ottogal: Mathematik zum Wochenende (dem neuen)

Mein Bruder hat in früheren Zeiten Ätzradierungen gemacht, wozu er Salpetersäure einer bestimmten Stärke benötigte. Oft musste er diese aus verfügbaren Säuren unterschiedlicher Stärke mischen oder eine stärkere Säure mit Wasser verdünnen.

Hierfür notierte er sich eine Regel - in seiner Notiz als "Formel" bezeichnet:

Saeuren

Aufgabe: Man zeige durch erläuterte Rechnungen, dass diese Regel des "Überkreuz-Subtrahierens" stets zum korrekten Ergebnis führt.

  1. @@ottogal

    Wochenende ist vorbei, ich darf schon lösen?

    $$\begin{matrix} p_1 && p_2
    \qquad \searrow && \swarrow \qquad
    & p
    \qquad \swarrow && \searrow \qquad
    p - p_2 && p_1 - p \end{matrix}$$

    mit 0 ≤ p₂ ≤ pp₁ ≤ 100

    Man nimmt
    pp₂ Einheiten[1] der p₁ %igen Säurelösung,
    d.h. ¹⁄₁₀₀ p₁ ⋅ (pp₂) Einheiten Säure und (1 − ¹⁄₁₀₀ p₁) ⋅ (pp₂) Einheiten Wasser.

    und
    p₁ − p Einheiten der p₂ %igen Säurelösung,
    d.h. ¹⁄₁₀₀ p₂ ⋅ (p₁ − p) Einheiten Säure und (1 − ¹⁄₁₀₀ p₂) ⋅ (p₁ − p) Einheiten Wasser.

    Beides zusammengekippt[2] ergibt
      ¹⁄₁₀₀ p₁ ⋅ (pp₂) + ¹⁄₁₀₀ p₂ ⋅ (p₁ − p)
    = ¹⁄₁₀₀ p₁ ⋅ p − ¹⁄₁₀₀ p₁ ⋅ p₂ + ¹⁄₁₀₀ p₂ ⋅ p₁ − ¹⁄₁₀₀ p₂ ⋅ p
    = ¹⁄₁₀₀ p ⋅ (p₁ − p₂) Einheiten Säure

    und
      (1 − ¹⁄₁₀₀ p₁) ⋅ (pp₂) + (1 − ¹⁄₁₀₀ p₂) ⋅ (p₁ − p)
    = pp₂ − ¹⁄₁₀₀ p₁ ⋅ p + ¹⁄₁₀₀ p₁ ⋅ p₂ + p₁ − p − ¹⁄₁₀₀ p₂ ⋅ p₁ + ¹⁄₁₀₀ p₂ ⋅ p
    = p₁ − p₂ − ¹⁄₁₀₀ pp₁ + ¹⁄₁₀₀ pp
    = (1 − ¹⁄₁₀₀ p) ⋅ (p₁ − p₂) Einheiten Wasser

    also p₁ − p₂ Einheiten p %ige Säurelösung, q.e.d.

    Geht’s noch einfacher zu rechnen?

    LLAP 🖖

    --
    “When UX doesn’t consider all users, shouldn’t it be known as ‘Some User Experience’ or... SUX? #a11y” —Billy Gregory

    1. Masseeinheiten? Die Prozentangaben sind doch die Massenverhältnisse, oder? Sonst würde man ja von Vol-% prechen. Wie dem auch sei, die Rechnung wäre genauso. ↩︎

    2. Wie mein Chemielehrer zu sagen pflegte: „Erst das Wasser, dann die Säure, sonst geschieht das Ungeheure!“ ↩︎

    1. Hallo Gunnar Bittersmann,

      Geht’s noch einfacher zu rechnen?

      Meine PM an @ottogal:

      Hallo ottogal,

      X sei die Menge der höherprozentigen Säure, Y die andere. p sei die Konzentration von X, q die von Y. k ist die gewünschte Konzentration.

      Es ist folgendes Gleichungssystem zu lösen:

      X + Y = 1 // die Säuren werden zusammengekippt, die Gesamtmenge ist 1 Mengeneinheit
      pX + qY = k // es muss sich die gewünschte Konzentration ergeben.

      Dieses LGS ist für pq stets lösbar. (Wenn ich zwei Säuren der gleichen Konzentration zusammenkippe, ändert sich die Konzentration der Mischung nicht)

      $$ X = \frac {k-q}{p-q}; Y = \frac {p-k}{p-q} $$

      Um eine Mengeneinheit zu erhalten, musst du also die angegebenen Werte verwenden. Wenn dir die gewünschte Menge egal ist, kannst du die Nenner vernachlässigen.

      Bis demnächst
      Matthias

      Bis demnächst
      Matthias

      --
      Rosen sind rot.
  2. Oh wie schön lange nicht gesehen 😉

    Das Mischungskreuz ist nur eine Näherung, Weil: 100 ml Ethanol + 100 ml Wasser ergibt weniger als 200 ml. Warum?

