Hallo Gernot!
Dem trägt die "neue" deutsche Rechtschreibung ja auch Rechnung, indem sie je nach regionaler Aussprache z.B. "Erdgeschoss" bzw. "Erdgeschoß" als Schreibung zulässt.
Finde ich ein gutes Beispiel für die Sinnlosigkeit des ß. Was wird damit erreicht? Dass der Lesende erfährt, wie der Schreibende das Wort ausspricht?
Gab es diese Unterscheidung nicht nur in der Fraktur-, sondern auch in der die Sütterlinschrift?
Sütterlin verwendet zwei verschiedene s, je nach dem ob es im Innern oder am Ende des Wortes steht, dazu das ß, was explizit als End-s kombiniert mit z geschrieben wird.
Ach sooo... du meinst, wenn wir beides gleich schreiben, könnten wir auch den Sachverhalt nicht mehr unterscheiden?
Ja das meine ich in der Tat, denn "in Massen" und "in Maßen" kommen mit exakt gegenteiliger Bedeutung in denselben Kontexten vor.
Das erscheint mir reichlich übertrieben und würde wohl sehr konstruierte Beispiele erfordern. Entscheidend ist doch, ob der Verzicht auf das ß in der Praxis des Schreibens zu wirklichen Problemen führt. Nach unserer Erfahrung ist das nicht der Fall. Aber vielleicht haben wir einfach mehr Sprachphantasie wenn wir über die Maße und die Masse einer Frau schreiben, was dann auch für alles andere anwendbar ist. Es ist klar, was die Masse der Sonne oder der Erde ist, sonst würden wir Abmessungen schreiben.
Was ist das für eine Verarmung der Sprache, wenn man sprechsprachliche Unterschiede schriftsprachlich nicht mehr ausdrücken kann?
Wie sollen sonst die Preussen die Bayern verstehen. Logisch, dass die Preussen die Bayern für dumm halten, wenn sie kein Wort verstehen und erst recht nicht lesen könnten. Folgerichtig heisst Computer auf bayerisch: Saupreuss, elektronischer.
Das könnt ihr in der Schweiz nur umgehen, indem ihr schriftsprachlich auf die Adverbien "massenhaft" und "mässig" (sic!) ausweicht.
Ja, sagte schon meine Tante immer, sie habe massenhaft Verehrer, die seien aber alle mässig.
Aber dass ihr euch daran nicht stört, zeigt ja die Tatsache, dass ihr zum Schreiben sowieso auf eine Fremdsprache (das Standarddeutsche) ausweicht.
Schriftsprache ist auch in Deutschland nirgendwo gesprochene Sprache, das ist keineswegs auf die Schweiz begrenzt. Der wesentliche Unterschied liegt in der sozialen Bedeutung der gesprochenen Sprache. Wer in Deutschland annähernd Standardsprache spricht, gilt als sozial höher stehend und als gebildeter. Das ist in der Schweiz nicht der Fall, insoweit gibt es bei uns eine eindeutigere Trennung zwischen unter Schweizern gesprochener Sprache und der Verwendung der überregional verständlicheren Standardsprache zum Schreiben oder Sprechen. Schweizerdeutsch wird auch geschrieben, es gibt über 50'000 Romane in den verschiedenen Dialekten. Es gab auch eine schweizerdeutsche Grammatk ehe es eine solche in Hochdeutsch gab. Die Verwendung der Standardsprache für schriftliche Dokumente ist eine reine Frage der Zweckmässigkeit. Wir haben so schon vier Amtssprachen. Die Einigung auf eine einheitliche Form des Schweizerdeutschen würde ja gerade die lebendige Sprachvielfalt zerstören. Da schreiben wir doch einfacher so ähnlich wie die Deutschen, es ist ja nur deren Schriftstprache, dass wir keine Deutschen sein wollen, darin sind wir uns ja wenigstens einig.
Mit beste Grüsse
Richard