Hej Yadgar,
Vor allen Dingen kann man in Deutschland gar nicht auf Zweite-bis-Drittewelt-Niveau leben, selbst wenn man es wollte (oder müsste) - es ist schlichtweg verboten! Es besteht de facto und zum Teil sogar de jure eine Wohlstandspflicht in Deutschland! Fragt mal Bauwagenbewohner oder freiwillig Obdachlose über ihre Erfahrungen mit Repressalien aufgrund dieser Wohlstandspflicht!
Ja, das ist unschön. Da muss man kreativ sein…
Hört man freilich nicht gerne — das Märchen von „bei uns ist alles teurer“ ist viel bequemer. Vergleich mal die Löhne in zehn Dritte-Welt-Ländern und Vergleiche das mit den Verkaufspreisen eines Volkswagens, eines Apple-Gerätes
Dir ist aber schon klar, dass sich die hierzulande ärmsten 10 % (zu denen ich übrigens auch gehöre) weder Autos noch Apple-Smartphones leisten können, und zwar nicht einmal gebraucht...
Was auch du nicht verstehst: es wurde (auch von dir) behauptet, dass in anderen Ländern das Leben billiger ist. Aber diese Dinge kosten da genauso viel und oft sogar mehr als hier. Es ist also ein Märchen, dass das Leben in anderen Ländern günstiger ist.
Es mag billiger sein. — Und genau das kann man in Deutschland auch haben. Sogar einfacher, weil von dem großen Kuchen hier mehr abfällt.
Ganz abgesehen davon, dass in diesen Ländern die Grundversorgung deutlich schlechter ist und Arbeitslosigkeit in echten, lebensbedrohlichem Hunger enden kann.
Gibt es eigentlich verlässliche Statistiken über Verhungern als Todesursache in Ländern außerhalb Deutschlands?
Wozu? Tendenziell verhungern wohl immer weniger Menschen.
Man muss außerdem bedenken, dass in eigentlich allen dieser Länder familiäre, nachbarschaftliche oder religiöse Netzwerke an die Stelle des nicht vorhandenen Sozialstaats treten... weil schlichtweg die Individualisierung dort weniger weit fortgeschritten ist.
Kann ja auch gar nicht. Das ließe die Not überhaupt nicht zu.
Ich kenne ein Paar in der Ukraine, das trotz Scheidung mit der Tochter zusammen in einer zwei-Zimmer-Wohnung wohnt, weil eine räumliche Trennung der Eltern (die beide arbeiten!) zu teuer wäre. Für die „Familie“ eine extrem belastende Situation!
Natürlich gelten die nach der deutschen Armutsdefinition nicht als arm, denn sie liegen einkommensmäßig nicht weit genug unter dem Durchschnitt in ihrem Land.
Es stimmt natürlich, dass sich bei einer plötzlichen ersatzlosen Abschaffung aller Sozialleistungen in Deutschland (und gibt im Netz nicht wenige, die davon träumen, ich sage nur www.politikforen.de!) innerhalb weniger Wochen die Leichen der Verhungerten und Erfrorenen in den Straßen türmen würden, wir hier Szenen wie im Warschauer Ghetto sehen würden.
Da unterschätzt du die Hilfsbereitschaft der Menschen aber!
und manchmal produziert die statistische Ermittlung von Einkommen auch schlichtweg methodische Fehler. So galt z. B. Georgien lange Zeit als eines der ärmsten Länder der Welt, mit Durchschnittseinkommen in der Größenordnung 15 US$/Monat - was gar nicht erfasst wurde ist, dass dort aber niemand wirklich sein Leben mit den offziellen Löhnen bestreitet, sondern am Fiskus vorbei mit wesentlich besser bezahlter Schwarzarbeit, auf dem Land kommt noch Selbstversorgung dazu (letzteres ist auch in Deutschland entweder verboten oder insgesamt teurer als der Fertigfraß aus den Unterschicht-Discountern).
Deine Wortwahl missfällt mir erheblich. Was ist denn Fraß aus Unterschicht-Discountern?
Ich nehme an, du meinst damit beispielsweise deutsches Fleisch mit nachgewiesenem Produktionsdatum, das behördlich geprüft und unter Einhaltung einer durchgehenden Kühlkette mit MHD auf einen Käufer wartet?
Wird bei uns Schwarzarbeit eigentlich statistisch erfasst?
Den meisten Menschen in der Welt, geht es viel schlechter, als wir es hören wollen. Kein Wunder. Die Schere zwischen arm und reich, über die wir so gerne schimpfen, sieht aus der Perspektive von fünf bis sechs Milliarden(!) Menschen ganz anders aus, als aus unserer Perspektive. Aber ganz anders!
Richtig, die Welt ist ein einziges großes Konzentrationslager... und wir sitzen (noch) zufällig warm und trocken in der Kommandanturbaracke, nicht wahr?
Erst wollte ich das als Unsinn abtun, weil es so krass klingt aber:
Ein bisschen recht hast du damit vermutlich schon: wenn man anerkennt, dass die heutige Verteilung von Armut und Reichtum viel mit der Kolonialisierung zu tun hat. Manifestiert durch Handelsverträge, die bis heute von den reichen Nationen bestimmt werden und nicht selten von großen Firmen diktiert werden.
Ich finde es tut weh, sich das einzugestehen.
Erst seit ein paar Jahren wird in Afrika flächenmäßig gegen Masern geimpft. Angesichts der Tatsache, das das bereits Millionen von Menschenleben gerettet hat, frage ich mich, warum man damit nicht viel eher begonnen hat…
So viele Menschen aus Gleichgültigkeit verhungern oder an einfach vorzubeugenden Krankheiten krepieren zu lassen, hat schon was von NS-Mentalität. Da schließe ich mich ein und es fühlt sich ziemlich beschissen an…
Marc