Moin!
Er versucht mir schon wieder, ein schlechtes Gewissen zu machen (durch die Blume hindurch, von wegen "Das finde ich ja soooo schade, ich hatte dich ja schon mit eingeplant...") und mich zu überreden, trotzdem weiter für ihn zu arbeiten. Bis jetzt bin ich bei meiner Meinung geblieben, aber ich merke, dass ich einfach zu weich bin.
Lass den Chef abblitzen. Er will dich als billige Arbeitskraft verpflichten, weil er gesehen hat, dass du einerseits wohl recht brauchbare Arbeit leistest, und andererseits in einer gewissen Not- oder Zwangslage bist, denn wer hätte nicht gerne einen Job?
Er hatte sich im Übrigen am Freitag verplappert. Er meinte nicht, dass ich ein Gewerbe anmelden soll, sondern, dass ich mir eine Steuernummer holen sollte, damit ich am Ende des Monats Rechnungen schreiben kann. Das würde seine Freundin ja auch machen, genauso wie diverse andere (ehemalige) Praktikantinnen.
Das kommt auf das Gleiche raus: Eine selbständige, entweder freiberufliche oder gewerbliche Tätigkeit deinerseits für - mutmaßlich - nur ihn als Arbeitgeber.
Da kriegt er, wenn er Pech hat bzw. du es drauf anlegst, dann möglicherweise schon Probleme wegen Scheinselbständigkeit. Denn wenn du als freier Mitarbeiter mit ihm zusammenarbeitest, aber dann antanzen mußt, wann er es sagt, und auch nur dort vor Ort arbeitest, mit ihm als deinem einzigen Kunden etc., dann sind schon recht viele Bedingungen und Anzeichen für eine Scheinselbständigkeit erfüllt. Das ergibt für dich keine rechtlich negativen Folgen, aber für ihn.
Deshalb: Mach es nicht. Nicht für 350 Euro im Monat, und nicht für 8,50 Euro die Stunde. Davon kann man als Selbständiger nicht leben.
Vernünftige Bezahlungen fangen als Aushilfs-/Lernkraft bei 10 Euro die Stunde an - unselbständig. Als Selbständiger berechne _ich_ meinen Kunden 50 Euro in der Stunde - und das ist eigentlich noch zu billig.
Wenn er dich als geringfügig Beschäftigte einstellt, zahl dein Chef pauschal an Steuern und Sozialabgaben irgendwas bei 20% deiner Bezahlung oben drauf. Wenn er also nur 350 Euro im Monat ausgeben will, rechnet er die Abgaben vorher davon ab und macht dir dann ein (entsprechend niedrigeres) Angebot.
Allerdings würde ich an deiner Stelle nicht für 350 Euro im Monat 40 Stunden Vollzeit arbeiten wollen. Das grenzt schon an moderne Sklaverei.
Dann lenkte er wieder ein, ich könnte ja anstatt 5 Tage pro Woche nur 2 Mal in der Woche vorbeikommen... Dann würde ich pro Stunde abrechnen.
Du kannst gerne pro Stunde abrechnen. Als angestellte Aushilfskraft, mit Sozialabgaben und Steuerpflicht. Das Problem mit den Steuern entsteht bei Geringverdienern eigentlich eher selten, das Problem sind so Dinge wie Krankenversicherung (extrem wichtig), Rentenversicherung (nicht unwichtig, je früher man in eine private RV einzahlt, desto mehr Zinseszinseffekt kommt zum Tragen) und Berufsunfähigkeitsversicherung (nach der Krankenversicherung die zweitwichtigste Versicherung überhaupt!). Und diese ganzen Versicherungen kriegt man nicht für 350 Euro im Monat - und von irgendwas leben will man ja auch ganz gerne noch.
Da hab ich widerum eine Frage an euch: Wieviel kann denn ein Webdesigner pro Stunde verlangen?
Er kann soviel verlangen, wie gezahlt wird.
Er meinte irgendwas von Stundenlohn 8,50 Euro, aber das ist ja wohl etwas wenig, oder?
Es ist lächerlich wenig als Selbständiger.
Dann sagte er noch, dass es immer besser wäre, sich aus einem Beschäftigungsverhältnis (Praktikum, Arbeit, Ausbildung o.ä.) heraus zu bewerben als wenn man gar nichts macht. Da hat er natürlich recht, aber momentan bewerbe ich mich so gut wie gar nicht. Da bringt mir auch das Praktikum nichts.
Er hat ein wenig Recht, aber heutzutage ist eine Bewerbung ohne Beschäftigung ja eher als normal zu betrachten. Wenn ein Arbeitgeber sieht, dass du dich dann und wann mit Praktika engagiert gezeigt hast, dürfte das diesen Aspekt der Bewerbung eigentlich zur Zufriedenheit abdecken. Wer sich aus ungekündigter Stellung heraus bewirbt, muß immer noch irgendeine Motivation für den Wechsel haben - manche Arbeitgeber sind da viel interessierter, warum jemand das Unternehmen wechseln will.
Wie ihr sehen könnt, stichelt er mich indirekt. Ich will hier aber aufhören. Das hat noch nicht einmal so viel mit ihm zu tun, sondern viel mehr damit, dass ich mich um nichts anderes mehr kümmern kann unter der Woche :(
Naja, am Wochenende wäre ja auch noch Zeit. Manche Lebenssituationen verlangen eben das Unmögliche.
- Sven Rautenberg
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