute, die den berechtigten Wunsch haben, von Software-Entwicklung leben zu koennen. In der Aussendarstellung und Aufklaerung, die Aufgabe der OpenSource-Bewegung ist, sollte deshalb auch mal ordentlich erklaert werden, wie es moeglich ist, mit freier Software trotzdem Geld zu machen. Das Thema Wirtschaftlichkeit solle von der OpenSource-Bewegung nicht als "kapitalistischer Unsinn" abgetan und verdraengt werden, sondern es sollte in die Aufklaerungsarbeit integriert werden. Man kann eine breitere Masse nur erreichen, wenn man auch ihrem Denken entgegen kommt - und da Geld in diesem Denken nun mal eine grosse Rolle spielt, muss man eben auch ueber Geld zu reden verstehen, wenn man so einen Gedanken begreiflich machen will.
Und noch ein letztes Zitat meinerseits aus dem Artikel:
"Die Art und Weise, wie sich die Open Source Community organisiert, wie die Mitglieder dieser Community miteinander kommunizieren und arbeiten, wie jeder Einzelne in einem Open Source Projekt dazu lernt - dies alles könnte in unseren Augen ein Vorbild für viele andere gesellschaftliche Bereiche sein. Dies weltweit, da es sich um eine globale Community handelt."
Wir hatten hier schon mal einen Thread (ich hab ihn leider nicht mehr gefunden im Archiv), wo es um die Uebertragbarkeit des Opensource- bzw. Free-Software-Foundation-Modells auf andere Wirtschaftszweige ging. Bevor man ueber die Vorbildfunktion fuer andere Bereiche oder gar ueber Uebertragbarket redet, sollte man aber doch lieber noch mal einen kritischen Blick auf das werfen, was da als die Art und Weise der Organisation und Kommunikation angepriesen wird. So viel kenne ich davon nicht, dass ich mir ein allgemeines Urteil darueber erlauben koennte - aber ich habe es neulich schon mal in einem anderen Thread angesprochen: dass beispielsweise Perl immer mehr das Nachsehen gegenueber PHP hat, liegt nicht nur an den anderen, fuer Anfaenger vielleicht schwerer zu verstehenden Software-Konzepten. Es liegt meines Erachtens auch zu einem Teil am Gebaren der Perl-Community, das auf aussenstehende Normal-User, die aus der Windows-Welt kommen, einfach abschreckend wirkt (Motto: "wer perldoc nicht versteht, sollte besser gleich wieder abhauen"). Mag sein, dass das sogar gewollt ist - aber so wirds halt nix mit dem Erfolg. PHP wird einfach auch besser "verkauft" (im Sinne von Oeffentlichkeitsarbeit).
Insgesamt finde ich es deshalb auf jeden Fall gut und wichtig, dass der Artikel sich mal in freundlicher Absicht selbstkritisch mit der Open-Source-Bewegung auseinandersetzt. Denn der Hass auf die boese Microsoft-Welt mag zwar identitaetsbildend wirken, aber nach aussen hin ist er absolut kontraproduktiv und erreicht das Gegenteil des Gewuenschten (sofern das Gewuenschte tatsaechlich eine groessere Verbreitung von Open Source ist).
viele Gruesse
Stefan Muenz
Hallo,
Diese Identitaetsbildung durch Ablehnung kann man - auch hier im Forum - bei manchen Linux- und Mozilla-Verfechtern sehr schoen beobachten. Da wird sich dann zu Behauptungen verstiegen wie der, Windows sei benutzerunfreundlich, oder der Internet Explorer koenne keine Webseite richtig anzeigen. Damit ist sich der so Redende des Beifalls seiner Streitgenossen sicher. Nur eines verkennt er: viele Menschen finden Windows durchaus sehr benutzerfreundlich, und viele surfen mit dem Internet Explorer, weil man damit prima durchs Web kommt. Was also gewinnt man mit solchen Pauschalverdammungen nach aussen hin? Nichts - im Gegenteil! Man zementiert Grenzen, die eigentlich geoeffnet werden sollten, damit mehr Leute sich auch mal auf die "andere Seite" trauen.
