Hallo Christoph,
Ist die Befürchtung begründet, daß die "chromeless windows" jetzt eine
Neuauflage erleben könnten?
Mangels IE kann ich das natürlich nicht nachtesten, aber ich wollte auch
etwas anderes im weitesten Sinne zum Thema beitragen. Etwas viel, Vorsicht
also. ;o)
Ich glaube, es besteht eine echte Chance, daß wir demnächst Webanwendungen
(Hier: HTML plus Javascript plus Extras) außerhalb des Browsers sehen
werden - und zwar in der Form sogenannter Widgets. Widgets sind hier kleine
Skripte - man traut sich kaum, sie Programme zu nennen - die in einer
Runtime laufen und kleine grafische Applikationen auf dem Bildschirm
realisieren.
Es gab sicherlich schon Vorläufer (vielleicht auch der Active Desktop von
IE 4, erinnert sich noch jemand?), die erste wirklich als »schön« zu
bezeichnende Variante, die mir aufgefallen war, war Konfabulator.
http://www.konfabulator.com/ (Sorry, nur für Mac ;o)
Für mehr Beispiele, was möglich ist, lohnt es sich, mal diese Sammlung von
Widgets durchzustöbern: http://www.widgetgallery.com/
Das Prinzip ist hier nicht das Neue daran, sowas gibt es schon sehr viel
länger, beispielsweise mit den Docklets/Applets in den diversen Unix-Desktops.
Das Neue hier ist der einfache Zugang. Anstatt größerer Entwicklungsumgebungen
gibt es nur eine Runtime und eine recht einfach und aus dem Web durchaus sehr
bekannte Programmiersprache, nämlich Javascript. Die Widgets von Konfabulator
bestehen im Prinzip aus nichts anderen diversen Javascripten, etwas XML und
PNG-Bildern. Was sehr praktisch war, als ich damals mit rumgespielt habe,
konnte ich in ein paar Minuten eins der Weather Widgets eindeutschen. Den
leichten Zugang zur Entwicklung und zum Ändern der Widgets finde ich hier
wichtig.
Konfabulator ist immer noch ziemlich unbekannt, ich glaube, es gibt inzwischen
auch einen Linux-Klon. Weswegen ich trotzdem glaube, daß das man wichtig
werden könnte, ist daß Apple das Konzept nun gestoh ... in Zukunft auch
nutzen will. Für MacOS X 10.4 »Tiger«, das im Frühjahr 2005 erscheinen
soll, ist ein Feature namens Dashboard geplant, eine weitere, bequem
einblendbare Ebene für Widgets.
http://www.apple.com/de/macosx/tiger/dashboard.html
Gut, Apple hat schon einige eigene besondere Entwicklungen; es besteht
kein Zwang, daß das zum Trend oder Hype wird. Ich glaube aber trotzdem,
daß eine Chance besteht. Dies deswegen, weil Apple diesmal einen offeneren
Weg geht.
Zum einen bauen die Dashboard-Widgets auf den Web-Technologien auf: Sie
bestehen aus einer angepassten Variante von HTML, Javascript, CSS, eventuell
auch noch nativer Code in Objective-C. Weswegen man einige Details dazu im
Weblog des Chefentwickler von Safari, Dave Hyatt (vormals bei Mozilla),
nachlesen kann: http://weblogs.mozillazine.org/hyatt/
Ein Weblogger (Erik Veland) hatte die Widgets aus der Developer Preview
von Tiger online gestellt, teilweise funktionierten diese auch im Browsern,
meine ich mich zu erinnern. Dummerweise ist seine Seite inzwischen komplett
futsch, es sei mal dahingestellt ob durch Traffic-Probleme oder durch
Apples Rechtsabteilung.
Zum anderen, weil Apple einen offeneren Weg zu gehen scheint. Nachdem
Hyatt in seinem Weblog die Erweiterungen für Dashboard-HTML vorgeschlagen
hat, ging ein ziemlicher Aufschrei durch die Blogosphäre; man befürchtete
ein Revival der Zeit mit <marquee> und ähnlichen Späßen. Wie löst man das
am besten? Nach diversen Vorschlägen hat sich anscheinend derzeit der Status
rauskristallisiert, die neuen Elemente und Attribute in einen eigenen
extra Namensraum zu verlegen.
http://weblogs.mozillazine.org/hyatt/archives/2004_07.html#005938
http://weblogs.mozillazine.org/hyatt/archives/2004_07.html#005951
Die Offenheit der Diskussion beweist für mich, daß das keine unbedingt
»böse« Eigenentwicklung wird, sondern durchaus auch für andere Hersteller
zur Verfügung steht, wenn nötig. Apple hat die Absicht, das ganze durch die
WHAT-WG diskutieren zu lassen. (Die WHAT-WG ist eine offene Arbeitsgruppe
von Browserherstellern zur besseren, anscheinend auch schnelleren
Weiterentwicklung von Standards. Gestartet wurde das Ding zusammen von
Opera und Mozilla, siehe http://www.whatwg.org/) Das heißt, es
besteht eventuell die Absicht, die bislang proprietären Erweiterungen
irgendwann mal zum W3C-Standard werden zu lassen.
Und damit eventuell die Chance, das oder ähnliche auch woanders, als nur
unter MacOS X zu sehen. Eventuell sogar interoperabel. Was natürlich der
Idealfall wäre, man findet irgendwo im Netz ein nettes Widget, zieht es
sich per Drag & Drop auf den eigenen Computer und es funktioniert einfach.
Daß die Grenze zwischen Web im Browser und eigenem Computer nicht mehr so
stark ist. Und vielleicht irgendwann hier die »Wie kann ich zwei Widgets
auf einmal ändern«-Frage. ;o)
Tim
»So, dann wollen wir mal wieder«
Hm..