Andreas Dölling: Wie seht Ihr die allgemeine Entwicklung für Web-Entwickler?

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Hallo,

ich habe eine Weile darüber nachgedacht, ob ich diesen Eintrag wirklich hier ins Forum setzen soll oder ob ich damit nicht zum Troll werde. Ich denke aber, meine Frage betrifft viele, die hier lesen und schreiben - und mich interessiert wirklich, was Ihr darüber denkt und wie es Euch selbst geht.

Also:
Ich denke im Moment sehr viel über die Perspektiven nach, die sich für mich als Web-Entwickler aber auch für meinen Arbeitgeber als Agentur aus den Entwicklungen in der IT-Branche bzw. im Open Source-Bereich ergeben.

Ohne auch nur annähernd alles überblicken zu können, meine ich folgendes feststellen zu können: die Fähigkeit zu "coden", also tatsächlich Backend- und Frontend-Scripte von Grund auf zu entwickeln und zu schreiben, ist immer weniger gefragt, da diese Fertigkeiten mittlerweile in Frameworks gegossen der Allgemeinheit zur Verfügung stehen. (Analog kann man ja auch niemanden mehr mit tabellenlosem Design und sauberem CSS beeindrucken.)

Diese Frameworks werden immer besser und ausgereifter. Django ist ein sehr gutes Beispiel dafür.
Das eigentliche Entwickeln wird immer weniger eine Dienstleistung sein, die kleine Agenturen wie die, in der ich arbeite, anbieten können bzw. sollten, denn es haben sich extrem fähige Entwicklergruppen gebildet (prominentes Beispiel: Google, Zend), die es besser und schneller können. Gefragt wird künftig immer mehr sein, daß man mit vorhandenen Frameworks schnell saubere und gute Lösungen entwickeln kann. Insofern wird auch der Part der "Informationsarchitektur" immer wichtiger gegenüber dem Programmieren, insbesondere wenn man "IA" weiter faßt und auch die Planung der Anwendungslogik mit einbezieht.

Ich weiß nicht, ob Ihr versteht, was ich meine. Zur Verdeutlichung noch ein Beispiel, das mich selbst schmerzt: meine eigene Javascript-Bibliothek (http://www.a-doelling.de/), die noch gar nicht so alt ist und die ich selbst vor kurzem noch für etwas geradezu Revolutionäres gehalten hatte, ist, wenn man sich im Web umschaut, mittlerweile nicht nur ein alter Hut, sondern vollkommen überflüssig.
Ich habe sehr viel Arbeit in diese Bibliothek investiert, sehr viel dabei gelernt - das ist für mich selbst gut. Aber wirtschaftlich gesehen wäre es zumindest jetzt sinnvoller, keinen Aufwand mehr in diese Klassensammlung zu investieren, sondern sich stattdessen mit einer der sich als Quasi-Standard etablierenden JS-Frameworks zu befassen (z.B. "Prototype").

Ähnlich ist es mit PHP. Selbst Typo3 erscheint mir geradezu altbacken, wenn man es mit "Django" und "Ruby on Rails" vergleicht, die in den USA der absolute Renner zu sein scheinen.

Das, was wir in der Agentur, in der ich arbeite, zum großen Teil tun, also komplette Anwendungen selbst zu schreiben, ist nichts anderes als vertane Zeit, scheint mir. Es bringt weder mich selbst als Entwickler noch meinen Arbeitgeber als Firma in irgendeiner Weise weiter.

Wie gesagt, das ist das, was mir im Moment so durch den Kopf geht.
Wie seht Ihr das?

Ich muß auch zugeben, daß ich die Entwicklung mit gemischten Gefühlen betrachte, denn zum einen finde ich es einfach fantastisch, was jetzt im Web so alles möglich wird und wie einfach es zum Teil wird. Zum anderen vermute ich aber, daß ich es vermissen würde, selbst Javascript-Code oder PHP zu schreiben und stattdessen nur noch auf noch viel abstrakterem Level mit vorgefertigten Lösungen zu arbeiten. Aber auf der anderen Seite kann ich auch nicht mit den hochkarätigen Entwicklern mithalten, die ebendiese Frameworks und Bibliotheken erschaffen und in rasanter Geschwindigkeit verfeinern.
Mich interessieren die neuen Möglichkeiten. Gleichzeitig aber nervt mich der Zwang, mich immer auf dem Laufenden zu halten.

Hmm, vielleicht leide ich auch nur unter einer berufsbedingten Sinnkrise (http://www.kopozky.net/starting-for-reality)?
;)

Na, wie gesagt: mich interessiert, was Ihr dazu meint. Liege ich vielleicht völlig falsch mit meiner Einschätzung? Geht es Euch genauso? Wie verhaltet Ihr Euch als Selbständige/Freelancer? Wie die Agenturen, in denen Ihr arbeitet?

Ciao,
Andreas

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