Das sollte man aber an sich abprallen lassen. Wir arbeiten mit Windows (NT/W2K), MacOS und Linux und irgendwie hat man auf jedem System seine Freude bzw. seinen Frust oder anders gesagt: Mein Bedarf an Glaubenskriegen ist fuer Jahre gestillt und war auch noch nie besonders ausgepraegt.
Gerade gestern habe ich die DOM-Methoden getElementById(), getElementsByTagName() und getElementsByName() behandelt und in der Einfuehrung darauf verwiesen, dass der sich auf die 1.0 zubewegende Mozilla diese Techniken versteht und ich sah einige Leute (Informatikstudenten) grinsen und im zweiten Satz kam dann: Der IE kann das schon seit 1999. Der dritte Satz hatte dann zum Inhalt, dass man diese Methoden nun auch in SELFHTML 8.0 findet ...
Etwas mehr Objektivitaet wuerde uns generell gut tun, wobei 12 Jahre Windows natuerlich Spuren hinterlassen ;-).
MfG, Thomas
Hallo Stefan,
Diese Identitaetsbildung durch Ablehnung kann man - auch hier im Forum - bei manchen Linux- und Mozilla-Verfechtern sehr schoen beobachten. [...] Was also gewinnt man mit solchen Pauschalverdammungen nach aussen hin? Nichts - im Gegenteil! Man zementiert Grenzen, die eigentlich geoeffnet werden sollten, damit mehr Leute sich auch mal auf die "andere Seite" trauen.
das deckt sich völlig mit meiner Meinung. So ähnlich kommt das, denke ich, hier auch rüber </archiv/2002/3/7784/>. Leider wurde der Thread nie richtig ausdiskutiert. Jedenfalls wäre es für die OpenSource-Community ein grosser Zugewinn, wenn sie nicht selbst viele potenzielle "Neu-Anhänger" und Nutzer mit pauschalen Unfähigkeitsbescheinigungen vor die Tür setzen würde.
[...] Das Thema Wirtschaftlichkeit solle von der OpenSource-Bewegung nicht als "kapitalistischer Unsinn" abgetan und verdraengt werden, sondern es sollte in die Aufklaerungsarbeit integriert werden. Man kann eine breitere Masse nur erreichen, wenn man auch ihrem Denken entgegen kommt - und da Geld in diesem Denken nun mal eine grosse Rolle spielt, muss man eben auch ueber Geld zu reden verstehen, wenn man so einen Gedanken begreiflich machen will.
Leider kommt gerade beim Thema Wirtschaftlichkeit auch oft das Missverständis auf, man wolle OpenSource als _die_ neue Möglichkeit verkaufen, mit wenig Arbeit das grosse Geld zu machen. Solchen Hypes wird ja gerne hinterhergerannt. Es ist auch wichtig, den Idealismus und den Gemeinschaftssinn _vor_ den wirtschaftlichen Nutzen zu stellen, und das als Gesamtpaket zu "verkaufen". Gerade das hat ja OpenSource sehr erfolgreich gemacht und ermöglicht es jetzt erst damit funktionierende Geschäftsmodelle zu etablieren.
Wir hatten hier schon mal einen Thread (ich hab ihn leider nicht mehr gefunden im Archiv), wo es um die Uebertragbarkeit des Opensource- bzw. Free-Software-Foundation-Modells auf andere Wirtschaftszweige ging. Bevor man ueber die Vorbildfunktion fuer andere Bereiche oder gar ueber Uebertragbarket redet, sollte man aber doch lieber noch mal einen kritischen Blick auf das werfen, was da als die Art und Weise der Organisation und Kommunikation angepriesen wird. So viel kenne ich davon nicht, dass ich mir ein allgemeines Urteil darueber erlauben koennte - aber ich habe es neulich schon mal in einem anderen Thread angesprochen:
das war, glaube ich, der hier:
</archiv/2002/2/5089/>
und ein paar Threads vorher:
</archiv/2002/2/5058/>
dass beispielsweise Perl immer mehr das Nachsehen gegenueber PHP hat, liegt nicht nur an den anderen, fuer Anfaenger vielleicht schwerer zu verstehenden Software-Konzepten. Es liegt meines Erachtens auch zu einem Teil am Gebaren der Perl-Community, das auf aussenstehende Normal-User, die aus der Windows-Welt kommen, einfach abschreckend wirkt (Motto: "wer perldoc nicht versteht, sollte besser gleich wieder abhauen"). Mag sein, dass das sogar gewollt ist - aber so wirds halt nix mit dem Erfolg. PHP wird einfach auch besser "verkauft" (im Sinne von Oeffentlichkeitsarbeit).
