molily: Realname

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Hallo, Michael,

»Identität« ist ein Prozess, ein Name ein Identitätsmerkmal, der oktroyierte sogenannte bürgerlicher Name ist nicht durch diesen Prozess der Identitätsbildung beziehungsweise Selbsterfüllung/-entfaltung entstanden, die einzige Institution, welche Identität definiert, ist das Individuum selbst.

Du argumentiert an der Wirklichkeit vorbei.

Wahrscheinlich sehe ich den Sachverhalt ganzheitlicher beziehungsweise von der Realnamen-Problematik im Netz abstrahiert.

"Identität" ist vor allem die Echtheit einer Person (oder Sache)

Je nachdem, wie Echtheit beziehungsweise Wahrhaftigkeit definiert ist. Es besteht nicht notwendigerweise eine Korrelation zwischen Echtheit der Person/Persönlichkeit, kleinstmöglicher Differenz zwischen ausgelöster Vorstellung und dem, für was sich die Person oder anderen, die sich vergleichsweise minimal ausreichend kennen, hält beziehungsweise halten.

und die lässt sich vor allem durch einen Blick in den Ausweis bestätigen. Dort steht bei mir "Michael Jendryschik".

Mit meiner Definition von Identität und Echtheit hat das wenig gemein. Dennoch ist Echtheit auch mit Abstand das Wichtigste wenn nicht sogar das Einzige, was ich von einem Menschen in jeder Situation quasi uneingeschränkt und bedingungslos fordere. Jedoch mache ich diese nicht daran fest, dass der Mensch sich mir mit dem ihm aufgedrängten bürgerlichemn Namen vorstellt - es gibt tausendfach relevantere Kriterien und Eindrucksebenen. Ich kenne viele Menschen, die sich auch und gerade im realen Leben anders nennen, als ihnen durch die Geburt vorgeschrieben, und ich respektiere es und sehe es als Akt der emanzipierenden Selbstverwirklichung an.

Das hat in den mir bekannten Fällen keinesfalls etwas mit Verlogenheit und Falschheit zu tun, sondern im Gegenteil: sie wählen einen Namen, der sie selbst, folglich die Person/Persönlichkeit, angemessener darstellt, wiedergibt beziehungsweise »bezeichnet«, als es der bürgerliche Name könnte. Alles andere wäre Selbstverleugnung, deshalb ist die selbstgewählte Identität (und der in Anschluss daran selbstgewählte Name) vermutlich die ehrlichste, natürlich auch nicht notwendigerweise. Zumindest zeigt dies aber, dass ein pauschales Urteil nicht möglich ist.

Pseudonyme sind konstruierte Identitäten, die ich beliebig wechseln oder ablegen kann.

Es gibt nur konstruierte Identitäten. Identitäten werden tagtäglich gewechselt, oder besser gesagt »Rollen«, worauf du anscheinend hinauswillst. Selbst unter demselben Namen kann eine Person unterschiedlichen Menschen unterschiedlich bekannt sein.

»Ich bin Michael Jendryschik

Mein Name sei Mathias Schäfer. Identität führt zu Name, folglich ist der Name ein Produkt der Identität, nicht umgekehrt. Es gibt das passende Sprichwort »sich einen Namen machen«, womit eben diese Prozess dargestellt wird, welchen anderen Menschen »Identifikation« ermöglicht. Der Name selbst ist dabei mehr oder weniger irrelevant, beziehungsweise nur durch einen selbstgewählten Namen lassen sich »Rückschlüsse« auf das dahinterstehende Individuum ziehen, nur ein solcher Name kann der Definition nach »bezeichnen« (sprachliches Zeichen versus Semantik/Vorstellung).

und stehe zu dem was ich schreibe.

Ein Pseudonym soll dies nicht verbergen. Zumindest verwende ich und viele andere nicht aus diesem Grund ein Pseudonym. Ich habe auch einige real klingende Pseudonyme, unter welchen ich einigen auch im realen Leben bekannt bin, von Zeit zu Zeit sogar angesprochen werde, ohne irgendwem etwas »vorspielen« oder jemanden täuschen zu wollen.

