Wenn es darum geht, semantisches Markup und getrennt gehaltenes Layout zu verwenden, fehlt es in der Tat an einer "Killerapplikation" oder dem "Superargument", das unwiderlegbar auch in der Praxis bestehen kann.
Fakt ist doch: Dem normalen Benutzer ist die dahinterliegende Technik einfach mal scheißegal. Dem Auftraggeber ist es egal. Selbst mir als Fachmann und CSS-Befürworter ist die von einer Website benutzte Technik egal, solange ich Zugriff auf die gewünschten Informationen habe, ich gehe nicht hin, gucke mir den Quelltext an und wende mich im gegebenen Fall angewidert von der Seite ab und komme nie wieder.
Die Diskussion "Semantik vs. Tabellen" ist also ein akademisches Randthema für Fachleute, welches 99,9999% aller Webbenutzer absolut nicht tangiert. Es ist eben gerade nicht so, dass Semantik automatisch zu einem besseren Erlebnis oder besserem Komfort für den Besucher führt. Man kann Mistseiten auf beide Arten realisieren, und man kann sehr gute Seiten auf beide Arten realisieren. Für den Besucher zählt dabei nur das, was er sieht - also das Screendesign, die Navigation und Menüführung und die Informationsdarstellung.
Professionell erstellte Websites für kommerzielle Anbieter entstehen, machen wir uns nichts vor, in der überwiegenden Zahl in Photoshop beim Screendesigner. Von diesem Zustand "Screenshot-HTML" ausgehend sind eigentlich immer beide Wege der Umsetzung in HTML möglich. Wenn der semantische Weg gewinnen soll, muß er handfeste Vorteile im Erstellungsprozess aufweisen.
Das Problem ist nur: Es gibt das "Superargument" für semantisches Markup mit CSS nicht. Nicht in der praktischen Realität.
Was ist für den Besucher der Site der wirkliche Unterschied in einer horizontalen Linkliste, die man als
• Inline-Zeichenkette mit Trennzeichen (z.B. senkrechter Strich)
• Tabellenzellen
• oder "semantisch" als <ul>-Liste mit display:inline
in eine Seite einfügt? Ich behaupte: Da ist absolut kein Unterschied, der Besucher sieht in allen denkbaren Fällen eine nebeneinander stehende Ansammlung von Links.
Und auch alle anderen Argumente zielen ins Leere. Schlechtere Wartbarkeit von Tabellensites? Ein Nullargument, denn professionelle Seiten werden selbstverständlich von professionellen Content-Management-Systemen verwaltet, die absolut kein Problem haben, entweder Tabellen bis in die hunderste Ebene hinein zu verschachteln, oder andererseits semantisches Markup bis in die hunderste Ebene hinein zu verschachteln. Wobei anzumerken ist: Die eingesetzten CMS-Systeme bilden eventuell tatsächlich eine praktische Hürde bei der Umsetzung von semantischem Markup, weil sie in ihrer Denkart möglicherweise nicht genug CSS-lastig programmiert sind - unmöglich machen sie es aber nie.
Auch die Argumentation, mit semantischem Markup wäre man auflösungsunabhängig (Stimmt nicht wirklich, wenn man Pixelgrafiken einsetzt - und wer tut das nicht? Oder man will es einfach nicht sein.), oder medienunabhängig (Nur ein einziges HTML für Screen, Druck, PDA, Handy, TV und Beamer - wer glaubt WIRKLICH, dass das mit heutigen Browsern funktioniert? Wer glaubt wirklich, dass alle diese unterschiedlichen Darstellungstechniken mit dem GLEICHEN Inhalt auskommen? Menüführung, Navigationshilfen, Orientierungspunkte - für alle Darstellungen identisch im HTML-Code? Wieviel Extra-Ballast für die jeweils gerade nicht genutzte Anzeigeform muß man da mitschleppen?) - diese Argumentationen haben sich eigentlich noch nirgendwo mit großen Hurra-Geschrei realisiert.
Das einzige wirklich stichfeste Argument gegen Tabellen und für Semantik + CSS, das mir über den Weg gelaufen ist: Tabellendesign benötigt wesentlich mehr HTML-Code, mit semantischem Markup und CSS kann man eine ganze Menge an Traffic einsparen.
Tabellendesign ist also nicht standardmäßig schlechter, sondern liegt auf einer Höhe - und genau deshalb wird es weiterhin benutzt.