Das ist mit Sicherheit richtig und auch auf einen grossen Teil der OpenSource-Welt übertragbar. Es gibt aber sogar einige Gegenbeispiele, wenn man bereit ist, zwischen den (Code-)Zeilen zu lesen ;-). Allen voran geht m.E. das Samba-Projekt http://www.samba.org/ welches ganz gezielt auf Integration "beider Welten" setzt. Man mag jetzt darüber streiten, ob es dem Samba-Projekt mehr um den Ersatz von Windows-Servern geht, als um die Zusammenführung beider Welten. Aber es zeigt doch, dass sich beide Welten u.U. sehr gut ergänzen können, vor allem dann, wenn nicht ein dickköpfiger Admin, der sich strengstens einer Seite verschrieben hat, am Hebel sitzt.
Insgesamt finde ich es deshalb auf jeden Fall gut und wichtig, dass der Artikel sich mal in freundlicher Absicht selbstkritisch mit der Open-Source-Bewegung auseinandersetzt. Denn der Hass auf die boese Microsoft-Welt mag zwar identitaetsbildend wirken, aber nach aussen hin ist er absolut kontraproduktiv und erreicht das Gegenteil des Gewuenschten (sofern das Gewuenschte tatsaechlich eine groessere Verbreitung von Open Source ist).
Volle Zustimmung. Ausserdem geht aus dem Artikel auch hervor, dass die OpenSource-Bewegung vielleicht an ihren Zielen noch arbeiten muss. Denn nicht nur die quantitative Verbreitung von OpenSource-Software ist wichtig. Auch qualitativ - dabei denke ich z.B. an die vielen Projektleichen - kann die OpenSource-Gemeinde noch erheblich zulegen.
viele Grüsse
Achim Schrepfer
Hallo Achim,
Leider kommt gerade beim Thema Wirtschaftlichkeit auch oft das Missverständis auf, man wolle OpenSource als _die_ neue Möglichkeit verkaufen, mit wenig Arbeit das grosse Geld zu machen. Solchen Hypes wird ja gerne hinterhergerannt.
*g* - ja, so sollte es nun auch wieder nicht verkauft werden. Vor allem darf natuerlich auch die Qualitaet der SW-Entwicklung nicht leiden. Wer nur Dollarzeichen in den Augen hat, wird z.B. kaum so viel penible Arbeit in das Erkennen und Beseitigen von Bugs investieren, wie es bei vielen guten OS-Produkten der Fall ist.
Es ist auch wichtig, den Idealismus und den Gemeinschaftssinn _vor_ den wirtschaftlichen Nutzen zu stellen, und das als Gesamtpaket zu "verkaufen".
Auch wahr. Hohe Qualitaet ist eben nur moeglich bei kommerzfreier Konzentration auf die Sache.
das war, glaube ich, der hier:
</archiv/2002/2/5089/>
Nee, den ich jetzt meinte - der war irgendwann 2000 - und hatte glaube ich mit der Veroeffentlichung des Feature-Artikels http://aktuell.de.selfhtml.org/artikel/gedanken/freeware/ zu tun.
Denn nicht nur die quantitative Verbreitung von OpenSource-Software ist wichtig. Auch qualitativ - dabei denke ich z.B. an die vielen Projektleichen - kann die OpenSource-Gemeinde noch erheblich zulegen.
War das eigentlich immer schon so mit den vielen Projektleichen, wie man sie z.B. auf sourceforge.net findet? Oder ist das erst "in Mode gekommen", seit die Open-Source-Bewegung etwas breitere Kreise erreicht hat? Das ist naemlich ein Problem, das man auch nicht ganz ausser Acht lassen darf: je staerker sich der Gedanke ausbreitet, desto mehr erreicht er natuerlich auch Leute, die keine Top-Programmierer sind, die keine so eiserne Willensstaerke besitzen und die z.B. auch dazu neigen (was der Artikel, den du hier vorgestellt hast, ja auch an einer Stelle erwaehnt), das Rad jedes mal neu zu erfinden. Eine der groessten Staerken von OpenSource ist ja die Wiederverwendbarkeit fremden Codes, also die Bereitschaft, auf Vorhandenem aufzubauen, es zu integrieren und einfach noch einen Zusatz oder eine neue Schicht dazuzubauen.