Ich habe nichts zu verheimlichen,

Das ist eine pauschale Unwahrheit, meiner Meinung nach, ohne dich damit angreifen oder irgendetwas bezichtigen zu wollen. Der Anspruch, »sich so darzustellen, wie man ist« beziehungsweise ferner »mit sich eins sein« (genannt: »Kongruenz«) ist vermutlich mehr ein Prozess als etwas absolut Messbares, welches ein fremder Mensch kategorisch einfordern könnte. Dies verlangt nämlich nicht nur als Voraussetzung kommunikative Stärke, sondern auch vor allem eine extrem weit fortgeschrittene Selbsterkenntnis, über welche sich ein Außenstehender und vermutlich nicht einmal das Ich selbst bewusst sein kann. Das Einzige, was wie oben beschrieben meiner Meinung nach einforderbar ist, dass ein Mensch sich gemäß seines aktuellen Selbstbildes gibt/darstellt. Und dieses Selbstbild darf ganz alleine die Person selbst bestimmen, wodurch sie sich ehrlich macht, sofern sich die Widersprüche in Grenzen halten beziehungsweise nachvollziehbar sind.

drücke mich als Person im Usenet aus.

Exakt - du stehst vor der Herausforderung, wie du dich bewusst in einer Weise verhältst, welche den anderen Menschen etwas »vorspielt«, du verwendest Mittel an, um eine gewisse Wirkung zu erzielen. Das Ziel ist nämlich, dass dein Gegenüber ein bestimmtes Bild beziehungsweise Vorstellung von dir bekommt, und diese Vorstellung soll möglichst dem ähneln, was du als dein Ich bezeichnest. Methodisch betrachtet besteht für mich kein Unterschied zwischen »sich selbst darstellen« und »jemanden darstellen, der man nicht ist«. Und wenn, wer darf sich herausnehmen, die Kriterien festzulegen, wer darf sich anmaßen, zu sagen, wer und was derjenige »wirklich« ist? Ich glaube nicht, dass sich hier irgendwie verallgemeinernd und objektiv argumentieren lässt, man kann sich höchstens über die eigene Vorstellung austauschen.

Ich spiele kein falsches Spiel sondern mit offenen Karten.

Siehe oben.

Ich lebe hier keine Rolle aus,

Glaubst du das wirklich? Man lebt meiner Meinung nach immer eine Rolle aus, und du lebst sicherlich in verschiedenen Rollen, und Diskutant in einem Netzforum ist eine davon. Gegenüber anderen Menschen wirst du dich anders präsentieren (müssen), alleine schon um anderen Erwartungen zu genügen.

sondern drücke mich aus als Person, die hier schreibt, was sie dir auch in Gesicht sagen würde.

Das ist vor allem Ehrlichkeit sich selbst und anderen gegenüber. Sicherlich zu jeder Zeit gewünscht, aber nicht in einer Art und Weise einforderbar, welche allgemeingültige Maßstäbe und Normen anlegt, das wäre missachtend. Im Netz kann die Differenz zwischen Sein und Schein sicherlich naturgemäß groß sein, dennoch finden viele darin Schutz.

Wer jedoch ist "Captain Future"? Heute "Captain Future", nach den ersten    missratenen Postings "Batman". Ich beziehe unter "Batman" eine Position    und widerlege sie in einigen Tagen als "Spiderman". Ich lege meine Karten    nicht auf den Tisch und spiele mit meiner Identität Katz und Maus. Ich    bewege mich zwischen den Positionen und beziehe keine Stellung, bin    nebulös und nicht zu fassen.

Diesbezüglich stimme ich dir vollkommen zu - denjenigen, welcher diese Ehrlichkeit sich selbst gegenüber - es ist eher Respekt vor sich als vor anderen, beziehungsweise läuft es darauf hinaus, denn Schuld kann man jemanden nicht zusprechen, man kann es nur selbst empfinden - nicht auszudrücken vermag, werde ich vermutlich auch meiden. Wenn sich derjenige jedoch einheitlich unter einem oder wenigen bekannten Pseudonymen durch das Netz bewegt, ist dagegen meiner Auffassung nach sicherlich nichts grundlegend auszusetzen; es würde mich als Konversationspartner nicht einschränken.

Es kann aber auch sein, dass ich als "Michi" die selben Postings formuliere    wie als "Michael Jendryschik". Ich poste nicht unter T-Online, weil man    mich da kennt, sondern über cotse.com, weil man dort meine Identität    schützt. Ich stehe also hinter einer Mauer und poste unverwundbar durch    Schießscharten hindurch. Meine Meinung ist gefestigt, ich formuliere sie    entsprechend der NQ, und ich bin auch kein Troll. Aber ich bin auch nicht    wirklich da, für die, die wissen wollen, wer ich bin.

