Der Martin: Anrede-Problem in Mails und allg. Schriftverkehr

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Hallo,

Ich hatte mal einen Abteilungsleiter, der mich schon geduzt hat, bevor er meinen Namen überhaupt kannte.

war der vorher vielleicht beim Bau? Da scheint es üblich zu sein, dass sich die Arbeiter duzen, und das scheint gelegentlich auch die Chefs mit einzuschließen.
Ansonsten ist es IMHO ein übler Fauxpas, jemanden zu duzen, ohne dass der- oder diejenige das will.

Wenn dich jemand ungefagt duzt, ist das im Grunde genommen eine Frechheit ohnegleichen.

Es sei denn, man kennt sich schon lange (z.B. als langjährige Kollegen), und pflegt einen so ungezwungenen Umgang, dass einem das "Du" schon ab und zu mal rausrutscht. Solange das nicht einseitig ist, und beide einverstanden sind, ist diese schleichende Einführung des "Du" IMHO auch ohne explizites Fragen in Ordnung. Es ist nach meiner Erfahrung der häufigste Weg zum "Du", während das ausdrückliche Fragen oder Anbieten wohl immer seltener wird.

Mein Ex-Chef hat uns auch ab und zu geduzt; ich glaube aber, das war ihm nicht wirklich bewusst, es ergab sich halt in manchen Situationen. Ebenso haben wir ihn gelegentlich geduzt - nicht offensichtlich, eher in unauffälligen Formulierungen. Wenn er einen von uns anrief und nach bestimmten Informationen oder Unterlagen gefragt hatte, konnte es durchaus passieren, dass der Angerufene sagte: "Gib mir zehn Minuten, ich rufe Sie gleich zurück." Das war okay und wurde gegenseitig akzeptiert, auch wenn wir offiziell gegenseitig beim "Sie" waren.

Wenn ich ÜBER dritte spreche habe ich mir angewöhnt diese aus der Perspektive meines Gegenübers zu bezeichnen.

Das war auch eine Masche eben dieses Chefs: Wenn er mit einem von uns über einen Dritten sprach, nannte er diesen auch so, wie sein Gesprächspartner ihn angesprochen hätte. Cheffe wusste, dass seine Leute sich untereinander alle duzten, und so sagte er dann beispielsweise: "Fragen Sie den Thorsten, der hat das letzte Woche gemacht."

Ja, wenn dein Vorgesetzter sich aber mit seinem Vorgesetzten duzt und dann von "Bernd" spricht, ist es sehr unangebracht, wenn du dann auch von "Bernd" sprichst. Manchmal hat es sogar einen Vorteil, wenn du dann ganz betont von "Herrn Müller" sprichst, denn damit zeigst du an, dass du das Gefühl hast, dein Vorgesetzter ließe es an Respekt seinem Vorgesetzten gegenüber mangeln, wenn er mit dir so spricht. Kann manchmal Vorteile haben, sowas.

Das kommt drauf an, wie ich zu meinem direkten Vorgesetzten stehe. Wenn das Einvernehmen einigermaßen in Ordnung ist, würde ich es nicht drauf anlegen, ihn "eine Etage höher" dumm aussehen zu lassen.

So long,
 Martin

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Gott hilft niemandem, er erfreut sich nur an unseren Leiden.
  (Ashura)