Christoph Schnauß: "Ich weiß ja nicht, ob Sie's schon wußten ..."

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hi,

so, jetzt muß ich mal was klarstellen. Ich habe tatsächlich mal vor 35 Jahren fast ein Jahr lang auf dem Schlachthof Erfurt gearbeitet und Rindviehcher mit dem Messerchen (oder anderen grade geeigneten Instrumenten) umgebracht. Meine "Feuertaufe" erhielt ich am ersten Tag, als mir befohlen wurde, zum Frühstück zwei frisch ausgelöste Bullenaugen zu essen  -  etwas Salz und Pfeffer war erlaubt. Ich mochte zwar nicht gleich, aber im Nachhinein erwies sich das sogar als Delikatesse, und ich habe das im Lauf meines "Schlachthofjahres" mehrfach freiwillig wiederholt. Ich habe dabei auch lernen müssen/dürfen, daß Schweineaugen oder Hammelaugen ungenießbar sind.

Aus dieser Zeit stammt auch noch meine Differenzierungsfähigkeit zwischen "Bulle", "Ochse", "Stier" und "Färse". Zumindest das, was auf dem Erfurter Schlachthof galt (er wurde übrigens, obwohl einer der modernsten Schlachthöfe Europas, kurz nach der Wende dichtgemacht und existiert heute nicht mehr), hat sich mir eingeprägt. Und unter einer "Ochsenschwanzsuppe" verstand man unmittelbar auf einem Schlachthof etwas erheblich anderes als das, was man in diversen Konservendosen im Supermarkt kaufen kann.

Es gab noch eine weitere Besonderheit bei den Rindviehchern, die wir damals geschlachtet haben. Junge Tiere haben bis etwa ins Alter von anderthalb Jahren noch eine Thymusdrüse am Hals. Das ist Physiologie (eine solche Drüse gibt es auch bei jungen/jugendlichen Menschen), die bildet sich später, wenn man aus einem Bullen nicht grade einen Ochsen macht, vollständig zurück. "Unsre" Tiere hatten aber einen genetischen Defekt  -  es gab grundsätzlich keinen Thymus, auch wenn sonst alles andre vielleicht noch "dran" war. Der Grund ist einfach: man muß das Teil (ca. 200 Gramm schwer) noch aus dem körperwarmen frischgeschlachteten Rindvieh herausschneiden, kurz überbrühen, Salz und Pfeffer draufstreuen und dann ist es eine echte Delikatesse. Schmeckt wirklich, aber ich habe es seit beinahe 34 Jahren nie wieder zu kosten bekommen. Dazu muß man eben ein Insider sein.
Das zweite war: merkwürdigerweise hatten nahezu alle unsere geschlachteten Tiere infizierte Lenden (Filets). Das heißt, aus hygienischen Gründen konnten Rinds- (und übrigens auch Schweine-)lenden leider nicht verkauft werden, da saßen grundsätzlich Trichinen oder ähnliche Bösewichter drin.

Mäuse gehörten allerdings nicht zum Schlachtprogramm. Hühner, Hammel und Meerschweinchen (Export ins NSW  -  "nichtsozialistisches Wirtschaftsgebiet") kamen jedoch gelegentlich vor.

Grüße aus Berlin

Christoph S.