viele Gruesse
Stefan Muenz
Hallo Stefan,
*g* - ja, so sollte es nun auch wieder nicht verkauft werden. Vor allem darf natuerlich auch die Qualitaet der SW-Entwicklung nicht leiden. Wer nur Dollarzeichen in den Augen hat, wird z.B. kaum so viel penible Arbeit in das Erkennen und Beseitigen von Bugs investieren, wie es bei vielen guten OS-Produkten der Fall ist.
das ist es, was den OpenSourceler vom Kapitalisten unterscheidet. OSler sind vor allem mit Herz bei der Sache, sind bereit auch mal richtig zu schwitzen für ihr Projekt. Bei den CEOs (so nenne ich idealfreie Kapitalisten gerne *g*) müssen in erster Linie die Zahlen stimmen.
Ich glaube im übrigen auch, dass die _Nutzer_ von OS-Produkten eher bereit sind, Bugs und Verbesserungsvorschläge an den Entwickler weiterzugeben, als bei kommerzieller Software.
Auch wahr. Hohe Qualitaet ist eben nur moeglich bei kommerzfreier Konzentration auf die Sache.
Ganz so drastisch würde ich es nicht sehen, aber manchmal sollte auch die kommerzielle Softwareentwicklung ein bisschen mehr Herzblut investieren, das ist klar. Verständlich ist es nur insofern, als dass hohe Qualität umgekehrt proportional zur wirtschaftlichen Ausnutzung eines Softwareprojektes steht. Hier kann aber noch sehr viel von der OpenSource-Bewegung gelernt werden.
Nee, den ich jetzt meinte - der war irgendwann 2000 - und hatte glaube ich mit der Veroeffentlichung des Feature-Artikels http://aktuell.de.selfhtml.org/artikel/gedanken/freeware/ zu tun.
BTW ist das einer meiner Lieblingsartikel. War schon zigmal Badewannenlektüre ;-)
War das eigentlich immer schon so mit den vielen Projektleichen, wie man sie z.B. auf sourceforge.net findet? Oder ist das erst "in Mode gekommen", seit die Open-Source-Bewegung etwas breitere Kreise erreicht hat?
Je mehr Menschen mitmachen, desto deutlicher werden die positiven und negativen Aspekte einer Bewegung. Das ist m.E. völlig natürlich. Und eine "qualitätskontrollierende" Instanz würde, wäre sie überhaupt realisierbar, wieder die Freiheit der einzelnen beschneiden. Man wird wohl damit leben müssen. Wobei sourceforge.net zumindest bessere Suchmechanismen bereitstellen könnte, damit man die Leichen besser umschiffen kann.
die z.B. auch dazu neigen (was der Artikel, den du hier vorgestellt hast, ja auch an einer Stelle erwaehnt), das Rad jedes mal neu zu erfinden.
Das ist halt beim Programmieren das Problem, oft ist es einfacher, etwas neu zu schreiben, als sich in den Code eines anderen einzuarbeiten. Gerade Perlskripten erleiden ja häufiger das Schicksal, von dritten einfach nicht mehr verstanden zu werden ;-)
Eine der groessten Staerken von OpenSource ist ja die Wiederverwendbarkeit fremden Codes, also die Bereitschaft, auf Vorhandenem aufzubauen, es zu integrieren und einfach noch einen Zusatz oder eine neue Schicht dazuzubauen.
Dafür bräuchte es fest installierte und weit nach aussen getragene Grundsätze der OS-Community bezüglich Dokumentation. Daran hapert es IMHO am meisten. Wie oft sieht man Quellcode, der sauber eingerückt und an den wichtigsten Stellen kommentiert ist?
viele Grüsse
Achim Schrepfer
Hallo Achim, hallo Stefan,
erstmal Danke für den interessanten Hinweis!
