Hi LanX!,
Allerdings kommt hier das Unvermögen der Eltern ins Spiel diese komplexeren Muster zu vermitteln (die sie vielleicht selbst nicht beherrschen)
Gerade deshalb bin ich für den Türkisch-Unterricht an deutschen Schulen.
Ich denke einen Weg den man in Erwägung ziehen sollte, ist in Migrantenhochburgen eine Quote für Lehrer und Erzieher ausländischer Herkunft einzuführen. Was den Kindern fehlt sind nunmal auch gebildetet Vorbilder an denen sie sich orientieren können.
Ja, ich halte das auch für sehr wichtig, es gibt dafür sogar seit langen Jahren eine Reihe von Modellen, guten und schlechten.
So paradox es klingt, ein gutes Stück Amerikanisierung in D wird gerde von ihnen transportiert.
Ja, das stimmt. Sehr viele msulimische Jugendliche fahren dabei auf zwei Gleisen, zumindest hier im Ruhrpott. Da gibt es vor allem die nationale Musikszene des Heimatlandes und den internationalen HipHop, für mich ein Beispiel dafür, dass Kultur sowohl trennen kann, indem sie nationale Regionalismen erhält, als auch verbinden. Das verbindende Potential des HipHop wäre für mich ein wesentlicher Ausgangspunkt für interkulturelle Jugendarbeit, auch dafür gibt es schon Modelle.
Ich kenne die Situation in Marokko und du hast in allem Recht, man könnte noch hinzufügen das Französisch für die Berbervölker auch der kulturellen Emanzipation gegenüber den "Arabern" dient, insbesondere weil die Kolonialmächte die Kultur der Minderheiten zwecks Machterhalt bewusst gefördert haben.[*]
Richtig, die Berbertradition spielt wirklich eine entscheidende Rolle und tatsächlich können viele marokkanische Studenten vernünftig Französisch aber nur bruchstückhaft Arabisch.
das Selbstbewusstsein mit dem Französisch
in der Francophonie gefördert wird, sollte bei uns mit Deutsch selbstverständlich sein, und ich meine das nicht chauvinistisch.
Ja. Leider ist die Politik in den letzten Jahren dabei sehr ungeschickt vorgegangen. Nachdem der Innenminister Schily die außerschulische Sprachförderung an sich gezogen und den sehr effektiven Sprachverband aufgelöst hat, gibt es eine alberne Bürokratisierung. Bei vielen Maßnahmen des Arbeitsamtes setzen viel zu wenig auf Qualität und bestehende Leistungskontrollen.
Ich könnte mir ein recht simples System vorstellen, in dem der Staat Deutschkurse nach dem Erreichen bestimmter Sprachstandards unterstützt, und auch das Arbeitsamt sollte konkret solche Bemühungen unterstützen und honorieren. Wichtig wäre eine externe Durchführung von Prüfungen, damit die Zertifikate auch reale Leistungen bescheinigen. Was man sich endlich klarmachen müsste, ist die Tatsache, dass wirkliche Verbesserung der Sprachkompetenz aufwendig ist.
In den Schulen müsste der Stellenwert von Deutschkenntnissen deutlich erhöht werden, wirklich deutlich, denn oft ziehen sich die Folgen von mangelnder Textkompetenz durch alle Fächer. Zusätzliche Sprachförderung müsste in den Stundenplänen geblockt werden, so dass man Schüler jederzeit dorthin verweisen kann, was jetzt nicht möglich ist. Zudem wäre es erforderlich, eins der bestehenden Berwertungssysteme für die Schulen handhabbar zu machen. Für weiterführende Schulen wäre es meiner Meinung nach unabdingbar erforderlich, den Mindeststandard für Deutschkenntnisse zu verlangen, der von ausländischen Studenten verlangt wird, in etwa wie er im DSH-System festgelegt ist. Sehr viele, selbst deutsche Schüler, hätten heute keine Chance, diesen Test zu bewältigen, obwohl das dazu nötige Wissen in etwa 8 Monaten vermittelt werden kann.
Seines Erachtens sind die meisten türkischen Kinder hier auch funktionale Heiden (er ist bewusst Atheist), sie kennen noch nicht mal die Basics des Islam, die Selbstbezeichnung "Moslem" ist da mehr eine identitätsstiftende.
Orhan Pamuk beschreibt in seinem Buch "Schnee" sehr schön, dass der Held des Romans, ein Türke, der seit Jahren in Frankfurt gelebt hat, seine Isalm-Kenntnisse hauptsächlich aus einem Hollywoodfilm über Mohammed hat.
In diesem Indentitätsvakuum _können_ dann natürlich auch radikale Ansichten blühen. (ich kenne [und meide] selbst einen Angry-Young-Man, der jede Misere auf seine Diskriminierung durch die Gesellschaft zurückführen möchte)
Ein schöner Weg, alle perönliche Verantwortung von sich abzuwehren....
Aber mit solchen Bestrebungen gerät man unter doppelten Beschuss, für die Linke ist das zu national oder gar chauvinistisch gedacht (Schlagwort "Multikulti"), für die Rechte die "Deklassierung" Deutschlands zum Einwanderungsland (Schlagwort "Gastarbeiter").
Mit vielen lustigen Widersprüchen, denn es waren ja die Konservativen, die massiv Leute ins Land geholt haben, und es sind die Konservativen, die mit einer konsequenten Trennung von Religion und Staat ihre Probleme haben. Weitere Anmerkung: Besonders die national Denkenden aus den diversen Ländern haben oft nicht die geringste Ahnung von der kulturellen Tradition ihres Landes. Die Rechten, die in der Türkei gegen Orhan Pamuk geifern, haben zu 99% keine Zeile von ihm gelesen, das Gleiche gilt für die große arabische Tradition, für Rumi z.B. oder den verhassten Rushdie.
Ich mache im Unterricht immer mal gern einen Quiz. Mein letzter Versuch: "Nennen Sie irgenein bedeutsames Datum aus der deutschen Geschichte des 19. Jahrhundert". Die Ergebnisse sind recht ernüchternd.
Lustig auch: Eine Karte Deutschlands und man soll die 6 größten Städte, den Rhein, die Elbe, die Weser und die Ruhr einzeichnen. Recht lustig, wenn man die Folien auf das Original legt.
Die nationale Karte wird oft von Leuten ausgespielt, die damit einen Dreh gefunden haben, ihr völliges Unwissen über die Geschichte und Kultur ihrer Nation zu verdecken...
Viele Grüße
Mathias Bigge