Jens Grochtdreis: Modernes Webdesign verbreiten - Aussicht auf 2006

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Warum ist die Frage der Professionalität eigentlich so zweifelhaft? Ich möchte mal Analogien aus dem Fußball herbeiziehen, um meine Auffassung begreiflich zu machen:

Netzer, Beckenbauer, Seeler & Co. waren zu ihren Zeiten Profis und Weltspitze. Im Internet wären das die Anfangstage voller Tabellenlayouts. Mittlerweile haben sich die Trainigsmethoden und die persönliche Fitness der Spieler so gewandelt, daß die oben genannten keinen Stich mehr mit ihrer Spielweise bekämen. Aufs Internet bezogen: mittlerweile können die Browser all das, was sie früher nicht konnten und was uns zu Tabellendesigns zwang. Wer also heute noch mit Tabellendesigns anfängt, ist ein Uwe Seeler. Der mag ja sympathisch sein, aber er bekäm heute noch nicht einmal in der Oberliga einen Stich.

Professionalität hat in meinen Augen natürlich etwas mit Lernen und Ausbildung zu tun. Ich habe den Einstieg ins Webdesign mit einer Fortbildung des Arbeitsamtes bekommen, da haben wir noch eine HTML-Seite aus Word exportiert. Mir war das damals schon zu wenig und ich habe nie aufgehört, mich fortzubilden. Warum haben andere aufgehört?

Wir reden immer davon, daß sich das Internet so wahnsinnig schnell entwickelt. Ist es dann eine professionelle Vorgehensweise, sich nicht damit zu beschäftigen, WAS sich alles geändert hat? Ich spreche nicht von Freizeitentwicklern und Privatleuten. Genau wie die keinen modernen Fußball spielen müssen sie auch nicht zwangsweise verstehen, was ich als professioneller Webentwickler tue. Wer aber sein Geld damit verdient, von dem kann ich verlangen, daß er sich damit auseinandersetzt. Kannst Du Dir einen Juristen vorstellen, der auch noch zehn Jahre nach seinem zweiten Staatsexamen auf dem gleichen Kenntnissstand bezüglich seiner Rechtsmaterie stehengeblieben ist? Da nehmen wir Fortbildung als selbstverständlich an.

Ich nehme sie bei meinen Kollegen auch als selbstverständlich an. Wer sich nicht genügend fortbildet und weiterentwickelt ist in meinen Augen ein "neuer Amateur".

Du hast recht, daß wir zu sehr selbstfrerenziell argumentieren und publizieren. Ich freue mich über jeden, der den Versuch macht, mal einen Artikel in Internet Professionell oder c't abzusetzen. Zeigt nicht immer nur auf andere, versucht es selbst. Fordere nicht von anderen, Listen aufszustellen, Argumente zu finden. Schlag selber welche vor! Ich gebe Dir gerne bei den Webkrauts ein Forum, zusätzlich zu diesem hier. Geh an Computerzeitschriften. Wer schreibt mal einen Artikel in der Page?

Klar, das ist alles Arbeit. Niemand will sie machen. Deshalb ist das alles wohlfeil. In meinen Augen bleibt übrig, daß wir Leute haben, die sich mit Webstandards auskennen und eine Webseite so erstellen, wie es sich gehört: ohne Layouttabellen, semantisch mehr oder minder korrekt (gerade Semantik ist immer wieder ein lustiger Streitfall). Und es bleiben Leute übrig, die man als "neue Amateuere" oder noch unfreundlicher bezeichnen kann. Leute, die in ihrer Entwicklung stehengeblieben sind.

Da es schwierig sein wird, die Auftraggeber zu erreichen und ihnen die Rückständigkeit ihrer Agentueren klarzumachen, müssen wir einen Weg finden, diese größeren und kleineren Agentueren zu erreichen. Vorschläge werden gerne entgegengenommen.