Diese Identitaetsbildung durch Ablehnung kann man - auch hier im Forum - bei manchen Linux- und Mozilla-Verfechtern sehr schoen beobachten. Da wird sich dann zu Behauptungen verstiegen wie der, Windows sei benutzerunfreundlich, oder der Internet Explorer koenne keine Webseite richtig anzeigen. Damit ist sich der so Redende des Beifalls seiner Streitgenossen sicher. Nur eines verkennt er: viele Menschen finden Windows durchaus sehr benutzerfreundlich, und viele surfen mit dem Internet Explorer, weil man damit prima durchs Web kommt. Was also gewinnt man mit solchen Pauschalverdammungen nach aussen hin?
Anscheinend produzieren Abschottungsdiskurse, so augenfällig ihre negativen Seiten auch sind, doch auch "Profite". Du nennst "Identitätsbildung" im Sinne von Gruppenidentität, vielleicht kommt auch die Verankerung des einzelnen in der Gruppe durch gemeinsame Grenzverteidigung hinzu.
Vielleicht befinden wir uns hier aber auch in einem Bereich sehr alter Mechanismen zur dikursiven Konstitution von Gemeinschaften, die unbewältigt auch in den modernsten Institutionen wirkungsmächtig bleiben.
Frei nach Foucault: Es kommt nicht darauf an, was gesagt wird, sondern darauf, wer es an welcher Stelle sagt. Es ensteht, wir sehen es jeden Tag im Forum, in den meisten Institutionen eine Tendenz zur Abbildung von Hierarchien in Diskursregeln, im Forum scheinen mir Hierarchien aufgrund fehlender Sanktionen und Festlegungen durch die "Obrigkeit", d.h. durch das weitgehende und sympathische Fehlen "realer" Hierarchien, mit den heimlichen und offenen Diskursregeln identisch zu sein.
Das so entstehende Feld dikursiver Regeln ermöglicht nicht nur Identität für die Gruppe, sondern bietet auch eine Auswahl von "Rollen" und Positionen an, die der einzelne übernehmen und sich so als Funktionsträger in die Gemeinschaft integrieren kann. Als Spezialist für Perl, als CSS-Kenner, als "guter Geist", der über den Wassern schwebt, als Purist der Open-source-Bewegung oder in Design-Fragen, als ruppiger, aber sympathischer Kritiker, ....
Eine andere Funktion könnte die Entlastung der Gruppe von inneren Konflikten sein. Das diskursive Feld integriert durchaus gegensätzliche Meinungen. Solange das Feld möglicher Äußerungen in seiner Grundstruktur erhalten bleibt, muss eine Äußerung, der durch die Position des Sprechers nur begrenzte Bedeutung zukommt, nicht unbedingt Widersprüche an einer anderen Stelle hervorrufen. Es entstehen ritualisierte Formen gegenseitiger "Spitzen", die aber durch die Abschottung der einzelnen Unterfelder akzeptabel sind und auch inhaltlich nicht aufgenommen werden müssen.
Organisationen produzieren selbstläufig Abschottung und Ineffizienz. Dies gilt für die Open-Source-Community ebenso wie für Firmen und andere Institutionen. Es bedarf immer wieder neuer, und ich denke für Stefan besonders ermüdender Interventionen, so etwas wie Offenheit wiederherzustellen. Aber gerade aufgrund der Diskursregeln sind nicht viele in der Lage, diese Position zu vertreten und einzunehmen. Vielleicht könnte man versuchen, direkt oder indirekt einige der Wortführer für Interventionen zugunsten der Offenheit zu gewinnen....
"Welche Vorzüge ein Geschäftskonzept auf Basis von Open Source Softwareentwicklung haben kann und wie solche Geschäftskonzepte aussehen könnten ist den meisten Unternehmen noch unbekannt."
Wie vielen Open-Source-Anhängern sind die so wichtigen Versuche, auch kommerziell etwas aus den Ansätzen zu machen, von Anfang an verdächtig!
"Die Art und Weise, wie sich die Open Source Community organisiert, wie die Mitglieder dieser Community miteinander kommunizieren und arbeiten, wie jeder Einzelne in einem Open Source Projekt dazu lernt - dies alles könnte in unseren Augen ein Vorbild für viele andere gesellschaftliche Bereiche sein. Dies weltweit, da es sich um eine globale Community handelt."
