Hej Rolf,
@mermshaus
es gibt 3 Zonen, in denen sich die Benutzbarkeit einer Webseite aufhalten kann.
- Für alle Menschen benutzbar, die nicht im Koma liegen - sprich: die irgendwie im Stande sind, ihren eigenen Willen noch in irgendeine Form von Tat umzusetzen
- Immerhin noch für einige Menschen benutzbar, deren Sinne eingeschränkt sind
- Nur für diejenigen Menschen benutzbar, die über alle ihre Sinne verfügen
Wenn Punkt 3 zutrifft, ist die Seite aber selbst für diese Nutzergruppe nur mit viel geistigem Aufwand und unter optimalen Bedingungen nutzbar.
Wenn die Kontraste nicht reichen, Texte nicht zoobar sind, Schaltflächen sich nur von geübten Mausakrobaten treffen lassen - dann versuch doch mal so eine Seite, die ggfs. Bedienungshilfen nur als vorgelesenen Text ausgibt in einem lauten, fahrenden Schulbus zu bedienen.
Eine zugänglich Seite lässt sich bedienen. Auch unter widrigen Bedingungen.
Menschen sind nicht behindert. Sie werden behindert von den Barriereren, die wir unnötigerweise künstlich errichten.
Um es mal so klar zu sagen: wenn eine Webseite korrekt ausgezeichnet ist und kein Designer sich dran vergangen hat, ist sie so, wie sie der Browser darstellt, zugänglich.
Wir bauen die Barrieren erst rein! - Und beschweren uns dann über diejenigen, die sagen: hättest du das doch besser mal nicht getan? ;-)
Gunnar gehört zu den Menschen, die eine Site als Nicht Benutzbar bezeichnen, wenn sie im Bereich 2 oder 3 liegt. Oder anders formuliert: Benutzbar ist, wenn der Autor alle Accessibility-Features und -Practices nutzt, die State-of-the-Art sind.
Accessibility ist kein Feature! Accessibility bedeutet, dass die Features einer Webseite genutzt werden können!
Wenn man selbst ein Mensch ist, für den Kategorie 3 gilt, kann man sich die Probleme von Kategorie 2 oder gar 1 überhaupt nicht vorstellen.
Doch, weil man jederzeit dahin wechseln kann. Ich lasse mir Nachrichten beim Fernsehen oder Autofahren vorlesen von meinem Smartphone, das ich per Spracheingabe dazu auffordere - das ist Zugänglichkeit.
Zugänglichkeit heißt Wahlmöglichkeiten schaffen!
Es überlässt dem Nutzer die Entscheidung, eine Webseite per Sprache, per Maus oder per Tastatur zu bedienen - oder mit noch anderen Geräten, die aber nicht gesondert unterstützt werden müssen.
Dazu bedarf es keiner besonderen Features. In 99% aller Fälle reicht dafür der bestimmungsgemäße Einsatz von HTML:
button
für einen Knopf (engl.: button - es ist sogar dasselbe Wort!!!), label
für eine Beschriftung (engl: label - es ist sogar dasselbe Wort!!!), td
für tabellarische Daten (engl.: table data, abgekürzt td - es ist sogar dasselbe Wort!!!).
Es handelt sich hier nicht um Raketenwissenschaft. Accessibility ist einfach! Ihr macht es erst kompliziert!
Man hat dann auch nicht unbedingt ein Gefühl dafür, wie viele Menschen es gibt, für die Kategorie 3 nicht gilt. Als unbehinderter Arbeitnehmer oder Freelancer kommt man mit solchen Menschen nur selten in Berührung
Sorry, aber dann mach die Augen auf: Mehr als 10 Millionen Menschen in Deutschland habe eine anerkannte Schwerbehinderung. Also keine Altersweitsichtigkeit oder einen Arm in Gips (bedien mal mit einer Hand eine Webseite!)
Dazu kommen aber noch 20 Millionen Männer mit rot-grün-Schwäche, blendempfendliche wie Heydon Pickering, Leute, die gerade feiern, Menschen, die im Verkehr unterwegs sind usw...
Die Angehörigen der Gruppe 3 sind nur unter optimalen Bedingungen in der Mehrheit. Es gibt Situationen (starke Sonneneinstrahlung, Sportunfall, wackelnder Bus, laute Werkhalle, usw), bei der wir alle auf Webseiten angewiesen sind, die keine Barrieren haben.
Das macht man nicht für die "drei oder vier komplett blinden Hansel" in Deutschland. Das macht man für jeden Webseitenbenutzer!!!
und unterschätzt den Bedarf. Daraus resultieren dann Aussagen wie die von Fritz, dass es eine lässliche Sünde ist, diesen Personenkreis für die eigene Website nicht zu berücksichtigen. Es ist dann vor allem auch schwierig, die Benutzbarkeit der eigenen Seite zu testen. Weil man zunächst einmal gar nicht weiß, wie jemand mit Behinderungen die Seite bedient.
So wie man selber, wenn die Maushand in Gips ist. Oder wenn man einfach mal die Augen zumacht. So schwer ist das gar nicht >;->
Marc