    Schöne Grüße 😉

  3. Meine Lösung geht so:


    Es kommt nur auf Verhältnisse an: Einmal auf die Konzentrationen der Säuren, und zum anderen auf das Verhältnis, mit dem zwei Flüssigkeitsmengen gemischt werden.

    Die Konzentration der Säuren wird in Prozent angegeben; z.B. hat 15-prozentige Säure die Konzentration $$15%$$. Die Variablen $$p$$, $$q$$, $$r$$ stehen für den Zahlenwert vor dem $$%$$, also z.B. für $$15$$, nicht für $$15%$$ bzw. $$0,15$$.

    Bezeichnungen:

    Ich spreche etwas leger von p-prozentigem "Saft", womit ich eine Mischung von $$p%$$ Säure und $$(100-p)%$$ Wasser meine. (Mit Säure meine ich also stets unverdünnte Säure.)

    Konzentration von Saft 1 sei $$p %$$;

    Konzentration von Saft 2 sei $$q %$$.

    Mischen von $$a$$ Teilen Saft 1 mit $$b$$ Teilen Saft 2 liefert einen Saft 3 mit Konzentration $$r %$$.

    (O.B.d.A. ist $$0 \leq q \leq r \leq p$$.)

    Saft 3 besteht also aus $$a+b$$ Teilen, und die relativen Anteile von Saft 1 bzw. Saft 2 sind

    $$u = \frac{a}{a+b}$$ bzw. $$v = \frac{b}{a+b}$$.

    Stets gilt: $$u+v=1$$ und $$\frac{u}{v} = \frac{a}{b}$$.

    Vor dem eigentlichen Problem bietet sich an, eine einfachere Aufgabe zu lösen:

    Aufgabe 1:

    Wie viel Prozent Säure hat die Mischung aus $$a$$ Teilen Saft 1 und $$b$$ Teilen Saft 2 ?

    Gesucht ist also $$r$$, gegeben sind $$p$$, $$q$$, $$a$$ und $$b$$ (oder $$p$$, $$q$$, $$u$$ und $$v$$).

    Lösung von Aufgabe 1:

    $$a$$ Teile Saft 1 enthalten $$ a \cdot \frac{p}{100} $$ Teile Säure.

    $$b$$ Teile Saft 2 enthalten $$ b \cdot \frac{q}{100} $$ Teile Säure.

    Die Mischung (Saft 3) enthält daher $$ a \cdot \frac{p}{100} + b \cdot \frac{q}{100} = \frac{ap+bq}{100}$$ Teile Säure.

    Dieser Saft 3 hat aber insgesamt $$ a + b $$ Teile. Deshalb ist die Konzentration von Saft 3 (also der Anteil der reinen Säure an der Gesamtflüssigkeit)

    $$ r% = \frac{r}{100} = \frac{ap+bq}{100 \cdot (a+b)} $$ oder nach Multiplikation mit 100:

    $$ r = \frac{ap+bq}{a+b} $$

    Die Gleichung $$ r = \frac{ap+bq}{a+b} $$ lässt sich umformen zu

    $$ r = \frac{a}{a+b} \cdot p + \frac{b}{a+b} \cdot q $$.

    Mit den oben definierten Anteilen $$u$$ und $$v$$ erhält man die einfache Gleichung

    $$ r = u \cdot p + v \cdot q $$

    Nun zum eigentlichen Problem, der

    Aufgabe 2:

    Das Schema, geschrieben mit den Variablen, liefert beim "Überkreuz-Subtrahieren" die Anteile $$a=r-q$$ für Saft 1 und $$b=p-r$$ für Saft 2.

    Zu zeigen ist also: Mischt man $$a=r-q$$ Teile von Saft 1 mit $$b=p-r$$ Teilen von Saft 2, so erhält man einen Saft 3 der Konzentration $$r%$$.

    Beweis:

    Aus $$a=r-q$$ und $$b=p-r$$ folgt $$a+b=p-q$$ und daraus (für $$p \neq q$$ - andernfalls trivial):

    $$u = \frac{a}{a+b} = \frac{r-q}{p-q} $$ und $$v = \frac{b}{a+b} = \frac{p-r}{p-q} $$

    Damit rechnet man nach:

    $$ u \cdot p + v \cdot q = $$

    $$ = \frac{(r-q) \cdot p}{p-q} + \frac{(p-r) \cdot q}{p-q} = $$

    $$ = \frac{rp-qp+pq-rq}{p-q} = $$

    $$ = \frac{r \cdot (p-q)}{p-q} = $$

    $$ = r $$.


    Neben @Gunnar Bittersmann und @Matthias Apsel hat auch @encoder eine korrekte Lösung eingereicht.

    Die verblüffende Kürze von Matthias' Lösung beruht freilich darauf, dass er seine zweite Gleichung

    pX + qY = k

    nicht begründet hat - das entspräche der Aufgabe 1 bei mir.

    Noch eine Bemerkung: Chemische Fragen waren hier nicht angesprochen (dass es z.B. 100-prozentige Säuren kaum gibt, oder ob es um Volumen- oder Masse-Prozente geht). Und für den praktischen Zweck des Ätzens von Druckplatten sind die Näherungen allemal ausreichend.