Es wäre ungeheuer spannend, diesen Strukturen tiefer auf den Grund zu gehen, etwa mehr über Motivationen und Regeln zu lernen, die für diese communities wichtig sind.
Viele Grüße
Mathias Bigge
Hi!
immer wieder gibt es Diskussionen über den Sinn und Unsinn von OpenSource-Softwareentwicklung. Meiner Meinung nach könnten die Ansätze der OpenSource-Community durchaus Vorbild für viele andere gesellschaftliche Bereiche werden,
Hm, das finde ich interessant, dass das endlich mal entdeckt wird. Wobei ich das allgemein als genau anders herum sehe: derartige gesellschaftliche Ansätze gab es schon vor der Open Source und ich würde sogar so weit gehen, zu sagen, dass Open Source ihnen entspringt - gemeint ist der Kommunismus, für mich ist Open Source die reinste Form davon.
Wenn aber Open Source so stark (und in Zukunft hoffentlich immer mehr und auch weitflächiger) akzeptiert wird, hilft das vielleicht, solchen Ideen die Chance einer Renaissance zu geben.
Das witzige ist, dass diese sich an den Kommunismus anlehnenden Strömungen und Ideen (vergleiche auch Star Trek, eine Welt ohne Geld!) immer wieder vom heiligen Land des Kapitalismus ausgehen. Das sieht mir doch nach einem tief verborgenen Wunsch nach mehr Menschlichkeit aus.
VG Simon
Auch Hi!
Hm, das finde ich interessant, dass das endlich mal entdeckt wird. Wobei ich das allgemein als genau anders herum sehe: derartige gesellschaftliche Ansätze gab es schon vor der Open Source und ich würde sogar so weit gehen, zu sagen, dass Open Source ihnen entspringt - gemeint ist der Kommunismus, für mich ist Open Source die reinste Form davon.
Interessant ist auch, dass wohlbekannte Vertreter der Open Source Szene wie Richard Stallmann sich gar nicht gern in die Naehe des Kommunismus gerueckt sehen. In http://www.gnu.org/philosophy/shouldbefree.html, Abschnitt "Why Don't You Move to Russia?" dreht Stallmann den Spiess sogar mit einem ziemlich seltsamen Vergleich um.
Irgendwie ist es mit Kommunismus wie mit Sex, Haschisch, und selbstaendigem Denken -- jeder weiss, dass diese Dinge uns sehr viel geben koennen, aber sie sind in dieser Gesellschaft einfach als BOESE deklariert.
So long
--
"Wer den freien Genuss von Cannabis befürwortet, nimmt in verantwortungsloser Weise den Tod von Tausenden junger Menschen in Kauf."
-- Dr. Edmund Stoiber, 1997
Hallo Simon,
Wenn aber Open Source so stark (und in Zukunft hoffentlich immer mehr und auch weitflächiger) akzeptiert wird, hilft das vielleicht, solchen Ideen die Chance einer Renaissance zu geben.
nun ja, für eine Teil-Renaissance könnte es schon reichen. Aber als revolutionär kann sich OpenSource in dieser Richtung gar nicht erweisen. Aus ganz einfachem Grund: Im Moment besteht die (wirkliche) OpenSource-Community aus "Wahlanhängern". Jedem steht es frei, ein OpenSourceler zu sein und die meisten hängen wirklich mit Herz drin. Das ist in einem kommunistischen Land eben nicht so. Deshalb ist die Motivation, etwas für die Gemeinschaft zu tun, bei den OpenSourcelern sehr viel höher und auch dichter konzentriert. Diese Motivation auf die breite Masse auszuweiten, ist schier unmöglich.
viele Grüsse
Achim Schrepfer
Hi!
Diese Motivation auf die breite Masse auszuweiten, ist schier unmöglich.
Jede politische Theorie scheitert am Menschen. :)
Meine große Hoffnung ist ja (vielleicht lese ich einfach zu viel Science Fiction), dass wir einfach noch nicht so weit sind.
Dadurch entstehen die großen Schwierigkeiten für neue Ansätze: man muss sich mit den Gegebenheiten zufriedengeben. Menschen sind einfach zu bequem, zu träge für Veränderungen. Es ist Jahre her, dass ich die letzte Demonstration (für eine gute Sache) gesehen habe.
VG Simon