Michael Schröpl: Standardkonformität und deren wirtschaftliche Aspekte

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Hi Robin,

Wann werden die Browser-Hersteller und das W3C sich denn mal endgültig auf ECHTE Standards festlegen? Es kann doch auch für die Browser-Hersteller (auf Dauer) keinen Sinn machen, diverse Codes unterschiedlich anzuzeigen?!

für einen von ihnen schon. _Das_ ist doch das Problem!

Selbstverständlich ist M$ massiv daran interessiert, im M$IE so viel wie möglich anders zu machen, damit niemand ein Interesse daran hat, Linux zu installieren, statt Windows zu kaufen.
Und deshalb wird es auch so schnell keinen M$IE geben, der vernünftig unter Linux läuft. (Mac-OS ist ein Sonderfall - erstens "hält" M$ sich einen "Konkurrenten", um die Gerichte zu beruhigen - "isch 'abe doch gar kein Monopol" -, und zweitens hält M$ Aktienpakete von Apple.)

Deshalb sind sie allerdings auch verurteilt worden (weil sie den M$IE absichtlich vermurksen, um ihr Windows-Monopol zu beschützen, und vor allem auch umgekehrt - also ihr Monopol im Markt X nutzen, um den Wettbewerb im Markt Y zu behindern).
Und deshalb wäre die Zerschlagung von M$ in (mindestens) zwei Firmen, die danach nicht mehr aufeinander Rücksicht nehmen müßten, die einzige funktionsfähige Lösung des Problems gewesen. Einer separaten Windows-Firma, die keine Einnahmen durch Office oder IE erzielen kann, wäre es egal, welchen Browser oder welche Groupware die Anwender verwenden - die hätte keinen Grund, nicht alle Schnittstellen offenzulegen (weil sie ihrer eigenen Anwendungssoftware, die es dann ja nicht gäbe, keine Wettbewerbsvorteile damit schaffen müßte). Und eine reine Applikations-Firma, die kein Geld mit Windows verdienen kann, würde ihre Anwendungsprogramm auf jede Betriebssystemplattform portieren, wo sie damit Geld verdienen kann. Solange aber beides dieselbe Firma ist, tut M$ natürlich nichts - wieso auch den M$IE oder WinWord nach Linux portieren, wenn die Leute dann weniger Windows-Instanzen kaufen müssen? In der Summe würden sie dabei Geld verlieren ... und sich vollumfänglich an die W3C-Standards zu halten, so daß Mozilla unter Linux dieselben Ergebnisse liefern würde wie M$IE unter Windows, würde ihre Windows-Absatzzahlen genauso beschädigen.

Aber leider ist das Urteil ja nicht rechtskräftig geworden, weil höhere Mächte[tm] eingegriffen haben.
So bleibt es also dabei: Jede Seite, die "M$-proprietär funktioniert" (und das umfaßt insbesondere jede Seite, die technische Fehler enthält, welche von der M$IE-Kristallkugel "repariert" werden), macht unbezahlte Werbung für die Produkte der Firma aus Redmond - und zwar für _alle_ Produkte (aufgrund von deren Plattform-Abhängigkeit).
Wenn Du ein einheitliches Verhalten aller Browser haben willst, dann überzeuge zuallererst mal alle Seitenanbieter, korrekte Seiten zu schreiben ... das würde einem Hauptargument gegen alternative Browser den Boden entziehen. Wieso soll der M$IE irgendwas im technischen Sinne richtig machen, solange seine Methode, mehr auf die Bedürfnisse der DAUs als auf diejenigen des W3C einzugehen, einen derartigen Marktanteil sichert? Dem durchschnittlichen Surfer im Web sind Deine und meine Probleme beim Erstellen einer Seite egal - der will sie nur ansehen, egal wie kaputt der Code ist. Jeder Homepagebastler, der invalide Seiten schreibt, unterstützt M$ gegen die Konkurrenz ... und jeder WYSIWYG-Code-Generator, der invaliden Code generiert, ebenfalls. Woraus folgt, daß ein WYSIWYG-Code-Generator aus dem Hause M$ natürlich wieder keinerlei Interesse daran hat, validen Code zu generieren ... das wäre ja "geschäftsschädigendes Verhalten".

Ein Bekannter von mir sucht gerade "Munition" für die Entscheidung zur flächendeckenden Installation des nächsten Browsers in seiner Firma ... "Sicherheit" scheint als Kriterium bereits ausgeschieden zu sein :-(, und ansonsten gibt es leider wenige Argumente, die ein _Anwender_ einsehen würde.
Natürlich macht der M$IE viel verkehrt - aber wen kümmert das, solange sich kein Seitenanbieter leisten kann, eine korrekte Seite anzubieten, die vom M$IE "hinreichend falsch" dargestellt würde (weil natürlich die Seitenanbieter ebenfalls im Wettbewerb untereinander stehen)? Solche Seiten wären Argumente gegen die Entscheidung für M$IE - aber wo gibt es solche Seiten, die gleichzeitig aufgrund hinreichend wichtigem Inhalt für entsprechend viele Anwender relevant wären?

Viele Grüße
      Michael

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T'Pol: I meant no insult.
V'Lar: Of course not. You're simply speaking your mind ... as you always have.