Fabian Transchel: Threaddrift: Der freie Wille - oder die Illusion der Realität

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Hi,

Das menschliche Gehirn (Nervensystem) ist nichts anderes als ein relativ komplexes System, das bei vollständiger Abbildung und ausreichender Rechenzeit vorhersagbar sein müsste. Insofern wären der freie Wille, der Geist bzw. „das Ich“ eine nette Illusion.

Ich stimme dir zu, dass der freie Wille eine Illusion ist, was aus meiner Sicht allerdings _nicht_ die Konsequenz hat, dass "cogito, ergo sum" _keine_ Gültigkeit mehr hat.

Ich glaube nicht, dass du das denkst. ;-) Wie erklärst du dir deine Gedanken?

Nun, zunächst scheint es mir zweckmäßig einige Termini zwecks gegenseitiger Verständlichkeit festzulegen. Kant hat in seiner Erkenntnistheorie Descartes "cogito, ergo sum" aufgegriffen (wobei er freilich seinen Gottesbeweis ablehnt und umgeht - das ist aber eine andere Geschichte) und den Menschen als die Symbiose aus seiner physischen (res extensa) und seiner gedanklichen (res cogitans) Erscheinung "erkannt". Die physische Seite unseres "Problems" ist die Tatsache, dass die gedankliche "Existenz-Ebene" nun also eine Illusion sei. Nach Kant ist neben der begrenzten Physis (wir wissen alle wie das mit dem Schweben oder Durch-Wände-Gehen ist :)) die res cogitans frei, also nicht per se eingeschränkt (während ihre Ethik sich im Transzendentalen erschöpft, aber auch das kann uns an dieser Stelle weitesgehend egeal sein).

Solange ich also "denke" ich bin frei, so bin ich im Geiste frei, auch wenn das nur eine Illusion sein sollte, selbst wenn die Entscheidung "zur geistigen Existenz" selbst nur eine Illusion ist. Ich kann für mich (ob determiniert, gewollt oder von den Synapsen aufoktroyiert oder nicht) nur sagen, dass ich frei bin, und damit bin ich es, denn es gibt weder eine Kontrollmöglichkeit für mich (was logisch ist, denn ich kann nicht aus mir heraustreten und betrachten, in welchem definierten zustand ich mich befinde), noch gibt es eine Kollision mit dem, was "ausserhalb des Geistes" (oder seiner Illusion) "wirklich" ist. Du könntest also zu mir oder meiner Wahrnehmung (so man das trennen kann, was man nach deinen Ausführungen ohne weiteres vollbringen würde) sagen, dass ich aus deiner Sicht keinen freien Willen habe und mein Bewusstsein eine Illusion ist, aber ich kann das nicht zu mir selbst sagen, ich kann es nicht einmal selbst denken, und das ist aus meiner Sicht ein klares Zeichen für meine These, da einem vollständig definierbaren Organismus ohne Weiteres der Zustand "ich bin fremdgesteuert" (wahlweise zu ersetzbar mit "wahrhaftig kausal") eingegeben werden kann. Im Gegensatz zu diesem durchaus vorstellbaren Zustand _eines anderen_ kommen im eigenen Geiste an der Stelle zwangsweise Fragen auf wie "was würde ich denken, wenn ich keinen freien Wille hätte". Damit kommen wir zum gewichtigsten Punkt, der am ehesten rationaler Natur denn romantischer Verklärung der eigen Existenz ("kann ich wollen, dass ich keinen freien Wille habe?") ist: Wenn das Bewusstsein kein Ausdruck eines autonomen, indeterminstischen Systems ist, warum hat die Evolution uns damit ausgestattet? Wenn unsere Entscheidungen ohnehin durch die Bedingungen ihres Zustandekommens definiert sind, dann ist ein Bewusstsein nicht nur überflüssig, sondern sogar hinderlich, denn Tiere (genau hier ist aus meiner Sicht die Grenze zum Hominiden erreicht) ohne Bewusstsein sind viel eher in der Lage sich nach komplexen aber erfassbaren Bedingungen zu verhalten - und das auch reproduzierbar zu tun.

Grüße aus Barsinghausen,
Fabian

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"It's easier not to be wise" - < http://www.fabian-transchel.de/kultur/philosophie/ialone/>
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