Lieber Hans,
So hat jeder seine eigene Meinung und ein Pädagoge sollte darüber erhaben sein, seine Meinung als einzig Wahre anzusehen.
ist OK. Ich lasse Dir Deine Meinung, erkläre Dir aber, dass ich sie nicht teile, sondern eine andere Perspektive habe.
Und gerade mit dem pädagogischen Bereich stehe ich schon lange auf Kriegsfuß. Du kritisierst die Masse der Menschen, ja mache ich auch, aber veratnwortlich dafür mache ich eben die ganze Laissez-Faire Pädagogik.
"Die Pädagogik" gibt es nicht. Es gibt Menschen, die pädagogisch wirksam sind - fragen wir zunächst einmal noch nicht nach dem Ergebnis. Diese pädagogisch wirkenden Menschen unterstehen Vorgaben, für die sie nicht immer verantwortlich gemacht werden können.
Kindergärten müssen nach Vorgabe der Geschäftsleitung notgedrungen die ein oder andere "pädagogische Mode" bedienen - ob das nun wirklich sinnvoll ist oder nicht, sei dahingestellt.
Auch manche Schulen experimentieren mit "neuen" pädagogischen "Ansätzen" - zum Teil mit dem Ergebnis, dass Kinder nicht mehr richtig schreiben oder lesen können.
Ein Trend bleibt aber faktisch unbestreitbar: Immer weniger Kinder erhalten von ihren Eltern genügend zeitliche Zuwendung (warum auch immer), und werden so immer mehr "von anderen" erzogen, seien es "Ersatzpersonen" (Erzieher, Lehrer, "Peers" etc.) oder Verwandte. In diesem Trend ist ein maßgeblicher Faktor, dass Familien im Vergleich zur Zeit vor 50 Jahren immer kleiner werden (weniger Kinder, manchmal nur alleinerziehendes Elternteil mit einem Kind), sodass die Sozialisierung eines Kindes heute unter erheblich veränderten Bedingungen stattfinden muss, als es das vor den besagten fünfzig Jahren der Fall war.
Es lässt sich immer wieder beispielhaft feststellen, dass Kinder aus kinderreicheren Familien ein bisschen mehr an sozialen Kompetenzen ausbilden, als es die berühmten Einzelkinder tun. Und je mehr Kinder in ihrer Freizeit sich selbst überlassen bleiben, desto weniger bilden sie an sozialen Kompetenzen aus.
Wenn Du nun eine "Laissez-Faire Pädagogik" kritisierst, dann bleibt Dir am Ende tatsächlich nur das, was Du als Elternteil schon immer als Möglichkeit hattest: Erziehe Dein Kind, indem Du ihm Zeit widmest. Es wird sich ohnehin nicht nur von Dir erziehen lassen, sondern auch wesentliche Einflüsse außerhalb Deines Einflussbereiches aufnehmen. Aber Deinen Einfluss kannst Du nutzen, um Deinem Kind das mitzugeben, was Du für wichtig und richtig, also für gut hälst. Und wenn ich Deine Gedankengänge hier so lese, hast Du Deiner Tochter ganz offensichtlich jede Menge zu bieten!
Die laufen jedem neuen Erziehungstrend hinterher ohne sich mal zu fragen, warum man nicht mal aus guten Erfahrungswerten zehrt, anstatt jedes neupädagogische Konzept anzubringen.
Aha. Warum fordern dann Eltern durch ihre Anmeldezahlen diese "neuopädagogischen Konzepte"? Und welche "guten Erfahrungswerte" hättest Du denn gerne? Zum Beispiel den von mir genannten, dass das Miteinander beim TV-Konsum zusammen mit dem anschließenden gemeinsamen Verarbeiten der Inhalte einem Kind am besten bekommt und es kritisch denken lehrt?
und meine Erfahrung zeigt auch eher, dass ein hoher Lebensstandard ohne antiautoritäre Erziehung vernünftige Charaktere hervorbringt, während ein persönlich niedriger Lebensstandard(im Vergleich zum Durchschnitt) zu Problementwicklung führt.
Diese Beobachtung hängt meistens damit zusammen, dass Kinder im sozial schwächeren Umfeld wegen der damit oft einhergehenden geringeren Bildung ihrer Eltern eine weniger optimale Erziehung genießen. Diese Eltern über ihre Bildungsdefizite hinweg in Sachen Erziehung weiterzubilden wäre eine theoretische Lösung, jedoch scheitert diese Idee sowohl an der finanziellen Seite, als auch an der ebenso oft einhergehenden mangelnden Einsicht.
Du solltest eher fragen wer "hat" diese Zeit?
Wer kann es sich leisten diese Zeit zu haben?
Eine ehrliche und problematische Frage. Dazu von mir eine Gegenfrage: Wer kann es sich leisten, Kinder in die Welt zu setzen, um dann nicht ausreichend Zeit für sie zu haben?
Aber auch an dich die Frage: Hast du Frau und Kind(er)?
Ich habe (noch) keine Kinder. Aber ich möchte einmal welche haben, und dann werde ich mir die Zeit für sie nehmen müssen, denn das bin ich ihnen auf ihrem Weg zum Erwachsenwerden schuldig. Diese Schuld habe ich dadurch auf mich genommen, indem ich von meinen Eltern entsprechend erzogen wurde, und die Erziehung an meinen zukünftigen Kindern ist ein Weg, diese Schuld wieder einzulösen.
Außerdem haben Kinder bessere Chancen sich geistig und sozial gut zu entwickeln, wenn ich mich ihnen widme und ihnen durch mein Sein unt Tun Beispiele und Denkanstöße gebe. Kinder brauchen allerhand Reize, um ihre Denkentwicklung voranzutreiben. Die erhalten sie jedenfalls kaum dadurch, indem sie nachmittags diese Talkshows sehen, in denen man sehen kann, wie man eher weniger miteinander umgehen sollte...
Mein Tenor ist: Erziehe Du Dein Kind so, wie Du es für richtig hälst, denn in Erziehungsfragen gibt es keine endgültige Antwort, nur manche helfende Hinweise. Eines aber ist klar: Erziehung ist Arbeit, die von den Eltern mit geleistet werden muss. Dabei treffen letzendlich immer sie die letzte Entscheidung in Erziehungsfragen. Und die Entscheidung darüber, ob eine Sendung oder ein Film im Fernsehen für das eigene Kind geeignet ist, kann keine FSK irgendwelchen Eltern abnehmen, sie kann nur Empfehlungen aussprechen. Das ist wie mit dem Alkoholausschank an Minderjährige. Wenn Du den Schnaps bestellst, um Deine Tochter dann daran schnuppern und nippen zu lassen, ist das Deine erzieherische Freiheit, das zu tun. Da kann keine FSK "reinreden". Und umgekehrt kann ja ein Film ab sechs Jahren geeignet sein und von manchen Eltern (aus religiösen Gründen?) trotzdem für ihren Nachwuchs verboten werden.
Nutze Deine Vernunft! Das ist das Einzige, was Dir wirklich nützt.
Liebe Grüße,
Felix Riesterer.
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