Stefan Muenz: Webtechnologien im ... 22. Jahundert?:

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Hallo WauWau,

Hmmm - ich finde, 22. Jahundert ist ein bisschen weitgesehen, aber wie wärs mit 2010 - falls es das dann noch gibt - wie könntet ihr euch da Webtechnologien so vorstellen?

1983, als die CD eingefuehrt wurde, dachte man, einen Standard fuer eine mittlere Ewigkeit geschaffen zu haben. Heute dagegen werden die technischen Daten der klassischen CD weithin als popelig empfunden, und die DVD erobert laengst nicht mehr nur das Terrain bei den Home-Videos, sondern auch im Musiksektor, also dem klassischen CD-Bereich, und aus CD-ROM-Laufwerken an PCs werden zunehmend DVD-ROM-Laufwerke. Dabei ist die Technik an sich nichts Neues, sogar die Scheiben sehen gleich aus. Man hat einfach nur die alten Standards des Orange Books deutlich "nach oben korrigiert", um mehr Inhalt, mehr Dynamik, mehr Interaktion usw. aus dem Medium herauszuholen, und die Scheibe fit zu machen fuer eine Verschmelzung von Audio, Video und Multimedia.

So aehnlich stelle ich mir auch die Weiterentwicklung der Web-Standards vor. Auch hier wird das Ineinandergreifen von Textauszeichnung, dynamischen Datenapplikationen, Multimedia, rechtlichen und kommerziellen Aspekten irgendwann deutlicher definiert werden muessen. Wir besitzen zwar heute zigtausend Seiten W3-Specs und noch hundert mal so viele RFCs. Doch wer mal versucht, echtes Hypermedia auf Web-Basis zu programmieren, also so, dass etwas Aehnliches dabei heraus kommt wie die Microsoft Encarta, der weiss, wie viel noch fehlt.

Die Bandbreiten sind es jedenfalls nicht mehr, die dagegen sprechen. Im Gegenteil, die DSL-Verbindungen werden immer schneller, und in 10 Jahren wird die Vokabel "Breitband-Verbindung" wohl laengst aus den Koepfen verschwunden sein, weil einfach jeder, der ins Internet geht, eine solche Verbindung hat (heute surft ja auch niemand mehr mit einem 110-Baud-Modem, was aber vor 10 Jahren durchaus noch nicht unueblich war).

Die Bandbreiten koennten auch dafuer sorgen, dass der gegenwaertige Siegeszug der DVD am Ende nur von kurzer Dauer ist. Denn warum DVDs kaufen, wenn man sich mal eben in 1 min DL-Zeit einen Spielfilm oder ein Musik-Opus aus dem Internet direkt auf die Festplatte eines Fernsehers oder eines TV-Recievers oder einer Hifi-Anlage laden kann? Alles, was dazu noch fehlt bislang, sind bequem zu bedienende User-Frontends jenseits der PC-Welt, fuer die man kein Computer-Experte mehr sein muss, sondern lediglich den Umgang mit einem Video- oder DVD-Player gewohnt sein muss.

Die Standards, die dafuer zu entwickeln sind, muessen auch von der Industrie akzeptierte Loesungen fuer Abrechnungsverfahren, Kopierschutz usw. enthalten. Derzeit werden da noch zu viele eigene Sueppchen gekocht. Aber irgendwann werden die Hersteller wohl einsehen muessen, dass sie von einem Standard, wie er ja etwa bei CDs und DVDs oder eben bei W3C-Standards im Web existiert, am Ende mehr profitieren als von einer eigenen Loesung, die nur mit eigenen Geraeten, eigener Software usw. funktioniert. Ich denke (oder hoffe ich nur?), dass im Laufe der naechsten 10, 20 Jahre hierbei entscheidende Fortschritte erzielt werden.

Das Web (oder vielleicht doch allgemeiner: das Internet) wird fuer all diese Dinge das Transportmedium sein. Vieles im Web wird es in 10 Jahren immer noch so geben wie heute. Denn warum sollte man ein textorientiertes Inhaltsangebot, das von den Texten lebt, grossartig aendern? Eine Website wird es aber auch sein, die einen beim Einschalten des Multifunktions-Fernsehers begruesst und wahlweise aktuelle TV-Programme empfangen laesst oder einen Wunschfilm gegen eine Einmal-Anschau-Gebuehr ins Wohnzimmer holt. Einige Webangebote wird man eher vom PC aus aufrufen, z.B. ein Forum wie das hier, waehrend man Produktportraits, Netz-Spiele oder eben aus dem Netz geholte Filme und Musik eher auf anderen Geraeten nutzt.

Nur an die Sache mit den TCP/IP-basierten Heizungen und Kaffeemaschinen kann ich mich nicht so ganz gewoehnen. Aber vielleicht bin ich einfach zu alt dafuer ;-)

viele Gruesse
  Stefan Muenz