Eine solche Anonymität ist meiner Meinung nach bis zu einem gewissen Punkt ein Menschenrecht. Es gibt auch in diesem sogenannten Rechtsstaat viele, die unter staatlicher Verfolgung leiden, sicherlich nicht weil sie »Kriminelle« oder »Verbrecher« sind. Gerechtfertigte und missbräuchliche Verwendung von Anonymität und Diensten wie Remailern von Remailern sind für mich klar umgrenzt (dennoch bin ich diesbezüglich sehr libertär eingestellt). In diesem Forum werden ebenfalls von Zeit zu Zeit Themen diskutiert, bei welchen es meiner Auffassung nach verständlich ist, dass ein Teilnehmer mit einem unbekannten Namen und ohne E-Mail-Adresse postet, beziehungsweise gegebenenfalls unter Verwendung einer Proxykaskade quasi-anonym. Solche von dir beschriebenen Fälle, nämlich in welchen der Postende keine Trollmentalität an den Tag legt, sind aber natürlich rar und meist meiner Erfahrung nach berechtigt.

Es ist eine Frage, wie sehr ich meine eigenen Postings respektiere und wie    ich im Usenet auftrete. "Captain Future", "Michi" und "Michael    Jendryschik" sind zwar die gleichen Menschen, durch die unterschiedlichen    Voraussetzungen aber andere Poster. Posten ist wie Briefe schreiben.    Der Liebesbrief ist mit "Dein Micha" unterzeichnet, auf dem Kuvert steht    mein Absender. Ich unterschreibe selbst dann nicht mit "Captain Future",    wenn die Angebetete weiß, dass man mich ab und zu mal "Captain Future"    nennt. Das ganze hat etwas mit Ernsthaftigkeit zu tun.«

Das sehe ich im Grunde genauso. Dennoch ist es zwangsläufig die Entscheidung des Teilnehmers, welche Informationen den Gesprächspartnern (preis-)gegeben werden und welche in den verschiedenen Situationen nötig sind.

Aufgrund welchen Erfahrungen kommst du zum Umkehrschluss, nämlich dass (Pseudo-)Realnamen Nähe und Vertrautheit erzeugen?

Wie kommst du darauf, dass ich dieser Meinung bin?

Das hat keinen Grund, es war lediglich eine Mutmaßung, da du die freie wählbare Lösung (beziehungsweise das Fehlen eines Grundkonsenses) in diesem Punkt kritisierte, nahm ich an, dass die von dir favorisierte Variante für dich speziell in diesem Punkt Vorteile zu haben scheint.

Bezüglich :

Ich halte es für die Kommunikation zwischen Menschen für gefährlich, es mit Identitäten und nicht mit Personen zu tun zu haben.

Ich empfinde es exakt genauso, wenngleich ich nicht den Begriff »Identität« verwenden würde, weil er landläufig (bspw. http://www.langenscheidt.aol.de/cgi-bin/webquery.pl?method=soundex&key=Identit%E4t) nicht als Gegenbegriff zu »Person« und deren »wahren(TM) Charakter« (TM hier als Mittel der Sprachkritik, siehe /archiv/2002/8/19105/#m107515) definiert wird, ich glaube aber zu verstehen, was du meinst und sehe darin viel Wahres. Dieses Problem beziehungsweise diese Herausforderung liegt aber jeder Kommunikation zugrunde, es ist tiefer angesiedelt, diese Kluft besteht naturgemäß und ist in der von dir anscheinend gemeinten Ausprägung nicht überbrückbar, das heißt man muss versuchen, sich mit dieser Differenz zu arrangieren, selbst wenn man sie nicht akzeptieren will. Zwar sehe ich Problempotenzial und auch einen gewissen Handlungsbedarf, aber meiner Erfahrung nach können Realnamen daran nichts grundlegend ändern, das heißt das genannte Missverhältnis existiert unabhängig davon. Vielleicht sehe ich das Thema auch zu skeptisch, als dass ich mich auf allgemeingültige Methode für jede Kommunikationsituation festlegen möchte beziehungsweise als dass ich Menschen dem folgend treffend einschätzen kann oder will.

Grüße, Mathias

--
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