Hi Rouven,
Aus Sicht von Deutschland lässt sich ein Gerichtshof leicht fordern - wir kämpfen ja nur ab der 1,5. Reihe mit (ich sag nur wie wäre es denn, wenn wir eure Küste bewachen, wir brauchen allerdings dann noch so 15-20 Tage eh wir da sind, während Franzosen und Italiener komischerweise mit ihren Einheiten schon nach einer Woche da waren). Wir sind halt eher selten an Aktionen an der vorderen Front beteiligt. Und auch rein mengenmäßig. Man überlege sich nur mal, wie viele Soldaten der Amerikaner im Vergleich zu allen anderen Nationen dieser Welt irgendwo in Krisengebieten im Einsatz sind.
Du hast das sehr sachlich und zurückhaltend formuliert. Viele der Politiker um Angela Merkel finden es schick, Weltpolitik zu machen und dabei die wertgute Bundeswehr zum Einsatz zu bringen. Mir ist das unheimlich, auch wenn sich die militärische Qualität der Einsätze noch auf symbolische Beiträge beschränkt.
Seit so vielen Jahren setzt man im Nahen Osten auf die Ballerei. Mit welchem Erfolg? Zuletzt hat man die milliardenteure Aufbauarbeit zu Lasten der Menschen in Schutt und Asche gelegt. Das amerikanische Konzept ist nachvollziehbar, aber nicht erfolgreich. Die US-Armee ist wirklich durchschlagskräftig, aber was nützt das ohne politische Perspektiven?
Ich war kein Fan der Regierung Schröder, aber der Mut zur militärischen Zurückhaltung war aus meiner Sicht richtig. Deutschland könnte vielleicht im Nahen Osten gerade deshalb diplomatisch etwas bewegen.
Kein rationaler Mensch könnte mehr zum Militär gehen wenn er sowieso damit rechnen muss, dass er beim kleinsten Fehltritt nicht nur vom Militär eine Verurteilung erhält, sondern sich auch noch vor dem internationalen Gerichtshof verteidigen muss.
Auch hier eine kleine Anmerkung. Seltsamerweise sieht man mit Argusaugen auf das kriminelle Verhalten einzelner Besatzer, während man die systematische Brutalität der Militäreinsätze für "normal" hält. Da liegen im Libanon jetzt massenhaft die Reste der Streubomben in Wohngebieten herum, das ist doch die Katastrophe, das eigentlich Militärische, nicht das Fehlverhalten einzelner. Solange die Gewalt von staatlichen Stellen ausgeht, scheint sie für viele irgendwie heilig gesprochen zu sein.
Natürlich wird's auch mir mulmig, wenn in meiner Heimatstadt eine Kofferbombe gefunden wird, die nur aufgrund der Blödheit der Attentäter nicht explodiert ist. Was sind aber solche Gefahren gemessen an einem Militäreinsatz mit heutigen Mitteln?
Ich bezweifle nach jahrelanger Beobachtung grundsätzlich die Perspektiven von Militäreinsätzen im "Kampf gegen den Terror". Vielleicht wäre es ein Signal, wenn die Bundesrepublik einmal deutlich in diesem Chaos die Frage stellen würde, welche Lebensperspektiven man eigentlich für die Menschen in dieser Region sieht. Dabei sollte sich diese Frage nicht nur an die Bösen, sondern auch an die eigenen Bündnispartner richten. Weiterhin sollte man offenlegen, wer eigentlich die verschiedenen Kontrahenten immer wieder neu mit Waffen ausstattet und die Konflikte anheizt...
Viele Grüße
Mathias Bigge