Hi O'Brien,
Vielen Dank für deine "Zum-Weiterlesen-Hinweise", denn nach dem was ich bisher von Karl May weiß, ist er eine faszinierende Persönlichkeit gewesen, über die es sich lohnt, noch mehr herauszufinden bzw. zu lesen. Naja, und irgendwie sind die Geschichten ja auch nicht schlecht geschrieben, oder? Die Orientreisen finde ich z.B. immer wieder aufs neue spannend.
Das Universum des "Was-geschah-danach", wie es Rushdie nennt, funktioniert bei Karl May ziemlich perfekt, Spannungselemente gibt es genug. Es gibt aber auch deutliche Schwächen, etwa die arg gekünstelten Dialoge, die laut gesprochen zur Lachnummer werden, oder die Selbststilisierung zum Übermenschen, der dutzende von Sprachen perfekt spricht, mit allen Herrschern der Welt befreundet ist, perfekter Schütze und Faustkämpfer und Freund aller Entrechteten ist. Auch die Stilisierung der "mithelden" zu klischeehaften Chargen ist eher schwach. Einer der seltsamen Aspekte, die auch Arno Schmidt analysiert, ist die verdeckte Homosexualität, etwa in der Person Kolma Pushi (Old Shurehand), der exakt wie Winnetou aussieht, sich dann aber als Frau entpuppt usw.
Auch der Humanismus hat etwas selbstgerechtes, immer siegt der rationale Westen über den irrationalen Osten, das Böse ist zugleich hässlich als auch grotenschlecht usw. Für große Literatur fehlt Karl May die dunkle Seite der Traumwelten, Ängste, Versagen, Schwächen des Helden, und die Faszination für das Fremde, das in seiner eigenen Größe präsentiert und nicht nur als Mumpitz entlarvt wird. Solche Stellen sind bei Karl May selten.
Viele Grüße
Mathias Bigge